Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/99      Seite 3
 
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Leserbrief: Krieg in Jugoslawien

Über den Krieg in Jugoslawien erreichte uns der folgende Beitrag von U. Schachtschneider aus Oldenburg.

Krieg gegen Serbien: Die Wahrheit stirbt immer zuerst

Die Betreiber des NATO-Krieges und ihre durchgängigen Unterstützer in den Medien bauen ihre Rechtfertigung auf immer derselben Schiene auf: Nur mit militärischer Gewalt kann die serbische Mordbande gestoppt werden. Pazifismus in so einer Situation wäre verantwortungslos, so die zumeist implizite Botschaft bei den sich mit dem Kriegsverlauf ständig steigernden Schilderungen der jederzeit zu "Völkermord, Kzs, Folter" usw. bereiten grausamen Serben. Die Strategie ging auf. Die höchste Zustimmung zum NATO-Krieg läßt sich mit etwa 70 % bei den ehemals pazifistisch orientierten Grünen-Anhängern feststellen (bei SPD und Grünen etwa 50-60%). Wen wunderts, daß da mit jedem Kriegstag die Berichte über die Grausamkeit der Serben zunehmen müssen - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. Daß vor, während und nach Kriegen in den direkt beteiligten Ländern als allererstes die Wahrheit stirbt, gerät dabei leider zu oft in Vergessenheit. Die verbliebenen Kriegsgegner scheinen bei aller prinzipiellen Ablehnung des Krieges in der Regel wenig Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung zu haben. Auch ihr Gebrauch solcher Vokabeln wie Diktator, Völkermord usw. erscheint inflationär und undifferenziert. Jeder Mord und jede Menschenrechtsverletzung im Kosovo wird auch dort bedenkenlos zum Völkermord bzw. KZ "aufgewertet", jeder ausgewiesene Journalist in Serbien ist ein Beweis für die Gleichschaltung und Diktatur usw. Da jeder Zweifel bei so tiefer Verankerung in den Köpfen verdächtig macht, möchte ich an dieser Stelle gleich vorsorgen: Jede Menschenrechtsverletzung ist schlimm, jede Demokratieverletzung anzuprangern - wo auch immer. Der bedenkenlose und undifferenzierte Sprachgebrauch ist hingegen das Einfallstor für vereinfachende Darstellungen und Übertreibungen, die von interessierter Seite jederzeit als Basis einer überaus erfolgreichen Kriegsrechtfertigung genutzt werden können. Daß dies momentan so einfach ist, hat auch mit der jahrelangen Pflege plakativer und einfacher Feindbilder auf Seiten vieler Linken und Friedensbewegten zu tun, unter denen die Bereitschaft zum genauen Hingucken immer schon gelitten hat, das gute Gefühl, nicht zu den Bösen zu gehören, jedoch gewährleistet war. So wurde damals mit großer Sicherheit etwa jede Rechtfertigung eines Militärs bezüglich der Abschreckung als ein Merkmal kriegerischer Einstellung, jeder Fragebogen eines Amtes als direkter Schritt zur Orwellschen Horrorvision, jedes Kriegsspielzeug als Basis für den späteren Mordbereiten betrachtet. Oben war immer schlecht und unten immer gut usw. Auch damals schon hatten die einfachen Wahrheiten die Nase vorn. Für viele der jetzigen Konvertiten gerade aus der menschenrechts- und friedensbewegten Szene der 80er fiel der Wechsel daher in dieser Hinsicht nicht besonders schwer.

U. Schachtschneider

 

 
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