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Prozeß gegen Oldenburger CASTOR-Gegner
Nach Drohung mit mehreren Hausdurchsuchungen kam Einstellung des VerfahrensAm sechsten Mai fand vor dem Amtsgericht Oldenburg ein Prozeß gegen den Physikstudenten und Atomkraftgegner Michael Friedrich statt. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB, vorgeworfen. Seine Kontonummer war in einem Flugblatt für Spenden angegeben worden, in dem eine gewaltfreie öffentliche Demontage des CASTOR-Gleises des AKW-Krümmel, die Aktion "Ausrangiert", angekündigt und dazu eingeladen wurde. "Ausrangiert" fand im September letzten Jahres statt, und war Teil der von Gewaltfreien Aktionsgruppen und Graswurzelgruppen getragenen Kampagne "Mal richtig abschalten", gegen CASTOR-Transporte aus dem Atomkraftwerk Krümmel in die Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield. Ziel von "Mal richtig abschalten" ist es, neben dem Widerstand gegen die CASTOR-Transporte in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus auch den gegen die Transporte in die ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield öffentlich sichtbar zu machen. Denn Widerstand gegen die Wiederaufarbeitungs-CASTOREN gibt es schon lange. Aber die meisten Gruppen arbeiten nur zu dem AKW in ihrer Nähe, "ihrem" AKW, so daß die Aktionen in der überregionalen Presse kaum wahrgenommen werden, weil jeweils nur ein paar Dutzend Menschen an ihnen teilnehmen. "Mal richtig abschalten" will das AKW-Krümmel zu einem gemeinsamen Schwerpunkt der norddeutschen Anti-Atom-Bewegung machen. An dem Aktionswochenende in dessen Rahmen "Ausrangiert" stattfand beteiligten sich 2.000 Menschen aus allen Spektren der Anti-AKW-Bewegung. Die Schienendemontage "Ausrangiert" selbst wurde von über 400 Menschen gemeinsam geplant und durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Aktion ermittelte die Staatsanwaltschaft Oldenburg auf drängen der Bundesstaatsanwaltschaft bereits wegen Aufforderung zu Straftaten gegen die VerfasserInnen des Aktionsaufrufs. Dabei fand sie lediglich heraus, daß das unter dem Flugblatt stehende Konto einem Michael Friedrich gehört, und daß von diesem Konto eine Überweisung von 102 DM für 300 Plakate getätigt wurde. Um was für Plakate es sich dabei handelte, wurde nicht ermittelt. Eine simple Nachfrage bei der auf dem Flugblatt angegebenen Kontaktadresse hätte ergeben, daß es sich lediglich um die Ankündigung einer genehmigten Kundgebung in Krümmel handelte. Auf der Basis dieser sogenannten Ermittlungen eröffnete das Gericht die Hauptverhandlung. Der einzige Zeuge der Anklage, der Leiter des politischen Kommissariats der Oldenburger Polizei, KHM Dzemski, der in diesem Fall die polizeilichen Ermittlungen leitete, mußte auf Nachfrage des Verteidigers, Rechtsanwalt Köhler, einräumen, daß keine weiteren Ermittlungen angestellt worden waren um herauszufinden, ob der Angeklagte wirklich aktiv an der öffentlichen Verbreitung des Aufrufs beteiligt war. Die bloße Inhaberschaft eines in einem Flugblatt angegeben Kontos reicht nämlich nicht aus, um für den Inhalt des Flugblattes verantwortlich zu sein. Auf dieser Grundlage hätte das Verfahren nur mit Freispruch enden können. Und der Angeklagte hätte sich auch auf nichts anderes eingelassen. In dieser Situation wollte der Richter die Verhandlung vertagen, um mehrere Hausdurchsuchungen durchführen und Kontounterlagen beschlagnahmen zu lassen. Unter anderem bei dem Angeklagten, Michael Friedrich, selbst, bei der Kontaktadresse von "Mal richtig abschalten" und bei der Person, an die das Geld für die Plakate überwiesen worden war. Davon versprach sich das Gericht angeblich weitere Erkenntnisse. Was allerdings nicht stimmen kann, weil bei angekündigten Hausdurchsuchungen prinzipiell keine Erkenntnisse erlangt werden. Was das Gericht auch weiß. Denn selbst wenn es in den betreffenden Wohnungen und Häusern etwas zu finden gäbe, würden die betreffenden Personen es bis zur Durchsuchung garantiert beiseite schaffen. Die Ankündigung der Hausdurchsuchungen war vielmehr eine Drohung mit massiven Eingriffen in die Privatsphäre des Angeklagten und anderer Personen. Der Richter wollte einen schnellen Freispruch wohl auf jeden Fall verhindern, weil er persönliche Niederlage für ihn gewesen wäre. Er hatte nämlich selbst im Gerichtssaal eindeutig gegen den Angeklagten Stellung bezogen. Zitat: "Ist doch bekannt wie das läuft. Erst Demonstrieren die, dann demontieren sie öffentlich Gleise und zum Schluß machen sie Wurfankeranschläge, die Menschen gefährden." Er hatte wohl sämtliche Passagen im Ausrangiert-Aufruf, in denen erklärt wird was Gewaltfreie Aktion und Ziviler Ungehorsam sind und wie sie begründet werden, überlesen. Da er nicht wollte, daß die Polizei morgens früh um sechs in seiner und anderen Wohnungen auftauchen, sie vollkommen auf den Kopf stellt und Computer und ähnliches beschlagnahmt, erklärte Michael Friedrich sich mit der Einstellung auf Kosten der Staatskasse (nach § 153 StPO) einverstanden. Insgesamt bleibt festzustellen, daß es ungeheuerlich ist, auf welch dürftiger Grundlage Verfahren gegen Atomkraftgegner geführt werden, und daß das Verfahren als dilettantischer und mißlungener Versuch der Einschüchterung gewaltfreier Strukturen zu werten ist. Die offensiven Gewaltfreien Aktionen gegen CASTOR-Transporte werden nämlich zunehmend zu einem Problem für Atomlobby und Polizei. Sie zu ignorieren oder ins leere laufen zu lassen ist aufgrund ihrer Größe nicht mehr möglich. Und sie mit Polizeigewalt zu unterdrücken macht sie politisch nur noch wirkungsvoller, da es nahezu unmöglich ist Tausende von Bürgern, die gut begründet Gesetze übertreten und öffentlich dazu stehen, als "Chaoten" darzustellen. Also wird versucht die vermeintlichen RädelsführerInnen ausfindig und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes "den Prozeß" zu machen. Daß dabei das Grundrecht auf öffentliche Meinungsäußerung beschnitten wird, weil Staatsanwaltschaften und Polizei vor allem die öffentliche Diskussion und Ankündigung von Aktionen Zivilen Ungehorsams verfolgen, wird gerne in Kauf genommen. Da der Angeklagte seine Anwaltskosten selber tragen muß sind Spenden gerne gesehen: Kto.: 021-158456, M. Friedrich, BLZ: 280 501 00 (übrigens das Konto, um das es in dem Prozeß ging). BeSch Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. 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