Ausgabe 7/98 | Seite 12 | |||||
Machogehabe und Aggression
Männer in der LehreUniversitäten sind seit der 68er-Revolte als Orte bekannt, an denen sich gesellschaftliche-emanzipatorische Tendenzen zuerst auffinden lassen bzw. von denen solche Entwicklungen übergreifen auf die außeruniversitäre Gesellschaft. Hier werden Formen fortschrittlichen, gleichberechtigten und demokratischen Zusammenlebens entwickelt und vorgelebt, Universitäten sind Oasen der Rationalität und der Vorurteilslosigkeit. AusländerInnen, Frauen, behinderte Menschen haben hier Chancen, die ihnen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen verwehrt bleiben. So könnte man glauben.
Ideal und WirklichkeitDie Wirklichkeit hinkt dem Ideal allerdings erheblich hinterher, wie Ergebnisse des Studienprojektes "Haltung von Männern in der Lehre" unterstreichen, das am 2. Juli im Vortragssaal der Universitätsbibliothek vorgestellt wurde. Das Projekt untersuchte acht Lehrveranstaltungen und erstellte Porträts der männlichen Lehrenden. Dabei kooperierten alle Lehrenden und stimmten der Veröffentlichung zu. Einigen Dozenten wurde im abschließenden Gespräch mit den beobachtenden ProjektteilnehmerInnen erst deutlich, daß sie unbewußt männliche Studierende bevorzugten. Wie Wolfgang Nitsch als einer der Leiter des Projektes berichtet, sind Frauen in Forschung und Lehre an der Uni Oldenburg deutlich unterrepräsentiert, ebenso in den Leitungsgremien. Diese offensichtliche Benachteiligung korrespondiert mit einer latenten Einschränkung von Frauen in den alltäglichen Interaktionen mit Männern an der Universität. Männliches Dominanzverhalten bestimmt die Kommunikationsmuster und wird durch Lehrformen wie Vorlesung und Seminar gestützt, die meist um die Person des Dozenten zentriert sind. Männer sind eher auf diese Möglichkeit öffentlicher, individueller Profilierung vorbereitet als Frauen. Frauen werde bereits im Elternhaus dagegen eher eine Bewährung in "kleinräumigen" Kommunikationssituationen angetragen, so Nitsch, woraus sich verschiedene Sprechstile entwickelten, wovon die Männer an der Universität profitierten.
Machtblock der ProfessorenDie Frauenbeauftragte des Fachbereiches 11 "Literatur- und Sprachwissenschaften", Deidre Graydon, wies auf die männlich-autoritären Strukturen hin, die sich als "Machtblock der Professoren" in den Entscheidungsgremien äußerten. Frauen würden hier konsequent ausgeschlossen, eine Bereitschaft zu Reflexion über die Stellung der Frau in der Universität gebe es kaum, wie die Schwierigkeiten bei der Erarbeitung des Frauenförderplans zeigten. Auch beschwerten sich Studentinnen häufig bei ihr über das "Machogehabe" einiger Professoren. Dies reiche von verbalen Fehlleistungen bis zu körperlichen Annäherungsversuchen, wobei das Abhängigkeitsverhältnis der Studentinnen ausgenutzt würde. Ähnlich äußerte sich eine Studentin vom "Autonomen Referat für Lesben und andere Frauen", die auf die fehlende gesetzliche Regelung des Verhältnisses Studentin/Professor aufmerksam machte. Die Situation an der Universität spiegele dabei nur die allgemeine gesellschaftliche Lage wieder, die von der Dominanz der Männer geprägt werde. Ein gesellschaftliches Umdenken sei nötig, damit Belästigungen von Frauen nicht mehr als "Kavaliersdelikte" abgetan würden.
Sofort thematisieren!Deidre Graydon und Ingo Scheller forderten die StudentInnen auf, sich im Falle sexistischer Äußerungen sofort zu wehren und dies im Seminar zu thematisieren, dabei sollten sich alle Seminarteilnehmer solidarisch zeigen. So könne bei den Lehrenden ein verstärktes Nachdenken über das eigene Verhalten ausgelöst werden. Deidre Graydon ermutigte alle Studierenden, die Frauenbeauftragten der Fachbereiche auf sexuelle Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Dabei wird selbstverständlich die Anonymität gewahrt. Eine "Arbeitsstelle gegen sexuelle Gewalt", wie sie vom Senat der Universität bereits beschlossen, aber noch nicht eingerichtet wurde, soll von dem Arbeitsvorhaben vorangetrieben werden, das sich bei der Folgeveranstaltung am Mittwoch, den 8. Juli um 20h im A1 0-004 gründen soll. Mit einer solchen Arbeitsstelle könne auch für größere Klarheit des Verfahrensweges bei Beschwerden über sexuelle Diskriminierungen gesorgt werden. Es ist erforderlich, an der Universität ein Klima des öffentlichen Gesprächs und Nachdenkens über sexuelle Diskriminierung zu schaffen. Für den guten Besuch der gelungenen Veranstaltung sorgte wohl auch ein Oldenburger Germanistikprofessor, der eine von Unbekannten mit pornographischen Zeichnungen versehene Visitenkarte einer Studentin fand und ohne ihr Wissen in einer Veranstaltung als "Anschauungsmaterial" für die Wandlung der Sexualmoral herumreichte. Von einer "Hetzkampagne" gegen ihn, wie es der Professor befürchtete, war die Veranstaltung weit entfernt, zeichneten sich Beiträge und Diskussion doch durch Sachlichkeit und Fairneß aus. Sachlichkeit und Feingefühl ließ allerdings das Plakat vermissen, mit dem für die Veranstaltung geworben wurde: Der Betrachter desselben sieht sich nämlich den Läufen zweier Pistolen gegenüber, die zwei Personen auf ihn richten. Durch die daneben stehende Frage "Müssen Studentinnen sich alles gefallen lassen?" hielt ich die Personen zunächst für Frauen, die sich gegen Sexismus wehren und auf den männlichen Betrachter - mich - zielen. Später konnte mir mühsam erklärt werden, daß die Personen Männer seien und deren Agressivität zum Ausdruck gebracht würde. Ich hoffe, daß diese Erklärung stimmt, doch ungeschickt ist das Plakat nach meiner Auffassung in beiden Fällen, denn wer besucht schon gerne eine Diskussion, die ja Forum freier Meinungsäußerung sein soll, wenn ihm vorher "die Pistole auf die Brust gesetzt" wurde? Simone und Christian (Fachschaft Germanistik)
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