Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/99      Seite 9
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

all genders welcome...

...alle geschlechter willkommen

Eine Reihe zum Thema "Warum gibt es Männer und Frauen, muß das so sein und wird es sie immer geben?" vom 4.-22.5.99 in oldenburg

alle Geschlechter willkommen - klingt das nicht etwas verrückt und abgedreht? Es gibt doch nur Mäner und Frauen, und damit ist die Sache erledigt.

Doch ist die Sache wirklich so einfach? Was macht denn "Männer" und "Frauen" aus? Was ist überhaupt "Geschlecht"?

Mit der Veranstaltungsreihe "all genders welcome" wollen wir die aktuelle Sex/Gender-Debatte mit ihren praktischen Konsequenzen vorstellen und diskutieren. Zwei Ebenen sind uns dabei wichtig: die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Konstruktion und Dekonstruktion von Geschlecht, und die praktische Sensibilisierung und Erfahrung von Geschlecht als "Existenzweise". Wir gehen dabei von der Überzeugung aus, daß für eine wirkliche Gleichberechtgung die Kategorie "Geschlecht" in den Hintergrund treten muß. Dies geschieht jedoch nicht durch das Verleugnen des Geschlechterverhältnis als Machtverhältnis, sondern durch eine Infragestellung der herrschenden Norm. Geschlechterbilder mit ihren "typischen männlichen und weiblichen" Verhaltensweisen und Merkmalen inklusive der heterosexuellen Norm.

Was ist "Gender"?

"Gender", im deutschen "soziales Geschlecht" steht für all diejenigen Erwartungen, Verhaltensregeln und Ausdrucksformen, die entweder dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden, ohne daß es dafür irgendeinen biologischen Ursprung gäbe. Das bedeutet z.B. die Annahme, Jungen würden lieber mit Autos, Mädchen lieber mit Puppen spielen, gehört zum Aspekt "gender". Und während "Samen geben" und "Kinder gebären" deutlich dem biologischen Geschlecht zugeordnet sind, sind "Vater" und "Mutter" soziale Konstruktionen bzw. Rollenerwartungen - "gender". Gender drückt also aus, wie sich die patriarchalen Machtverhältnisse in unterschiedlichen Erwartungen an und Möglichkeiten von Männern und Frauen niederschlagen. Dem nachzugehen, und das in Frage zu stellen, ist Ziel unserer Veranstaltungsreihe. In diesem Sinne: alle Geschlechter willkommen!

Veranstaltungsübersicht

4. Mai, 19.30 im PFL: "gender trouble": Einführung in die Sex/Gender-Debatte Heike Rahlves, Erwachsenenbildungsreferentin, Tänzerin, Mutter Seitdem in den 70iger Jahren eine Auseinandersetzung um die Kategorie Geschlecht begann, hat es immer wieder neue Versuche gegeben, den Begriff Geschlecht zu bestimmen. Sind Frauen und Männer verschieden? FrauenMänner und MännerFrauen sind gleich, je nachdem aus welcher Perspektive wir sie betrachten.

Die Referentin lädt ein, ob Frau, ob Mann, ob..., ob...., auf eine Reise, die ihre eigene Ordnung setzt. Aufgebrochene Normen im Geschlechterverhältnis verändern und verunsichern das Selbst, die bisher gelebte Sicherheit. Neue Identitäten, neue Bilder und Modelle brauchen (Spiel-) Raum, das Angebot ist groß und alte Bilder sind längst noch nicht abgeschüttelt.

6. Mai, 20.00 im PFL: Geschlecht als Existenzweise

Dr. Andrea Maihofer, Lehrende an der Pädagogischen Fachhochschule Erfurt Andrea Maihofer wird in ihrem Vortrag eine Auffassung von Geschlecht darstellen, die die Aspekte Natur und Kultur, Körper und Geist, Materie und Bewußtsein, gesellschaftliche Hegemonie und konkrete Individualität einbezieht. Sie entwickelt einen Begriff von Geschlecht, der die komplexe Verbindung historisch entstandener Denk- und Gefühlsweisen und Körperpraxen und -formen berücksichtigt und deutlich macht, wie wir als Männer und Frauen in unserem Sein davon bestimmt und beeinflußt sind.

Daran schließt sich die Frage an, ob feministische Politik die 'Gleichheit' oder 'Differenz' der Geschlechter betonen soll, ob es einen Ausweg aus dem Dilemma von 'Gleichheit' und/oder 'Differenz' gibt?

7.-9. Mai: "Körperstrategien und Macht" Wochenendseminar mit den Methoden des Szenischen Spiels bei Oldenburg

Jana Kosmider und Imke Kreusel, Patchwork; Kosten: 100,-(80,- ermässigt), Anmeldung bei Patchwork

Wie wir uns als Männer und Frauen bewegen sollen, wird uns durch Gesellschaft und Medien vorgegeben. Als kleine Kinder lernen wir uns geschlechtsspezifisch zu bewegen und eine Körperhaltung anzunehmen, die dem Merkmal Mann oder Frau entspricht. In der darin zum Ausdruck kommenden Beschränkung unseres Ausdrucksrepertoires spiegeln sich die patriarchalen Machtverhältnisse unserer Gesellschaft wieder.

In dem Seminar soll am Beispiel der Körpersprache bewußt gemacht werden, wie subtil sich die patriarchalen Verhältnisse in unsere Körper und Köpfe einschleichen. Durch eine körperbezogene Methode (Szenisches Spiel) und praktische Übungen wollen wir Körperhaltungen ausprobieren und ihre Wirkungen testen.

11. Mai, 19.30 im PFL Hegemoniale Männlichkeit: Ansätze zur Überwindung

Robert Connell, Lehrender an der University of Sydney, Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum

Erst als Folge der feministischen Bewegung(en) kamen auch die Männer ins Blickfeld einer kritischen Forschung. Robert Connell, Erziehungswissenschaftler und Soziologe, wird über 'hegemoniale Männlichkeit' und den sich daraus ergebenden Blick auf Männlichkeiten berichten. "Hegemoniale Männlichkeit" meint nach Robert Connell eine durch gesellschaftliche Praktiken geschaffene, sich verändernde und dominante Form von Männlichkeit, die auf die Abwertung von Frauen und anderen, 'untergeordneten' Männlichkeiten angewiesen ist. 'Hegemonie' bedeutet dabei gesellschaftliche Überlegenheit; eine Überlegenheit, die in erster Linie auf Zustimmung von Männern - und Frauen - beruht.

Im zweiten Teil des Vortrags soll die Verbindung zur Praxis gesucht werden. Dabei geht es um Ansätze zur Veränderung und Überwindung von Männlichkeit(en).

21.-22. Mai: "Experimente zur Dekonstruktion"; Workshop mit Methoden des Unsichtbaren Theaters

Birgit Nee, Theater- und Zirkuspädagogin; Kosten: 50,- (40,- ermässigt), Anmeldung bei Patchwork

Bei diesem Workshop wird mit der Methode des Theaters der Unterdrückten nach Augusto Boal gearbeitet. Die Teilnehmenden werden das Konzept für dieses Theater selbst entwickeln.

Ziel ist es, über das Stiften von Verwirrung Auseinandersetzung anzustoßen: Mann oder Frau? Crossdressing! Homo-, Trans-, Heterosexualität ... dem Spiel mit 'gender' sind keine Grenzen gesetzt.

Doch werden diese Grenzen gleichzeitig erlebbar und erfahrbar, und damit ein Aspekt der Konstruktion von Geschlecht.

Die Reihe wird veranstaltet von Patchwork mit Unterstützung der Stiftung Leben und Umwelt, des Feministischen Referats für Lesben und andere Frauen der C.v.O. Uni und der Männerinitiative Oldenburg

Anmeldung und weitere Informationen: bei Patchwork, Kaiserstraße 24, 26122 Oldenburg, Tel.: 0441/17111, Fax: 0441/2489661, email: patchwork@oln.comlink.apc.org

Spenden werden dringend noch gebraucht: Verein zur Förderung demokratischer Selbstorganisation e.V., Konto-Nr.: 021-413893, Landessparkasse zu Oldenburg, BLZ 280 501 00

Andreas Speck

 

 
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