Ausgabe 1/99 | Seite 7 | |||||
Ökotraffic 2006
Ein Bericht über den Verkehr des 21. JahrhundertsEin Mitglied des Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat eine Zeitreise in die nahe Zukunft unternommen und sich dabei den Verkehr im Jahre 2006 angesehen. Wir bringen an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung seiner Beobachtungen. Oldenburg, 16. August 2006: Auf den Straßen in Oldenburg sah ich Kinder Fußball spielen - ein ungewohnter Anblick. Tempo 30 in gewschlossenen Ortschaften und der konsequente Ausbau von verkehrsberuhigten Zonen haben dies wieder möglich gemacht. Die Autofahrer verhalten sich übrigens sehr diszipliniert, denn die Stadt hat überall große Leuchtanzeigetafeln aufgestellt, auf dnen die gerade gefahrene Geschwindigkeit angezeigt wird. Bei der Polizeidienststelle erfuhr ich, daß auch die Zahl der Verkehrsunfälle seit einigen Jahren deutlich zurückgeht. Durch den Rückbau der Autospuren haben Fußgänger und Radfahrer jetzt genügend Platz, um sich frei und sicher zu bewegen. Jetzt im Sommer fährt ohnehin nur der mit dem Auto, der es unbedingt muß. Viele Leute sind auf das Fahrrad umgestiegen und in vielen Wohn- und Einkaufsstraßen haben sich lebendige Promenaden entwickelt, die zum flanieren und Verweilen einladen, und bei den gegenwärtig warmen Temperaturen ein fast südländisches Flair vermitteln.
Autofrei wohnen - die Utopie wurde zur Wirklichkeit.In vielen Orten in Deutschland können Menschen bereits ohne eigenes Auto leben, ohne auf Mobilität zu verzichten. Nachdem die ersten positiven Erfahrungen mit Siedlungen vorlagen, die bewußt "autofrei" bzw. "autoarm" angelegt wurden, hat ein allgemeiner Bewußtseinswandel in der Bevölkerung eingesetzt. Der öffentliche Verkehr hat Vorrang bei allen Verkehrsplanung en und ist für viele so attraktiv geworden, wie es noch vor zehn Jahren kaum vorstellbar war. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen alle Menschen bequem und sicher an jedes gewünschte Ziel. Lange Warte- und Umsteigezeiten gehören der Vergangenheit an.In den Städten genießen Busse und Bahnen stets Vorfahrt und verkehren in Minutenabständen in eigenen Fahrspuren.Auf dem Land sorgen Sammeltaxen und Rufbusse für gute Verbindungen und Anschlüsse an Bahnhöfe. In Oldenburg wurde im Frühjahr 2006 ein neuer Haltepunkt am Bahnhof Ofenerdiek eröffnet. Züge in Richtung Wilhelmshaven halten dort stündlich, und ab Sande gibt es im Sommer mit dem "Küstenexpreß" Anschluß über Wittmund nach Harlesiel und zu den Ostfriesischen Inseln. In der Gegenrichtung kann man von Ofenerdiek aus stündlich den Oldenburger Hauptbahnhof erreichen - in nur vier Minuten. Bis 2007 sollen auch die Arbeiten an der Strecke Oldenburg - Osnabrück abgeschlossen sein, so daß im Frühjahr dann ein weiterer Haltepunkt in Krusenbusch aufgemacht werden kann.
Autofahren ohne Streß und StauDer Pkw-Bestand in Deutschland ist von 40 Millionen im Jahr 1995 auf 28 Millionen zurückgegangen. Neu zugelassene Autos verbrauchen im Durchschnitt nur noch 3 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Als Folge ist auch die Luftbelastung durch Verkehrsabgase deutlich weniger geworden und damit auch die Zahl chronischer Erkrankungen der Atemwege und der Allergien. Auch die langen Staus auf den Autobahnen gehören wohl endgültig der Vergangenheit an. Der ADAC hat dieses Jahr erstmalig keine Stauvoraussage zum Ferienbeginn mehr herausgegeben. Mit ein Grund für den raschen Rückgang des Autobestandes ist, daß schon fast die Hälfte aller Pkw-Neuzulassungen auf das Konto von Mehrfachnutzern, also von Car- Sharing-Unternehmen, Autoverleihern und Taxibetrieben gehen. Die Automobilhersteller haben sich in Mobilitätsunternehmen umgewandelt. Sie verkaufen heute neben Autos vor allem Mobilitätskonzepte an Städte und Regionen. Und sie bauen zunehmend Busse und Bahnen.
Unbeschwerter GüterverkehrDie Lasterlawine auf den Straßen hat sich nach Einführung einer europaweiten Schwerverkehrsabgabe spürbar verringert. Unsinnige Gütertransporte über weite Strecken lohnen sich nicht mehr. In den Geschäften bestimmen jetzt Lebensmittel aus der Region den Großteil des Angebotes. Oldenburg profitiert nun davon, daß der Zusammenbruch der bäuerlichen Landwirtschaft im Umland in letzter Minute abgewendet werden konnte. Dadurch gibt es nun ein vielfältigeres Angebot von landwirtschaftlichen Produkten, die in Bioland-Qualität nicht nur auf den Wochenmärkten, sondern auch im Supermarkt angeboten werden. Außerdem bieten viele neue Kurierdienste preiswerte Lieferung per Lastenfahrrad oder solargespeistem Elektro-Kleinlaster direkt ins Haus an. Soweit diese kurze Zusammenfassung vom Bericht unseres VCD-Zeitreisenden aus dem Jahr 2006, der sich mittlerweile wieder wohlbehalten in der Jetztzeit befindet, und sich mit etwas Wehmut an die glücklichen Stunden erinnert, die er im Zeitalter des Ökotraffic verbringen durfte. Doch diese Erlebnisse haben ihn auch wieder hoffnungsvoll gestimmt, was die Zukunft angeht, denn sie hätten sicherlich ganz anders ausgesehen, wenn es nicht in einer beispielhaften Gemeinschaftsaktion der Bürger und der Regierung gelungen wäre, beginnend mit dem Jahr 2000 die Verkehrswende einzuleiten. tog
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