Ausgabe 1/99 | Seite 1 | |||||
Neues in der Burgstraße:
"Tiefgarage kein Tabuthema"... posaunte die NWZ am 15. Januar in einem "Echo" auf ihre bisherigen Artikel zur "Neuordnung der Burgstraße". Und sie zitierte gleich Dietmar Schütz dazu, den einflußreichen SPD-Politiker: "Hoffentlich gelingt es diesmal, nicht nur eine Planung vorzulegen, sondern auch deren Realisierung zu schaffen." Ja, das hoffen offensichtlich auch die Journalisten der NWZ und unterstützen nach Kräften den "Kaufmann Carl Wilhelm Wilke", indem sie seinen Aktionen wohlwollende Publicitiy verleihen. Dieser möchte schon seit ewig und drei Tagen erreichen, daß die Kunden von CW-Meyer die Möglichkeit erhalten, bequem im Auto bis zum Eingang des Hauses zu rollen. Soll doch anderswo die Umwelt geschont und die Fußgängerzone fußgängerfreundlich gemacht werden - er propagiert unermüdlich den Bau einer Tiefgarage in der Innenstadt. Ganz Kaufmann, verkauft er dieses ganz eigene Interesse als einen Vorteil für die ganze Stadt, und nicht nur Politiker der CDU helfen ihm dabei.
HindernisseTrotzdem konnte dieses Vorhaben bisher nicht verwirklicht werden. Einerseits fand sich bisher kein Investor, der in der Burgstraße unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes ein Bauprojekt zu Ende geführt hätte, das bei den bisherigen Nutzern dieses Viertels auf Zustimmung gestoßen wäre. (Vielleicht war genau das mit dem Satz des SPD-Politikers Schütz gemeint.) Denn ein profitabler großklotziger Neubau würde den Charakter dieser Straße zu sehr verändern. Andererseits verhinderten die Grünen bis heute, daß solch ein Plan im Rat eine Mehrheit fand. In der SPD konnten sich die sozialdemokratischen Parkhausbefürworter bisher nicht durchsetzen.
Der VogelmannEin Mann wie Carl Wilhelm Wilke wartet jedoch nicht einfach ab, bis seine Pläne eine Mehrheit finden. Auch jetzt schon sorgt er dafür, daß Autofahrer in der Nähe einen Parkplatz erhalten. Den Parkplatz, der von Theaterwall und Gaststraße zu erreichen ist, betreibt er nun in eigener Regie. So gurken nun weiterhin an manchen Tagen bis zu 800 parkplatzsuchende PKW durch Gast- und Burgstraße, obwohl alle Parkplätze längst belegt sind. Rein theoretisch könnte Wilke auf dem Raum weiterer abgerissener Häuser zusätzlichen Stellplatz schaffen, da es neuerdings in Niedersachsen erlaubt ist, nicht denkmalgeschützte Häuser ohne Erlaubnis der Kommune abzureißen, wenn die Stadt für dieses Gebiet keine Erhaltungssatzung beschlossen hat. Doch damit nicht genug. Wie gesagt, Carl- Wilhelm Wilke kann gut verkaufen, und auch von Werbung versteht er einiges. Einzelne denkmalgeschützte Häuser in der Burgstraße stören ihn in seinen Plänen für etwas Großes, Neues. Geld spielt keine Rolle - warum nicht ein großes Happening veranstalten? Und so gab es eine PR-Aktion für den Abriß eines denkmalgeschützten Hauses in der Burgstraße: "Er beauftragte 13 Sprayer, die sein völlig desolates Haus mit Hilfe von 500 Spraydosen in ein Vogelhaus verwandelten. Er selbst stand am Ende der Aktion im Vogelkostüm als Happening-Sponsor auf dem Gerüst und ließ 18 Tauben fliegen, die in alle Himmelsrichtungen ausschwärmten." (Kreiszeitung Wesermarsch 22.12.98) Respekt, Respekt! Die Presse war begeistert, das Echo riesengroß. Politiker klatschten Beifall. Und der Erfolg blieb nicht aus: "Mit dem Vogelhaus will der Geschäftsmann gegen die Stadtverwaltung protestieren, die den Abriß seines Hauses verhindert hat. Auch wenn sich an dem Zustand des Innenstadtquartiers vorläufig nichts ändert, so hat Carl-Wilhelm Wilke wenigstens die Diskussion darum neu entfacht. Immerhin befaßte sich der Bauausschuß wenige Tage nach der Aktion mit dem Zustand an der Burgstraße... (...) Der Kaufmann legte gegen den auferlegten Baustopp keinen Widerspruch ein. Statt dessen stellte er einen Antrag auf Genehmigung der Zweckentfremdung. Ginge es nach dem Geschäftsmann, würden gleich fünf Häuser abgerissen und durch ein Neubauvorhaben ersetzt, das ein Oldenburger Architekt für Carl-Wilhelm Wilke entworfen hat. Die Pläne sind aber gegenwärtig nicht zu verwirklichen, weil es sich um Baudenkmale handelt..."
Vogelfreunde?Die Öffentlichkeitsarbeit des Kaufmanns zeigte Wirkung. Falls die NWZ zutreffend berichtet hat, auch bei der SPD: "Die Sozialdemokraten, die das Engagement Wilkes "ausdrücklich" begrüßen, möchten allerdings in Teilen andere Grundsätze berücksichtigt wissen als zum Beispiel die Grünen. Dies gilt insbesondere für das Thema Tiefgarage unter der Bebauung. Ein öffentliches Parkhaus wird zwar abgelehnt, dennoch soll die Anlage nicht nur "notwendige Parkflächen in ausreichender Zahl" für Beschäftigte und Benutzer sowie für den Lieferverkehr vorweisen, sondern auch für Bewohner und Besucher." (NWZ 15.1.99)
AlternativvorschlagEin Grund für die große Wirkung der Vogelhaus-Aktion und für das z.T. positive Echo auf die großflächigen Baupläne ist die desolate Situation im Burgstraßenviertel. Halb Autostraße, halb Fußgängerzone, z.T. liebevoll renoviert, z.T. übel verfallen, schreit es nach Veränderung. Die Zeit arbeitet für Leute, die einen Wandel versprechen. Dagegen hilft nicht reine Verweigerung, positive Gegenvorschläge sind gefragt, die die verschiedenen Interessen berücksichtigen und trotzdem das Viertel autofrei halten sowie die Zufahrt vom Theaterwall begrenzen. In dieser Situation haben die Grünen im Bau- und Planungsausschuß einen eigenen Kompromißvorschlag vorgelegt, der folgende Essentials beinhaltet: "- Schließung der Baulücken im Bereich Burgstraße 5-8 und 9-12, unter Beibehaltung der bereits bestehenden Bausubstanz. Damit wird ein geschlossenes Straßenbild unter Erhalt der teilweise denkmalsgeschützten, attraktiven Altbausubstanz erzielt. Die Anbauten der nicht denkmalgeschützten Häuser acht und neun und das denkmalgeschützte Haus Theaterwall 24 a werden abgebrochen, um eine Tiefgarage mit entsprechender Zufahrt vom Theaterwall zu realisieren. - Entweder wird die Tiefgarage statt bis zur Burgstraße zum jetzigen städtischen Parkplatz hin verschwenkt oder sie wird auf die Hälfte der Planungsgröße des Entwurfes der Architekten Simon und Exner reduziert. (Auf diesen Entwurf bezog sich C-W. Wilke in seinen Anträgen.) - Die Tiefgarage wird ausschließlich zur Anlieferung von Waren, von MitarbeiterInnen der anliegenden Geschäfte und AnwohnerInnen genutzt. - Im hinterwärtigen Bereich ... wird eine Neubebauung in verdichteter, kleinteiliger Bauweise angestrebt. - Die alte Kopfsteinpflasterung der Burgstraße wird erhalten." (Aus dem Antrag) Fände dieser Antrag eine Mehrheit im Rat, bliebe die Altbausubstanz komplett erhalten und würde eine Kahlschlagsanierung verhindert. Die Baulücken würden durch passende Neubebauung geschlossen, der Charakter des Viertels würde kaum verändert werden. Ein Investor hätte jedoch die Möglichkeit, ausreichend Neubaufläche zu schaffen, das Projekt würde sich trotz der Beschränkungen lohnen. Es würde kein neues Angebot von über hundert Parkplätzen entstehen, möglicherweise in einer doppelstöckigen Tiefgarage, sondern lediglich der bisherige Stellplatzraum würde an anderer Stelle neu errichtet. Bleibt noch die Frage zu klären, ob sich solch eine Kompromißlösung, die die Interessen einer Mehrheit von Nutzern berücksichtigt, gegen den öffentlichkeitswirk samen Egoismus eines Kaufmanns durchsetzen kann. achim
|
||||||
Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum |