Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/97      Seite 15
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Vom heimlichen Lehrplan der Uni

oder Lernen, wie Verwaltung NICHT funktioniert

Ein pädagogisches Seminar wurde - aus welchen Gründen auuch immer - in Räumen im Sportflur untergebracht. Das sollte keine Probleme bedeuten. Da bei diesem Seminar jedoch auch Medien benötigt werden, die vorhanden sind, jedoch nicht zur Verfügung gestellt werden, kann das Seminar nicht wie geplant weiter gehen.

Ausgangspunkt ist ein angeblicher Beschluß des Fachbereichs 5 (FB5: Sport, Psychologie und Philosophie). Da die vorhandenen Geräte zwar alle dem Land Niedersachsen gehören, aber mit den ebenfalls Niedersachsen zuzurechnenden Mitteln des FB5 angeschafft wurden, sollen jetzt für alle fachbereichsfremden Nutzer-inn-en anteilige Gebühren berechnet werden. Die Abrechnung soll sehr viel später erstellt werden, wenn die tatsächliche Nutzung übersehbar sein wird. Vorläufig reicht es, wenn mensch den Kopf per Unterschrift in die Schlinge steckt und erklärt, sich tatsächlich an den Kosten beteiligen zu wollen. (Ist das ein Versuch, Studiengebühren durch die Hintertür einzuführen?)

Personal der Universität hatte Verständnis und lieh einen Video-Medienwagen vor ca. sechs Wochen ohne große Formalien aus - mit dem Erfolg, daß es dafür Druck von oben gab. Die Bürokratie wehrt sich, wenn jemand nicht nach ihren Spielregeln funktioniert! Sollte die Bürokratie nicht reduziert werden? Es gibt zwar weniger Mitarbeiter-inn-en - der Einsatz von EDV macht jedoch eine Vervielfältigung von bürokratischen Strukturen mit weniger Aktiven möglich.

So ging bereits der Einsatz der Seminarleiterin stundenlang nicht in die inhaltliche Vorbereitung der Sitzungen, sondern in die Frage, wie sorge ich für die notwendigen Medien. Die Mediothek darf nicht, will nicht. Was verständich ist - bei den langen Wegen im Gebäude wird die Technik auch nicht besser. Der FB1 (Pädagogik) hat seine Medien in einem anderen Gebäude. In die entsprechenden Räumlichkeiten umzuziehen ist nicht so einfach, wie es zunächst aussieht. Es muß ein Raum zur entsprechenden Zeit zur Verfügung stehen, auch die Medien müssen dort zur fraglichen Zeit frei sein. Und es braucht Zeit, bis das innerhalb des Seminars organisiert ist. Vor allen Dingen macht es keinen Sinn, wenn eine Tür weiter ungenutzte - dringend benötigte - Technik darauf wartet, verwendet zu werden. Ob sich im FB5 schon mal jemand Gedanken darüber gemacht hat, daß Technik auch durch Nichtnutzung altert? Wer rastet, die rostet!

Weitere Versuche brachten die entgültige Verarschung! Herr Lohmann von der Hausverwaltung sagte zunächst zu, daß zur Seminarzeit der gewünschte Medienwagen bereit stünde. Später widerrief er dies - es seien persönliche Dinge im Spiel, die erst ausgeräumt werden müßten. Dann stünde nichts mehr im Wege. Eine Nachfrage bei der Dezernentin FB4, Frau Rockmann, bestätigte dies nicht: Es geht um die generelle Regelung des FB5, die sie nicht getroffen, jedoch durchzusetzen hat - ohne Ansehen der Person! War das ein Ablenkungsmanöver seitens der Hausverwaltung?

Im FB1 sind die Verantwortlichen bislang nicht persönlich zu erreichen gewesen. Immerhin wäre es denkbar, daß von hier aus eine generelle Regelung vereinbart wird, die auf die Wünsche des FB5 eingehen - einen finanziellen Ausgleich in beiden Richtungen etwa, der keine Institution der Uni benachteiligt und unbürokratisch für Tutor-inn-en sowie Student-inn-en handhabbar ist.

Versuche, über das Präsidialbüro eine Einigung herbeizuführen, brachten Einschätzungen zu Tage, daß dieses Ansinnen wohl von einer großen Portion "Obrigkeitshörigkeit" getragen sei. Diesen Gedanken konsequent zu Ende gedacht, sollte sich die Unileitung am besten gleich selbst abschaffen. Wozu braucht es eine Unileitung, wenn sie in fachbereichsübergreifenden Fragestellungen keinen Handlungsbedarf für sich sieht. Immerhin wurde zugesagt, sich darum zu kümmern, daß bei der Veranstaltung das gewünschte Medium zur Verfügung stünde.

Wie versprochen, so gebrochen

Beim Seminar war erneut keine Technik zur Verfügung. Die Teilnehmer-inn-en sind mittlerweile reichlich abgenervt. Es macht nicht nur keinen Spaß, unter solchen Verhältnissen zu studieren. Es ist eine große Sauerei, wenn gewisse Standards eingeführt - aber nicht eingehalten werden. In diesem Fall wurden die Studienleistungen Einzelner gezielt sabotiert. Vorbereitete Referate - wochenlange Arbeit! - waren auf den Einsatz von üblicherweise in der Uni vorhandenen Medien eingestellt. Durch die Mitteilung, daß die Technik zur Verfügung gestellt würde, ist die bestmögliche Sabotage erreicht worden - denn das bewirkte, daß sich die Student-inn-en in der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr selbst um entsprechende Materialien kümmern konnten oder auch - unter erneutem Einsatz - etwa die jeweiligen Referate umzuarbeiten (falls dies überhaupt möglich gewesen wäre). Mittlerweile wurde seitens des Justiziariats der Uni mitgeteilt, daß Student-inn-en weder auf dem Weg versichert sind, wenn sie in privater Initiative die benötigten Medien organisieren, noch daß ein solches Medium versichert sei, wenn es im Rahmen des Studiums kaputt geht.

Studium für Reiche

Ein Studium ist unter solchen Bedingungen nur noch für Reiche möglich. Wer hat als Student-in schon ein Videogerät. Und wer könnt es sich leisten, unmittelbaren Ersatz zu schaffen - im Falle eine Falles?

Lernen, wie Verwaltung NICHT funktioniert

Statt ein ordentliches Studium absolvieren zu können, mußten mehrere Menschen lernen, wie die Verwaltung der Universität - deren Aufgabe ursprünglich dafür vorgesehen war, ordentliche Forschung und Lehre zu ermöglichen - mittlerweile das Gegenteil hiervon produziert: Gezielte Sabotage zumindest der Lehre (aber die ist ja auch nicht so wichtig - oder wie war das noch?). War es das, was mit "Deregulierung, Globalhaushalt ..." in die Wege geleitet werden sollte? Ist Konkurrenz in der Uni erwünscht? Hauen und stechen um "Peanuts" nötig?

Als Frage bleibt offen, warum diese Universität - die mit der Einführung von Leitungsrat/Kuratorium den letzten pseudodemokratischen Lack beseitigen will, weiterhin den Namen des aufrechten Demokraten Carl von Ossietzky im Banner trägt? Denn soviel ist nicht nur mir gewiß: Carl hätte dies nicht gemocht!

Gerold Korbus


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