Ausgabe 2/99 | Seite 5 | |||||
Die CDU sucht ihre Rolle als OppositionsparteiBis auf die lokale Ebene hat es durchgeschlagen die Suche der CDU nach ihrer Identität in der Ära nach Kohl. Und momentan sieht es nicht so aus, daß die Konservativen ihren Vordenker mit dem eher als liberal geltenden Nachfolger Kohls im Parteivorsitz, Schäuble, gefunden haben. Vielmehr bestimmt augenblicklich der selbst in Bayern eher als rechts eingestufte Stoiber die Richtung "christlicher" Unionspolitik. Und der jüngste Wahlerfolg eines "jungen Wilden", Koch, in Hessen, der mit der stoiberschen Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft einen Überraschungscoup gegen die Rotgrüne Mehrheit landete und der CDU die Mehrheit im Bundesrat einbrachte, scheint den erzkonservativen Meinungsführern recht zu geben: Hatz auf AusländerInnen, auf SozialhilfeempfängerInnen, auf Arbeitslose, auf Minderheiten und andere kommt nicht nur am Stammtisch an, sondern auch bei Wahlen. Daß eher rechte Parolen immer latent eine Bedrohung für unsere Republik waren, ist nun so neu nicht. Daß der bayerische Ableger der Christdemokraten bisweilen die Meinungsführung in den Unionsparteien erringt, ist seit Franz Josef Strauß auch kein Geheimnis. Aufregender an diesem aktuellen Prozeß ist, daß die Unionsparteien sich verstärkt in die soziale Demagogie hineintrauen, daß sie nicht ohne taktisches Geschick neue WählerInnenschichten zu gewinnen versuchen und gewinnen: Erschreckend ist der hohe Anteil junger und ganz junger WählerInnen bei den Christdemokraten.
Bildungspolitik auf LandesebeneDie Sparmaßnahmen bei den Kindertagesstätten und die faktische Abschaffung des Kindertagesstättengesetzes, mit dem Rotgrün 1990 unverzichtbare Mindeststandards festgeschrieben hatte, und die Ersetzung der Vollen Halbtagsgrundschule durch die sogenannte "verlässliche Grundschule" bringen die sozialdemokratische Landesregierung unter erheblichen Druck auch aus den eigenen Reihen. In beiden Bereichen hat es schon "Nachbesserungen" gegeben, und dennoch gibt es eine aussichtsreiche Initiative für ein Volksbegehren für ein Kindertagesstättengesetz, gibt es Aktionen und Stellungnahmen von Eltern, LehrerInnen und KommunalpolitikerInnen gegen die Schließung der Vollen Halbtagsschulen. Daß die sozialdemokratische Parlamentsmehrheit sich scheut, einen eigenen Standpunkt in diesen Fragen zu beziehen und stattdessen die Verantwortung an die Kommunen abschiebt, dient auch nicht dazu, der SPD zuzutrauen, daß sie die Zukunft Niedersachsens ordentlich gestalten wird. Und eben in dieses ideologische Loch stößt die CDU mit dem "jungen Wilden" Christian Wulff, der seine Empfänglichkeit für rechte Parolen schon mit seiner Unterstützung der Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft unter Beweis gestellt hat. Sie versucht sich an die Spitze der Bewegung gegen die Sparmaßnahmen im Kindergartenbereich zu stellen und posaunt: "Keine Sparmaßnahmen in den Kindertagesstätten". Und hatte sie vor wenigen Jahren noch versucht, die Vollen Halbtagsschulen mit der "Ganztagsbetreuung" aus der Feder ihres Kultusministers Horrmann auszubremsen, so möchte sie sich jetzt als Hoffnungsrägerin für die Rettung dieses Schulform ins Licht setzen paradoxer Weise gegen die "verlässliche Grundschule", die weitgehend der christdemokratischen Ganztagsbetreuung entspricht. Dem neuentdeckten Herz für die öffentliche Kleinkinderziehung in Kindertagesstätten und für qualifizierte Pädagogen in den Grundschulen läßt die CDU auch Taten im Haushalt folgen. Tatsächlich werden ihre Versprechungen in diesen Bereichen durch Haushaltsanträge abgesichert. Wenn dem jemand ohne differenzierte Kenntnisse auf den Leim geht, ist das noch verzeihlich. Wer aber die von der CDU dafür vorgesehen Einsparungen z.B. bei den Ausgaben für Asylbewerbern mit tragen will, der macht sich der ideologischen Brandstiftung schuldig. "Wir können unser Geld besser für unsere Kinder als für die Asylanten ausgeben" einem solchen politischen Klima leistet die CDU bewußt oder unbewußt Vorschub.
Lokale Varianten: Landfahrer und PunkerDie ideologische Standortsuche der CDU nach der Kohl-Ära geht nicht ohne interne Auseinandersetzungen vonstatten. Oldenburg erringt da durchaus überregionale Berühmtheit. Der Entschluß des Kreisvorstandes, die stoibersche Unterschriftensammlung nicht zu unterstützen, verschaffte dem Kreisvorsitzenden Baumann man rechnet ihn auch den jungen Wilden zu einen Auftritt im überregionalen Fernsehen. Solcherart Courage gereicht den Christdemokraten durchaus zur Ehre, und sie disziplinierten Baumann nicht, nachdem der Kreisvorstand ausdrücklich grünes Licht dafür gegeben hatte, daß die Mitglieder in Oldenburg Unterschriften sammeln. Nur eben nicht ausdrücklich der Vorstand. Und wenn dessen Frau sich für einen Waldkindergarten engagiert, so ist sie persönlich sicher auch nicht verdächtig, das aus unlauteren Motiven zu tun. Daß aber die Oldenburger CDU die Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe eindämmen will und dazu Verdächtigungen nicht nur gegen die SozialhilfeempfängerInnen, sondern auch gegen die zuständige Dezernentin ins Feld führt, zeigt auf, wie weit diese Partei nach wie vor davon entfernt ist, eine soziale Richtung einzuschlagen. Daß auf lokaler Ebene die wahren ideologischen Positionen deutlicher zutage treten, ist wohl dem mangelnden taktischen Geschick geschuldet. Wird die nationale Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft noch mit "Integration" der AusländerInnen verbrähmt, so fällt dem Vorsitzenden der Osternburger CDU, Hochmann, in seiner Ablehnung der Landfahrer und Punker nur noch ein, daß Osternburg schon genug durch Müll belastet sei. Daß sich unter solch durchsichtigen minderheitenfeindlichen und latent rassistischen Parolen keine Massen versammeln mochten als Hochmann zur Demonstration aufrief, ist nicht verwunderlich und nichtsdestotrotz erfreulich: 20 Unverbesserlichen standen 60 Gegendemonstranten gegenüber. Wie gefährlich dennoch der Boden ist, auf den die CDU-Demagogie rieseln soll und rieselt, zeigt der Beschluß der stadtoldenburger Bürgervereine. Sie haben nichts gegen einen Platz für Punker, aber einen Platz für Sinti und Roma wollen sie nicht. Nicht nur nicht in Osternburg, sondern nicht im ganzen Stadtgebiet. Man wird verstehen, was ich dabei denke und nicht auszusprechen wage. Ich gebe was drum, wenn's ein Mißverständnis von mir wäre, daß ich den Beschluß der Bürgervereine für viel schlimmer halte als den von der Osternburger CDU. Auf jeden Fall sollte man der Standortsuche der CDU nicht sorglos gegenüberstehen, denn sie sucht auch hart auf der rechten Seite und findet dabei nicht wenig Beifall. Gernot Koch
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