Ausgabe 12/97 | Seite 12 | |||||
Junkiefreie Zone
Sicherheit und Ordnung durch Platzverweise?Polizei und Ordnungsamt haben mit einem Griff in die Mottenkiste die Wiederkehr des hochherrschaftlichen Mittelalters eingeläutet. Ausgangspunkt: Die Drogenszene an verschiedenen Orten in der Innenstadt. Einige sind von diesem Geschehen gestört, andere verängstigt - kaum jemand möchte Junkies vor der Haustür. Die Angst ist verständlich und teilweise auch begründet. Deshalb werden zum Schutze der lauteren Geschäfte jetzt Menschen des Platzes verwiesen. Eigens hierfür wurden fünf "Zonen" benannt. Beim ersten Mal gibt es ein Aufenthaltsverbot über 24 Stunden für einen dieser Bereiche. Beim zweiten Mal gilt das Verbot 30 Tage für alle fünf Bereiche. Danach werden Zwangsgelder ausgesprochen - wenn diese nicht in kürzester Zeit gezahlt werden, gibt es Knast. Für Auswärtige gilt übrigens sofort ein Aufenthaltsverbot für die ganze Stadt über jeweils ein halbes Jahr. (Ich habe früher auch immer davon geträumt, mal Sheriff zu sein. Doch es soll Situationen geben, wo Therapeut-inn-en / Pfarrer-inn-en hilfreicher sind. D.Tipperlein)
Verordneter Entzug notwendiger HilfeWas ist davon zu halten, daß die "Zonen" so diletantisch ausgewahlt wurden, daß Sozialamt, AIDS-Hilfe ... in diesen Bereichen liegen. Erwartet die Verwaltung ohnehin keine formellen Widersprüche, weil sie weiß, daß sie es mit Menschen schwacher Strukturierung zu tun hat. Ist gleichgültig, daß diese Menschen Hilfe benötigen von Einrichtungen, die sie dann nicht mehr aufsuchen dürfen? Die Stadtverwaltung bezieht sich darauf, daß solche Maßnahmen auch in anderen Städten durchgeführt wurden und werden. Nur wurde dort ein gemeinsames Vorgehen mit den Institutionen der Drogenhilfe geplant. Monate vorher gab es mehr Geld für die entsprechenden Einrichtungen, damit die durch Veränderungen entstehenden Probleme mittels qualifiziertem Personal aufgefangen werden konnten. In Oldenburg wurde der Rose 12 gerade das Geld gekürzt, so daß die Teerose jetzt geschlossen wurde!
Die Leute sind nicht weg, sie sind woandersAndererseits ändert sich die Welt nicht durch das Verschließen der Augen. Wenn ich etwas beiseite schiebe, ist es noch vorhanden, nur andernorts. Wenn sonst innerhalb der "Szene" eine gewisse soziale Kontrolle existiert, fällt diese weg, wenn die Menschen in alle Windrichtungen, Stadtteile abgewandert werden. Die Streetworker-inn-en der Rose 12 wissen nicht mehr, wie sie die Menschen finden können. Ist es das, was Polizei und Ordnungsamt gewollt haben? Dann hat es geklappt!
Erforderliche LösungenWer die Menschen als Problem betrachtet, kann auf solche Wege kommen. Wer jedoch den Drogengebrauch verändern möchte, muß sich Pfiffigeres einfallen lassen. Die Drogenmafia läßt sich verhältnismäßig einfach ruhig stellen. Wenn der Staat für eine reglementierte und kontrollierte Drogenabgabe sauber Stoffe sorgte, wäre die Drogenkriminalität schnell beendet. Durch geringe eine Handelsspanne könnten die Koka-Bauern in Kolumbien ihr Leben besser fristen. Die Mafia könnte sich keine goldene Nase mehr verdienen. Die Beschaffungskriminalität gäbe es auch nicht mehr, da die abhängigen Drogenkranken zu erschwinglichen Preisen kontrolliert an das Zeugs kämen, sauberes Spritzbesteck eingeschlossen (AIDS...) Da der Staat anders als die Kriminellen für sauberen Stoff in gleichbleibenden Konzentrationen sorgen kann, würden die Junkies weniger krank. Die freiwerdenden Gelder für Kriminalitätsbekämpfung, Knast und Krankenkassen können in Vorbeugung und Therapie sowie viele andere Bereiche gelenkt werden.
Warum wird das nicht schon lange so gemacht?Vielleicht, weil Politiker-inn-en nach der vermeintlichen Gunst bei Wahlen schielen und nicht nach wirklichen Lösungen suchen. Wer weiß, wo überall die Mafia ihre Finger drin stecken hat.
Forderungen für OldenburgDie sofortige Rücknahme der Platzverweise ist nötig. Zwangsgelder in Höhe von 500 DM (bis 3000 ist möglich) von Habenichtsen zu fordern, ist schlicht dumm. Entweder holen sie sich das irgendwo, oder sie gehen in den Knast. Beides macht keinen Sinn. Bekanntermaßen gibt es auch im Knast Drogen. Und Knast ist teuer. Nach Aussage der Stadt sind Platzverweise übrigens gegen Jeden und Jede aussprechbar. Im Zusammenhang mit der "Drogenaktion" heißt das: Wer den Anschein erweckt, Kontakt mit Junkies aufnehmen zu wollen, ist potentiell platzverweis gefährdet. Sind solche schwammigen Formulierungen gewählt worden, um allzu neugierige Journalist-inn-en wegkaschen zu können? Gerold Korbus
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