Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/99      Seite 15
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Keine Rettung vor Autobahnlärm?

Im Juni erreichte das Straßenbauamt Oldenburg-Ost ein Hilferuf aus dem Seggenweg: "Der Verkehrslärm, der von der Autobahn auf unsere Häuser und Wohnungen niederprasselt, wird immer unerträglicher. Es ist kaum möglich, die Fenster geöffnet zu haben, auch nicht nachts, geschweige denn, sich auf dem Balkon aufzuhalten. Mit anderen Wörten, der Geräuschpegel ist derart hoch, daß dies kaum - weder nervlich noch gesundheitlich - zu verkraften ist." Auf einer Unterschriftenlist e fordern Anwohner "umgehend Abhilfe". Die meisten OldenburgerInnen werden für diese Klage viel Verständnis haben. Die Stadt wird kreuz und quer von Autobahnen durchschnitten, Fahrzeugzahl und Tempo nehmen kontinuierlich zu. Verteilen Lärmschutzwände das Donnern auf ein größeres Gebiet und mindern es ein wenig für die direkten Anwohner, so sind Nachbarn eines Autobahnabschnittes ohne Schutzwände oder mit nur niedrigen Begrenzungen einem infernalischen Lärm ausgesetzt, Tag und Nacht.

Die Anwohner des Seggernweg empfinden es deshalb als Schildbürgerstreich, daß direkt neben ihnen die Tempobegrenzung aufgehoben wurde, während auf der anderen Autobahnseite Richtung Leer noch Tempo 100 gilt. Zusätzlich zum Dauerlärm bekommen sie das Aufheulen der Motoren zu hören. Sie verlangen, Tempobegrenzung und Lärmschutzwänd e bis zum Osternburger Kreuz zu verlängern.

Abgebürstet

Das Straßenbauamt antwortete den hilfesuchenden Anwohnern auf eine Art, wie mensch es früher unangenehm von herablassenden Obrigkeiten gegenüber "unwissenden Untertanen" kannte: Es referierte die allgemeine Gesetzeslage, ohne sich zu bemühen, hilfsbereit auf die konkreten Nöte einzugehen. Ein Rechtsanspruch auf "zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen" bestehe nicht, im Übrigen werde der Einfluß der Geschwindigkeit auf den Lärm stark überschätzt; im wesentlichen werde der Lärm an der Autobahn durch Lastwagen bestimmt, und die LKWs seien ohnehin auf 80 km/h beschränkt.

Steigende Tendenz

Ein Anwohner des Seggenweg kommentierte diese Stellungnahme des Straßenbauamtes postwendend als "wirklichkeitsfremd". Nach Angaben des Bauamtes würden in 24 Stunden über 50 000 Fahrzeuge über die Stadtautobahnen donnern, davon 6400 LKWs - Tendenz steigend. Dieser Fahrzeugstrom sorge für Dauerlärm - und der werde nach Beendigung der Geschwindigkeitsbeg renzung noch einmal hörbar gesteigert, wenn PKWs und Motorräder ihr Tempo auf bis zu 150 km/h beschleunigen. Und wer persönlich die Stadtautobahn benutze, könne selber immer wieder feststellen, daß so gut wie alle LKWs auf der A 28 nicht 80 km/h, sondern zwischen 95 und 110 km/h schnell fahren. Holländische Lastwagen brummten am Wochenende sowie abends und nachts mit 120 km/h über die Stadtautobahn.

Verwaltung und Rat - rat- und zahnlos?

Die geplagten Seggenwegbewohner ließen sich nicht einfach abfertigen, sondern wandten sich auch an die Stadtverwaltung und die Parteien im Rat. Außerdem schalteten sie die Presse ein. Dieses Mal gab es ein erfreuliches Echo. Die NWZ berichtete ausführlich, Verwaltung und Parteien zeigten Verständnis für die Klagen der Lärmgestreßten. Doch die guten Worte kosten sie erst einmal nichts. Was konkret soll die Stadt tun, wofür soll sie sich einsetzen? Autobahnen sind Bundessache, zuständig ist besagtes Straßenbauamt.

Neu ist die Lärmproblematik an der Osternburger Autobahn wahrlich nicht. Bereits Anfang 1997 hatten Anlieger der Straßen Müllersweg, Sandweg, Ostweg Lärmschutzmaßnahm en für ihr Wohngebiet verlangt, nämlich

- Höchstgeschwindigkeit 80 km/h bis zum Kreuz,

- Bau von neuen wirkungsvolleren Schallschutzwänden in diesem Autonahnabschnit t,

- Veränderung des Fahrbahnbelages zur Verringerung der Fahrgeräusche.

Die Stärke und Größe der bisherigen Lärmschutzwände war 1979 nach prognostizierte n Verkehrzahlen berechnet worden, die inzwischen weit überschritten werden. Die Stadtverwaltung hatte deshalb Herrn Delfs als Vertreter des Straßenbauamtes zur Märzsitzung des Bau- und Planungsausschusses eingeladen, um über die aktuellen Planungen informiert zu werden. Dieser berichtete, daß bereite nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen im Autobahnabschnitt bis zum Kreuz geplant seien. Der neue Planentwurf befinde sich "zur Zeit" auf dem Dienstweg zur Prüfung im Bundesverkehrsministerium. Es sei die Absicht der Baubehörde, die vorhandenen Lärmschutzwände in Richtung auf das Kreuz Osternburg zu verlängern. Ebenfalls würden Lärmquellen im Bereich der Brücken durch schalldämmende Maßnahmen reduziert.

Die Information an den Ausschuß ist jetzt bereits fast drei Jahre alt. Von einem Aufschrei der Empörung ist bisher nichts zu hören gewesen.

Langsam ist zu teuer

Zur Forderung der Geschwindigkeitsbegrenzung erklärte Herr Delfs in der Bauausschusssitzun g u.a., eine Lärmreduzierung entstehe erst bei einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Der Geschwindigkeitsreduzierung werde jedoch eine objektiv zu hohe Bedeutung bei der Lärmentwicklung beigemessen. Viel entscheidender für die Lärmminderung sei die Entfernung der Bebauung von der jeweiligen Lärmquelle. Sarkasmus oder Satire angesichts der Autobahnen mitten durch die Stadtviertel?

Zur Lärmreduzierung durch einen neuen Fahrbahnbelag erläuterte Herr Delfs, daß es einen deutlich lärmmindernden offenporigen Belag gäbe. Dieser habe aber den erheblichen Nachteil , daß schon nach wenigen Monaten die Fahrbahn ständig intensiv gereinigt werden müsse. Das verursache einen hohen Verschleiß, so daß eine solche Decke nur eine Nutzungsdauer von fünf bis sieben Jahren erreiche. Der Mangel an entsprechenden Haushaltsmitteln verbiete den Einsatz eines solchen Belages. Da es aber bereits andere Asphaltbeläge gebe, die eine etwas geringere lärmmindernde Wirkung hätten, sei vorgesehen, bei nächster Deckenerneuerung einen solchen neuen Asphalt einzubauen. Das sei nach zwei oder drei Jahren zu erwarten.

Das sagte er im März 1997. Wir warten immer noch. Stehen die Bundestagsabgeordneten bereits bei der Bundesverkehrsbehörde auf der Matte?

Lediglich der Ausschussvertreter der Grünen verlangte eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 100 km/h bis zum Kreuz. Herr Delfs erklärte dazu, daß die Tempobegrenzung nicht wegen Lärmschutz, sondern aus Sicherheitsgründen angeordnet worden sei. Der Grüne bat dennoch, seinen Vorschlag in der Verkehrssicherheitskommissio n für Autobahnen vorzutragen. Ob der Bauamtsvertreter das wohl getan hat?

Möglichkeiten nutzen!

Auch nach dem aktuellen Protest der Seggenstraßenanlieger sind die Grünen im Ausschuß aktiv geworden. Sie weisen auf die Forderungen aus dem Jahre 1997 und auf die Ankündigungen des Vertreters des Straßenbauamtes hin. Sie verlangen, sich nicht nur einfach auf Gesetze und Verordnungen zu beziehen; in diesen würden nur errechenbare Mittelwerte berücksichtigt, nicht aber die Komplexität der Lärmeinwirkung mit ihren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Dabei gebe es an der Oldenburger Universität weltweit anerkannte LärmforscherInnen, die sich aus meßtechnischer wie aus psychologischer Sicht mit Lärm befassen. Von ihrem Know-how sollten Rat und Verwaltung profitieren, sie sollten in den Ausschuß eingeladen werden. Der Vertreter des Straßenbauamtes sollte noch einmal zu den geplanten Maßnahmen befragt werden. Die Grünen setzen sich ein für einen Mix von Geschwindigkeitskontrollen und - verminderung, Belagerneuerung und Verlängerung der Lärmschutzwand. Sie wollen, daß sich der Rat mit diesen Forderungen an das Bundesverkehrsministerium wendet und die Oldenburger Bundestagsabgeordneten anspricht, damit auch sie in Berlin Dampf machen.

Wir sind gespannt, wie es weitergeht. Wo wohl die nächste Initiative aktiv wird?

achim

 

 
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