Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/98      Seite 16
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

"Dem Umweltschutz geweiht" oder "Umweltschutz zum Anfassen"

Betrachtungen zum internationalen Tag der Umwelt 1998

"Euch Weißen fehlt ein Verhältnis zur natürlichen Welt, die ihr "Umwelt" nennt. Bei Euch signalisiert der Begriff "Natur" eine Ideologie. Kaum fällt unter Weißen das Wort "Natur", schon kommt der Vorwurf des Idealismus, der Romantik. Natur wird nicht als Bestandteil der realen Welt gesehen. Als Realität versteht man im Westen die Geschäftswelt, in der man sich behaupten muß.

Natur gehört nicht zur Realität des modernen Menschen...."

John Mohawk Sotsisowah

Eigentlich sollte am Anfang eines Artikels über den Tag der Umwelt 1998 ein Ausspruch unseres Ex-Umweltministers Klaus Töpfer stehen, der in seiner neuen Funktion als Direktor der UN-Umweltorganisation Unep den internationalen Umweltschutztag eröffnete und dabei gesagt haben soll, der Schutz der Umwelt werde für die Erhaltung des Weltfriedens zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Diese Sicht der Dinge hat sicher etwas für sich, doch das Eingangszitat von John Mohawk Sotsisowah, einem Irokesen vom Volk der Seneca, gibt mir Gelegenheit, die Frage zu stellen, die für mich an allererster Stelle kommt: Macht es überhaupt einen Sinn, in einer Gesellschaft, die nach Meinung ihrer Kritiker die Beziehung zur natürlichen Welt, zur "Umwelt" längst verloren hat, die anstatt den Büffeln nun "kleinen bunten Papierfellen" (Geldscheinen) nachjagt, einen Tag der Umwelt zu veranstalten?

Oldenburgs Leistungsbilanz vorzeigbar

Die Stadt Oldenburg macht es - und dies in diesem Jahr zum 11. Mal. Mittlerweile ist schon eine Traditionsveranstaltung daraus geworden: die jährlich wiederkehrende Leistungsschau der Stadtverwaltung und der Umweltverbände anläßlich des internationalen Tages der Umwelt auf dem Oldenburger Rathausmarkt.

Bürgermeister Alfred Nehring benannte es in seiner Eröffnungsansprache: Es ging um die Präsentation des "Arbeitsspektrums des Umweltdienstleistungsunternehmens Stadt Oldenburg".

Auch die "manchmal unbequemen ...Anwälte für den Natur- und Umweltschutz", die Umweltverbände nämlich, entrollten die ganze breite Palette ihrer ehrenamtlichen Umweltdienstleistungen. Sie boten in erster Linie papierene Information, aber auch - durchaus publikumswirksam - Spiel, Spaß und sinnliches Erleben.

Und die Bilanz der Stadt und der Umweltverbände in Oldenburg kann sich bundesweit sehen lassen. Oldenburg befindet sich auf dem besten Wege, das Freiburg des Nordens zu werden.

Bürgerinitiativen als Schutzschild für die Natur

Da ist zunächst die rein flächenmäßige Bilanz des Naturschutzes, die sich als dickes Plus in der Umweltbilanz bemerkbar macht: Mit dem kürzlich erst ausgewiesenen Naturschutzgebiet "Bahndammgelände Krusenbusch" verfügt Oldenburg innerhalb seiner Stadtgrenzen nunmehr über drei, teils großflächige Gebiete, in denen der Natur ein Vorrang vor Nutzungsinteressen eingeräumt wird. Zusammen umfassen die Bornhorster Wiesen, das Eversten Moor und das Bahndammgelände Krusenbusch mehr als 500 Hektar des Stadtgebietes. Dazu kommen noch einmal rund 2600 Hektar, die als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen sind sowie rund 300 Hektar kleinere Naturgebiete. Insgesamt besitzt ein Drittel (3450 ha) der Stadtfläche Oldenburgs einen Schutzstatus.

Daß dies heute so ist, ist allerdings nicht selbstverständlich. Nur dem engagierten Eintreten der Oldenburgerinnen und Oldenburger und dem über 20 Jahre durchgehaltenen Engagement der Umwelt- und Naturschutzverbände, die immer wieder Druck auf die Stadtpolitik und -verwaltung ausgeübt haben, ist es zu verdanken, daß die Bilanz am Tag der Umwelt 1998 so positiv ausfallen konnte. Viele Gebiete konnten nur durch äußersten Kraftaufwand der Umweltbewegung in einem zähen Ringen vor dem hemmungslosen Strassenausbau und Flächenhunger der 70er und 80er Jahre gerettet werden.

1981 begann der Kampf um die Bornhorster Hunteniederung, der - getragen von 23000 Protestunterschriften gegen den Straßenbau und letzendlich auch von Rat und Verwaltung der Stadt Oldenburg durch eine Klage gegen das Land gestützt - 1988 erfolgreich beendet werden konnte. Seit 1991 sind die Bornhorster Wiesen ein Naturschutzgebiet.

Weitere Erfolge waren (nur beispielhaft) die Rettung der Gehölzbestände am Gleisweg in Osternburg (1992 - 1995), der Kampf um die Hausbäkeniederung (1996) und die Erhaltung der "Grünen Lunge" im Weißen Moor in Ofenerdiek, die durch Wohnbauflächen des neuen Flächennutzungsplanes stark verkleinert werden sollte (1996). Überall dort engagierten sich BürgerInnen dieser Stadt für den Erhalt dieser Flächen.

Agenda 21 stand auf dem Programm

Informationen gab es am Tag der Umwelt auch über die Agenda 21. Dabei handelt es sich nach Aussage des neuen Agenda-Beauftragten der Stadt Oldenburg, Niko Paech, nicht um eine genmanipulierte Käsesorte oder ein radioaktives Zerfallsprodukt, sondern um ein Zukunftsprogramm für das 21. Jahrhundert, das aber keinesfalls bloß ein "verkapptes Umweltschutzprogramm" ist, wie Paech dem Interviewer des Umweltradios ins Mikrofon versicherte.

Niko Paech weiter: "Die Agenda 21 ist entstanden aus dem Bewußtsein heraus, daß die Menschheit gegen Ende des 20. Jahrhunderts mit Problemen konfrontiert ist, welche aufgrund ihrer globalen Natur nicht mehr mit Hilfe alter politischer Rezepte behandelt werden können, sondern ganz neue, kreative Ansätze benötigen.

Diese globalen Probleme erstrecken sich eben nicht nur auf die Ökologie, sondern sie erstrecken sich auch auf die Lebensbedingungen der Menschen in der sogenannten dritten Welt. Sie erstrecken sich aber selbstverständlich auch auf ökonomische Probleme. Gerade die oft zitierte Globalisierung der ehemals unabhängigeren nationalen Volkswirtschaften hat dafür gesorgt, daß mittlerweile ökonomische Impulse in bestimmten Ländern sich sofort fortpflanzen und damit andere Volkswirtschaften mitreißen."

Diese Ausführungen machen uns mit der Tatsache vertraut, daß Oldenburg in einer immer kleiner werdenden Welt keine Insel (des Wohlstands? - ) ist.

Ausblick ins 21. Jahrhundert

Wenn auf Borneo und in Brasilien die jahrtausendealten Regenwälder verbrennen, wenn die letzten kanadischen und nordeuropäischen Urwald-Wildnisse der Abholzung zum Opfer fallen, um unseren immensen Papierbedarf zu befriedigen, wenn in Australien, den USA, Kanada, Südamerika und anderswo ganze Landstriche verwüstet, verseucht und in den Augen ihrer eingeborenen Bewohner auch entweiht werden, um Uran für unsere Atomkraftwerke oder Gold, Kupfer und andere Rohstoffe für unsere ausufenden Bedürfnisse bereitzustellen, betrifft das auch unsere Lebensweise - auch wenn wir es bislang geschafft haben, die Natur vor unserer Haustür einigermaßen zu schonen - und auch das nur gegen vielerlei Widerstände.

Das wieder ins Bewußtsein zu rufen, ist eine gesellschaftliche Aufgabe gewaltigen Ausmaßes - und um das zu tun reicht ein Tag der Umwelt im Jahr sicherlich nicht aus.

tog


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