Ausgabe 11/99 | Seite 4 | |||||
Jacke wie Hose
Eine Wanderausstellung des Münsteraner Informations- und Kulturbüros "Solidarische Welt" berichtete vom 14. bis 26.10. im PFL darüber, von wem, wo und unter welchen Bedingungen in unserer globalen Produktions- und Verkaufswelt die Textilien hergestellt werden, die wir täglich auf unserer Haut tragen und schließlich in die Altkleidersamml ung geben. Leider hingen die fünfzehn Ausstellungsplakate oft einsam im ersten Stock des PFL. Wir meinen, es lohnt sich, daß ihre Botschaften mehr Menschen erreichen. Wir drucken deshalb einen Auszug aus der Ausstellungsbroschüre ab. Infomaterial und Ausstellung können bezogen werden über Exile Kulturkoordination, Friederikenstraße 43, 45130 Essen, Tel. 0201/777176 (Ausleihgebühr 400 DM 2 Wochen, 700 DM 4 Wochen, Versicherungspflicht, Transport durch AusleiherInnen).
Immer das Billigste - egal, wo
80 % der Kleidung, die über deutsche Ladentheken wandern, wird in Weltmarktfabrike n der "Dritten Welt" oder Osteuropas produziert. Bis zu ihrer Fertigstellung haben die meisten Kleidungsstücke einen weiten Weg durch unterschiedliche Länder und Kontinente hinter sich. Textilfirmen suchen ihren Standort für die einzelnen Produktionsschritt e nach den billigsten Arbeitskräften, möglichst weitgehenden unternehmerischen Freiheiten und den geringsten Umweltschutzauf lagen. Otto, C&A, H&M, Esprit, Benetton etc. etc. - im Kampf um Wettbewerbsvorteile ziehen die Unternehmer um die ganze Welt. Es sind fast ausschließlich Frauen zwischen 14 und 25 Jahren, die in den weltweiten Kleiderfabriken tagtäglich unter oft unzumutbaren Bedingungen für den Weltmarkt produzieren. Menschenrechtsverletzungen und Missachtungen des Arbeitsrechtes sind an der Tagesordnung: niedrigste Löhne, Zwang zu Überstunden und Nachtarbeit, kein Kündigungsschutz, illegale Kinderarbeit, gesundheitsschädigende Arbeitsplätze, das faktische Verbot gewerkschaftlicher Organisierung.
Weltreise einer Jeans
Die Baumwolle wird in Kasachstan oder Indien geerntet, anschließend nach China versandt und dort versponnen. Auf den Philippinen wird sie gefärbt und in Polen verwebt. Innenfutter und Washinglabel kommen aus Frankreich, Knöpfe und Nieten aus Italien. Alle Zutaten werden auf die Philippinen geflogen und dort zusammengenäht. Die Endverarbeitung der Jeans mit Bimsstein findet in Griechenland statt. Verkauft und getragen wird sie in Deutschland. Die gebrauchte Jeans wird gespendet und in Holland mit anderen sortiert. Mit Schiff und LKW wird sie nach Afrika gebracht. Noch einmal verkauft und getragen wird sie in Ghana.
Der Weg einer Jeans um die Welt kann heute 19 000 km betragen.Voller Kleiderschrank
Durchschnittlich verbrauchte 1990 jede/r BundesbürgerIn pro Jahr 26 kg Textilfasern. 26 kg Textilien sind ungefähr: 2 Mäntel, 2 Jacken, 4 Hosen, 4 Röcke, 10 Pullover oder Sweat-Shirts, 8 Blusen oder Hemden, 12 T- Shirts, 10 Unterhosen, 10 Paar Socken, 2 Abendkleider oder Anzüge; dazu kommen verschiedene Haustextilien, wie Decken, Bettwäsche, Putzlappen usw.
100% Cotton
Die Hälfte unserer Bekleidung ist aus Baumwolle. Heute wird in mehr als 70 Ländern Baumwolle angebaut. Der Anbau erfolgt fast überall in großen Monokulturen. Von der Aussaat bis zur Ernte wird das Baumwollfeld ca. 25mal mit Pestiziden besprüht. Auch bei der Weiterverarbeitung werden Chemikalien eingesetzt. Bei den gesundheitlichen Konsequenzen dieses Chemieeinsatzes werden wir als VerbraucherInnen hellhörig. Wir wollen uns schützen. Aber wer schützt die ArbeiterInnen auf den Baumwollfeldern und in der Produktion?
Westeuropa: Arbeitsplatzabbau
Mittlerweile werden 80 % unserer Kleidung im Ausland gefertigt. Bevorzugt wird die "Passive Lohnveredelung" (PLV), d.h., nur der arbeitsintensive Teilschritt der Produktion geschieht im Ausland. Durchschnittlich betreibt jedes deutsche Unternehmen in fünf verschiedenen Ländern PLV. Zugekauft wird hauptsächlich aus Fernost/Asien, aber auch aus Italien und der Türkei. Doch die Suche nach immer billigeren Standorten führt weltweit zu Lohn-, Sozial- und Umweltdumping. Die westeuropäische Bekleidungsindustrie hat in den letzten 25 Jahren einen tiefen Einbruch erlebt. Von 384 000 westdeutschen Beschäftigten 1970 standen 1995 noch 97 600 in Lohn und Arbeit. Noch gewaltiger ist dieser Prozeß in Ostdeutschland verlaufen. Von 290 000 Arbeitsplätzen im Jahr 1990 sind gerade einmal 26 000 übrig geblieben. Das heißt, daß 91 % der Arbeitsplätze hier verschwunden sind. Obwohl die Löhne in der Bekleidungsindustrie sehr niedrig sind - eine westdeutsche Arbeiterin verdient 16,59 DM (brutto) pro Stunde - finden die Unternehmer sie zu hoch. Sie wandern um die Welt nach immer günstigeren Standortbedingungen: nach Nordafrika, Osteuropa, Asien oder Lateinamerika.
Arbeit in El Salvador oder China
Endlos sind die Nachrichten über den Mißbrauch von Arbeits- und Menschenrechten in den Weltmarktfabriken Mittelamerikas, die hier Maquilas genannt werden. Es handelt sich um Zulieferbetriebe der Elektronik-, Leder- und Textilindustrie, die vorwiegend für den Weltmarkt produzieren, mehrheitlich für die USA. Zu 80-90 % sind es Frauen, die für ein Monatsgehalt zwischen 100,- und 180,- DM arbeiten. Arbeitsschutz ist an ihren Arbeitsplätzen ein Fremdwort. Staub, Hitze und Lärm führen zu Lungenerkrankungen, Migräne, Muskelschmerzen und Menstruationsausfall. Die Rate der Fehlgeburten ist überdurchschnittlich hoch. Jede Arbeiterin führt an ihrer Nähmaschine tagaus tagein dieselben monotonen Handgriffe aus. Standortkampf geht vor Arbeitsrechten, die zentralamerikanischen Regierungen arbeiten eng mit den Unternehmen zusammen. Offiziell werden Gewerkschaften zugelassen, aber die Arbeiterinnen haben Angst, sich zu organisieren, weil ihnen dann die sofortige Kündigung droht. Im September 1994 werden 300 ArbeiterInnen entlassen, die bei Doall Industrias arbeiten, weil sie die Zulassung einer Gewerkschaft fordern. In Guatemala werden GewerkschafterInnen extrem bedroht - von massiven Einschüchterungen bis hin zur Entführung. Am 13. März 1997 werden drei Gewerkschafter des Maquilabetriebes Mi Kwang S.A. von schwer bewaffneten Männern auf eine Polizeiwache verschleppt und mißhandelt. In der philippinischen Firma Mactan Apparel, die für Adidas und Nike arbeitet, sind drei Überstunden zur täglichen Arbeitszeit von acht Stunden die Regel. Frauen, die mehr als dreimal zu spät kommen, können entlassen werden. Für 560 Frauen gibt es nur eine Toilette. Die VR China ist bei Tageslöhnen von 2,40 DM und ca. 2 Millionen ZwangsarbeiterInnen zum größten außereuropäischen Textil- und Bekleidungsexporteur geworden. 40 bis 70 Millionen Menschen insgesamt arbeiten in den "Freien Produktionszonen", in denen Arbeitsrechte und Schutzgesetze des übrigen Landes nicht gelten.
Bangladesh, Sri Lanka
In Bangladesh arbeiten eine Million Menschen in der Bekleidungs- und Textilindustrie, davon 90 % Frauen. Die Gewerkschaft fordert in einem Verfahren vor dem obersten Gericht von der Regierung und dem Arbeitgeberverband folgende Mindestauflagen: Notausgänge, Feuerlöscher, genug Toiletten, getrennte Toiletten für Männer und Frauen, Feuerübungen, Ärzte, Übernahme der Arztkosten durch die Eigentümer. Hier ist die Sieben-Tage-Woche üblich. Es ereignen sich häufig Unfälle, aber nur selten ist eine medizinische Versorgung gewährleistet. Die Firma Adolf Ahlers AG in Herford stellt bei Dial Textile Industries Ltd. (100%iges Tochterunternehmen in Katunayake/Sri Lanka) Jacken, Jeans und Mäntel her. Arbeiterinnen in Katunayake sind in Wohnbaracken mit acht bis 10 Personen je Raum untergebracht. Die Arbeitsnormen sind so hoch, daß die Frauen oft keine Zeit zum Essen haben. Schläge und Beschimpfungen sind an der Tagesordnung, wenn die Norm nicht erreicht wird. Wegen der schlechten Bedingungen sind Unterernährung und Lungentuberkulose häufig. Bei Streikaktionen gibt es Entlassungen. Dies sind Untersuchungsergebnisse von "Da Bindu", einem Frauenkollektiv, welches sich für die Rechte von Arbeiterinnen einsetzt.
Kleiderspenden zerstören Arbeitsplätze
Nur zehn Prozent der durch caritative Organisationen gesammelten Altkleider werden für Kleiderkammern oder Soforthilfe eingesetzt. Ein weiterer kleiner Teil wird in Second-Hand-Läden auf den Markt gebracht, aber der weitaus größte Teil der noch tragbaren Kleidung wird ins Ausland verkauft. Derzeit landen etwa 120 000 Tonnen jährlich in Afrika, ca. 35 % der deutschen Sammelware. Die Altkleider werden auf den afrikanischen Märkten verkauft, zu Preisen, die zwar unter denen einheimischer Produkte liegen, aber für die Ärmsten dennoch unerschwinglich sind. Die gespendeten Altkleider verdrängen mit ihren konkurrenzlosen Dumpingpreisen die einheimischen Produkte und ruinieren damit die afrikanische Textil- und Bekleidungsindus trie. Zehntausende von Arbeitsplätzen sind durch diese Konkurrenz aus dem Norden bereits vernichtet worden. Zahlenmäßig kaum zu erfassen ist das Ausmaß der Folgen für SchneiderInnen und StoffhändlerInnen.
"Saubere" Kleidung!
Die "Kampagne für saubere Kleidung" setzt auf den Einfluß von VerbraucherInnen, um die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustri e zu verbessern. Sie wird getragen von einer großen Anzahl gesellschaftlicher Organisationen, die in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien aktiv sind. Ziel ist es, daß die Bekleidungsbranche in Europa Verantwortung trägt für menschenwürdige Bedingungen bei der Herstellung von Kleidung. Es wurde dafür ein Verhaltenskodex erstellt, die "Sizialcharta für den Handel mit Kleidung": In der Charta sind sieben Bedingungen festgehalten worden, denen die Produktion zu entsprechen hat. Diese basieren auf den Konventionen der ILO (der internationalen Arbeitsorganisation der UNO). Es handelt sich dabei um die elementarsten Arbeitsrechte: das Recht auf Organisierung und Kollektivverhandl ungen, auf einen angemessenen Lohn und auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sowie die Einhaltung der Konventionen bezüglich der höchstzulässigen Arbeitsdauer, des Mindestalters und der Nichtdiskrimimierung. Kraft Zeichnung erklärt die Geschäftskette, daß die Produktion aller von ihr verkauften Kleider mindestens diesen Bedingungen genügt. Sie erhält dann das Recht, ein Siegelzeichen zu führen. Sie erklärt sich außerdem bereit, der Kontrolle über die Einhaltung dieser Bedingungen durch eine unabhängige Instanz zuzuarbeiten.
Arbeitskampf und Verbraucherdruck
Bei der Firma Mandarin in El Salvador führte die Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft Ende 1993 zur Entlassung aller organisierten ArbeiterInnen. Massive Proteste in El Salvador und von US-amerikanischen Verbraucherverbänden veranlassten den Hauptauftraggeber, The GAP, seine Aufträge solange zurückzustellen, bis Mandarin einer Wiedereinstellung und externe Kontrollen der Arbeitsbedingungen zusichert. Eddie Bauer, ein Tochterbetrieb des Otto-Versandes. erteilte jedoch weitere Aufträge. Erst durch das öffentliche Auftreten der salvadorianisch en Arbeiterin Rosa Virginia Hernandez in Deutschland und weitere Proteste haben Eddie Bauer und der Otto-versand reagiert. Ab Januar 1997 wurden die entlassenen ArbeiterInnen wieder eingestellt.
Fragen Sie...
... in den Geschäften nach, unter welchen Bedingungen die Kleidung hergestellt wurde! Vorgedruckte Postkarten an die Geschäftsleitu ngen erhalten Sie bei: Kampagne für "Saubere" Kleidung, Koordinationsbüro c/o DGB Bildungswerk, Postfach 10 10 26, 40001 Düsseldorf. (achim)
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