Oldenburger STACHEL      
   

Caesar II?

"Ich will lieber in einem gallischen Dorf der Erste sein als in Rom der Zweite" - so oder ähnlich soll der große Caesar gesprochen haben, bevor er die römische Welt mit einem Bürgerkrieg überzog, in dem Hunderttausende ihr Leben ließen. Es ist der interessierten Öffentlichkeit leider nicht bekannt, ob Rolf F. Müller, zweiter (!) Bürgermeister und auch SPD-Stadtrat, eine humanistische Schule besucht hat. Doch scheinen ihn ähnliche Gedanken zu bewegen: In einer einstündigen Diskussion in der SPD-Fraktion machte er deutlich, daß er "keinen Automatismus darin sehe", daß er "neben dem Oberbürgermeister der Zweite für die SPD" sei (sic!). Wir sehen, hier kämpft einer um seine Ehre. Wir wissen: Schon im Kindergarten hört bei der Ehre der Spaß auf! Da wird zugeschlagen, bis klar ist, wer als erster Junge mit dem Flugzeug spielen darf. Das Kind im Manne - pardon, der Mann im Kinde kämpft selbstlos für die heilige Ehre. So muß das sein! Dafür muß der Mann die größten Opfer bringen! Deshalb ist es ganz verständlich, daß ein anderer SPD-Stadtrat flugs die SPD verlassen hatte, nachdem diese ihm einen Ausschuß- Vorsitz weggenommen hatte. Ein weiterer, dem von den Genossen Fraktionsvorsitz und Landtagsmandat verweigert worden waren, hatte sogar versucht, eine neue EIGENE Partei zu gründen. Ehre, wem Ehre gebührt! Schon die kleinen Jungen wissen, was sich gehört. Verächtlich rufen sie:"Ich spiele nicht mehr mit euch!", wenn sie nicht mehr der Häuptling der Indianer sein dürfen. Wie die Kleinen, so die Großen: Auch Ministerpräsident Schröder muß immer wieder in Bonn deutlich machen, daß ihm die Ehre des Vorsitzes gebührt. Und wenn die SPD dabei draufgeht!

So weit will es Rolf F. Müller aber nicht kommen lassen. In der Fraktion gab er mutig zu Protokoll, er bestehe darauf, "daß die Fraktion darüber abstimmt"; und daß, wenn andere Interessenten da seien, in geheimer Abstimmung entschieden werde! So kann jeder den Müller ankreuzen, ohne befürchten zu müssen, Ärger mit dem - immerhin noch amtierenden vorsitzenden - Holzapfel zu bekommen. Auf daß eine wahrhaft demokratische SPD-Fraktion ihren wahrhaft Ersten finde!

Interessent und Erster wofür? Das ist ja eigentlich Nebensache, siehe oben bei Caesar. Und so ist es wohl auch egal, daß es eine ziemlich peinliche Nebensache ist: Der israelische Partnerkreis Mateh Asher hatte eine Einladung an "Stadtdirektor und Bürgermeister" Oldenburgs geschickt. Stadtdirektor Wandscher und Oberbürgermeister Holzapfel nahmen das persönlich (Ehre!) und wollten als Vertreter der Stadt hinfliegen. Doch hatten sie die Rechnung ohne den wirklichen Vorsitzenden gemacht! Den des Ausschusses für Städtepartnerschaft nämlich, Rolf F. Müller! Er - natürlich nur, weil er Vorsitzender dieses bedeutenden Ausschusses ist und die Vorgespräche für den Israel- Besuch geführt hat - er beanspruchte nun, wenigstens als Dritter mitzufliegen. Hier war jedoch ganz dramatisch die Ehre der CDU verletzt: Alle drei sind SPD-Männer! Die CDU wollte wie die SPD das Duo nicht alleine reisen lassen, während Grüne und FDP damit keine Schwierigkeiten hatten. Doch so nicht! Der Ausschuß fand eine salomonische Lösung: Sieben Vertreter, von jeder Partei welche, sollen fliegen! Für die Ehre müssen Opfer gebracht werden, wer denkt da an Haushaltsdefizit...

Die Grünen haben die Auflösung des Ausschusses beantragt. Da sollten sie aber vorsichtig sein und die Geschichte nicht vergessen! Es könnte doch passieren, daß dann noch einer zur CDU überwechselt, wegen der verlorenen Vorsitz-Ehre! Und Rot-Grün wird noch kleiner... Gerade deshalb hat wohl auch CDU-Ratsherr Schramm im Gegensatz zu seiner Fraktion geagt, man solle den Ausschuß "einstampfen". Schlau, diese Politiker!

(Alle Zitate sind der NWZ vom 4.10. und 14.10.95 entnommen.)

achim


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