Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/99      Seite 16
 
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Medienbüro Oldenburg präsentiert

mittendrin und außenvor

Eine "deutsch - türkische" Filmreihe mit Lesung vom 7.6 - 17.6.99 im PFL

Ein "deutsch-türkischer" Filmboom macht die Runde Es sind Filme von MigrantInnen der zweiten und dritten Generation. Thematisiert werden ihre Wünsche, Sehnsüchte, Konflikte mit der eigenen Identität, der Generation der Alten, die noch stark der Kultur ihrer alten Heimat verhaftet sind. Auch wird die Migrationsgeschichte aufgearbeitet oder die Abschiebepraxis beschrieben. Ein neues Genre war geboren und schnell eine neue Schublade beschriftet.

Dem Bedürfnis nach Einordnung und Schematisierung ist damit Genüge getan, die FilmemacherInnen jedoch finden daran keinen Gefallen. Zwar verzichten sie selbst nicht auf das eine oder andere Klischee, wie den "kriminellen Ausländer", den "Goldkettchenträger" oder den "Messerstecher", jedoch sind diese hier nur Mittel zum Zweck, die Standardisierungen zu hinterfragen und zu der eigentlichen Handlung zu führen: Der inneren Zustandsbeschreibung, der Isolation in der Großstadt, dem Elternkonflikt Jugendlicher usw. Anders ist es im deutschen Film, in dem kaum eine türkische Schauspielerin die Chance hat etwas anderes zu spielen als eine türkische Kommissarin, einen türkischen "Asylanten" oder einen türkischen Familienvater, eben die/den "TürkIn vom Dienst". Die meistern RegisseurInnen und SchauspielerInnen sind hier geboren, gingen hier zur Schule und sind in dieser Gesellschaft aufgewachsen. Also begannen sie eigene Filme zu drehen und ihre eigenen Geschichten zu erzählen.

Wie gut würde es in die Schublade passen, wenn der Blick auf die "Exoten" die allumfassende und übergreifende Problematik zutage brächte, die "deutsch-türkische" Filme ausmacht. Dem ist jedoch nicht so. Wenngleich die für die Reihe ausgewählten Filme sich alle um die Fragen drehen, wie eine Gesellschaft, in diesem Fall die deutsche, mit Menschen umgeht, die sie als "Fremde" definiert, unterscheiden die Filme sich in ihren Handlungen wie in ihrer Machart erheblich. So variationsreich die Geschichten sind, so neu sind sie auch. Am ehesten finden sich die Vorbilder noch in den MigrantInnenfilmen der achtziger Jahre aus Frankreich und Großbritannien. Während in Dealer Thomas Arslan die Geschichte eines Verlierers der Gesellschaft, der in seiner eigenen Unentschlossenheit gefangen ist, in düsteren und traurigen Bildern erzählt, zeichnet Hussi Kutlucan in Ich Chef, Du Turnschuh die Geschichte eines gewitzten, nie um eine Antwort verlegenen Asylbewerbers in komödienhaftem Stil auf. Seyhan Derin zeigt in dem Dokumentarfilm Ich bin Tochter meiner Mutter, wie die Entscheidung, ihren eigenen Weg zu gehen, sie in einen tiefen Konflikt mit ihrer Familie stürzt. Der Film Lola und Bilidikid von Kutlug Ataman spielt im türkisch-deutschen Underground und der schwulen Subkultur Kreuzbergs. Feridun Zaimoglu liest aus seinem Buch Koppstoff - Kanaka Sprak vom Rande der Gesellschaft . Es sind Protokolle von deutsch-türkischen Frauen in denen auf Grund der politisches Verhältnisse in diesem Land oft eine Düsternis und eine Wut spricht, die der Autor selbst vor Jahren nicht für möglich gehalten hatte.

Die Verhältnisse in der BRD sind es, die auch den Filmen zu einer "typischen" deutschen Ausprägung verhelfen: Alltäglicher Rassismus, Pogrome und Übergriffe, ein völkisches Staatsbürgerschaftsrecht, Ausländergesetze, Abschiebung, Menschen ohne Rechte und Papiere.

Wir freuen uns ganz besonders, daß wir an jedem Veranstaltungsabend einen oder mehrere Gäste haben, mit denen wir über die Filme diskutieren werden.

Termine und Filme:

Montag, 7.6.99 20.00 Uhr

Der Abschübling von Tuncay Kulaoglu D 1996, 15 Min. Der Asylantrag ist abgelehnt, der Abschübling ist auf der Fluch vor der Polizei. Mit Hilfe von Freunden gelingt es ihm zu entkommen, bis ihm ein Fahrkarte zum Verhängnis wird. Zu einem Paket verschnürt wird er ins Flugzeug befördert.

Dealer von Thomas Arslan D 1998, 74 Min. Can verdient sein Geld als Dealer. Er möchte aussteigen, aber weiß nicht wie. Seine Freundin droht ihn zu verlassen. Die Polizei ist ihm auf den Fersen. Als sein "Chef" auf offener Straße erschossen wird, zerschlägt sich seine letzte Hoffnung auf einen anderen Job. Mit gefaßter Fassungslosigkeit schlittert der junge Türke langsam in den Abgrund.

Zu Gast an diesem Abend: Tuncay Kulaoglu

Donnerstag, 10.6. 20.00 Uhr

ODA von Sema Poyraz

D 1993, 12 Min.

Die alte Frau, die allein in einem Mietshaus lebt, freut sich, daß sie so nette Nachbarn hat. Es stört sie nicht, daß es keine Deutschen sind. Als ein türkischer Junge erstochen wird, versteht sie nicht, warum seine Mutter sich so merkwürdig verhält.

Ich Chef, Du Turnschuh von Hussi Kutlucan

D 1998, 93 Min.

Das Wort von der "ausweglosen Situation" ist Dudie völlig unbekannt. Gewitzt und respektlos laviert er sich durch ein ungastliches Deutschland, das er zu seiner Heimat gewählt hat. Unversehens kommt er zu einem Sohn, für den er nun auch noch sorgen muß. Dank seines Einfallsreichtums könnte alles gut enden. Doch da ist eine neidische Nachbarin.

Zu Gast an diesem Abend ist der Regisseur und Hauptdarsteller aus "Ich Chef,..." Hussi Kutlucan.

Montag, 14.6. 20.00 Uhr

Gräfin Sophia Hatun von Ayse Polat D 1997, 16 Min. 1860 in Norddeutschland. Wegen einer Liebesaffäre wird die Gräfin Sophia Dorothea von ihrem Gatten im Schloß eingesperrt, das sie nicht verlassen darf. Bei einem Ausritt trifft sie ihren Diener, dem es ebenfalls verboten ist, das Schloß zu verlassen. Aufgrund dieser Begebenheit entwickelt sich eine besondere Beziehung zwischen ihnen. Eines Tages will sie ihn in die Freiheit entlassen, doch er sträubt sich.

Lola und Bilidikid von Kutlug Ataman D 1998, 91Min. Murat, 17 Jahre alt und schwul begegnet Lola, dem Star eines türkischen Travestietrio. Zwischen ihnen entwickelt sich ein besonderes Verhältnis, aber Lola hat ein Geheimnis. Murat findet heraus, daß Lola sein Bruder ist, doch das ist erst der Anfang. Immer verwirrendere Geschichten kommen ans Licht, und immer größer werden die Erschütterungen, die Murat in seiner Familie auslöst.

Zu Gast an diesem Abend sind Ayse Polat und die drei Hauptdarsteller aus "Lola und Bilidikid", Baki Davrak, Gandi Mukli und Erdal Yildiz.

Mittwoch, 16.6 20.00 Uhr

Feridun Zaimoglu liest aus seinem neuen Buch Koppstoff, Kanaka Sprak vom Rande der Gesellschaft. Harte Repotagen voller Slang und Poesie -Kanakas berichten ungeschminkt vom Rande der deutschen Gesellschaft. Sie brechen auf aus dem Ghetto, lassen sich weder vereinnahmen noch zu Objekten der Migrantenforschung machen. Und - ganz nebenbei - rechnet diese unvergleichlich kraftvolle Literatur mit den gängigen Türken-Klischees ab.

Donnerstag, 17.6. 20.00 Uhr

Unberührt von Seyhan Derin D 1993, 15 Min. Eine junge Frau steht verzweifelt zwischen den Zwängen, die ihre Familie ihr auferlegt und ihren eigenen Wünschen. Sie entscheidet sich.

Ich bin Tochter meiner Mutter Dokumentarfilm von Seyhan Derin D 1996, 89 Min. Eine Reise der Tochter in das Leben der Mutter. Eine Reise in eine Welt zwischen Deutschland und der Türkei. Die Tochter ist in der Türkei geboren und in Deutschland aufgewachsen. Als der Vater die Familie in die Türkei zurückschicken will, um sein eigenes Heimweh zu stillen, weigert sich die Tochter,.und bleibt in Deutschland. Mit sehr viel Feingefühl und Verständnis zeichnet die Autorin die Positionen der Personen nach.

An diesem Abend wird Seyhan Derin zu Gast sein.

Ein Blick in unser Nachbarland Frankreich zeigt, daß für diese Nation Menschen mit zwei oder drei Pässen kein Problem darstellen, denn dies hat sich letztlich als ein Zwischenstadium erwiesen. Längst haben sich die "Binationalen" oder "Biethnischen" weiter vermischt. Diese Vermischung steht jeder westlichen Einwanderungsgesellschaft bevor, auch der deutschen. Die Menschen werden mobiler, die Migrationsströme wachsen, die Orte der Begegnung werden vielfältiger. Mit Debatten wie der über die doppelte Staatsbürgerschaft entscheidet sich lediglich, wie langwierig und konfliktreich dieser Prozeß gestaltet werden wird. Die Zahl der "Unsortierbaren" wird größer werden. Schließlich gab es die vermeintliche Homogenität nie und wird folglich in der Zukunft auch nicht "wiederherzustellen" sein. Die Einteilung der Menschen in verschiedene "Rassen" ist ja bekanntermaßen kein Ergebnis wissenschaftlicher Kriterien, sondern eine Frage der Definitionsmacht.

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