Oldenburger STACHEL Ausgabe 10/97      Seite 6
 
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Tempo 30 - Verwaltung entscheidet gegen Willen der Bevölkerung

Auch heutzutage ist es immer noch möglich, daß einzelne Verwaltungsbeamte Entscheidungen gegen den Großteil der Bevölkerung selbstherrlich durchführen können.

Ein besonders gutes Beispiel hierfür bildet die Ableh-nung der Bezirksregierung Weser-Ems zu den Modellversuchen Tempo 30 vor 2 Oldenburger Grundschulen und der Rundumgrün-Ampelschaltung an der Kreuzung Eichenstr. / Staakenweg.

Beide Maßnahmen wurden einstimmig (bei einer Enthaltung) vom Oldenburger Rat beschlossen. Die Oldenburger Verwaltung (oder besser Herr Otter) waren von Anfang an gegen diese Entscheidung. Da die Stadtverwaltung gegen einen Vorbehaltsbeschluß des Rates machtlos war, wurde die Bezirksregierung angerufen. Diese beurteilte die vom Rat getroffenen Anordnungen als "rechtsfehlerhaft, auf jeden Fall aber für unzweckmäßig,...".

Formaljuristisch nicht anfechtbar Ein vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu dieser Problematik kam zusammengefaßt zu dem folgenden Ergebnis: "Zwar läßt die Stellungnahme der Bezirksregierung deutlich die Tendenz erkennen, daß es nur darum ging, die getroffenen Vorbehaltsbeschlüsse (...) zu kippen, insbesondere weil sich die Bezirksregierung überhaupt nicht mit den Argumenten des Verkehrsausschusses auseinandergesetzt hat. Dennoch ergibt sich nach eingehender Prüfung, insbesondere der einschlägigen Vorschrift des § 45 StVO kein Angriffspunkt gegenüber der Stellungnahme der Bezirksregierung, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen."

Ein erneuter Vorbehaltsbeschluß des Stadtrates gebe nur dann einen Sinn, wenn "aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs eine Geschwindigkeitsbeschränkung vor den Schulen zu erfolgen hat. Dies geht allerdings nur im Wege des Nachweises etwa anhand der Unfallstatistik."

Mit anderen Worten, es müssen erst einmal Kinder schwer verletzt oder gar getötet werden, damit etwas geschieht. (Selbst das reicht leider nicht - siehe Bsp. Vanessa, Stachel 6-7/1992, d.S.)

Aber selbst in diesem Fall ist eine Geschwindigkeitsreduzierung nicht zwingend vorgeschrieben. Vorrangig sollen dann (lt. Kommentierung des § 45 StVO) erst andere Sicherungsmaßnahmen, wie eine Absicherung durch Absperrungen, z.B. Gitter, erfolgen.

Zäunt die Kinder ein ...

Überspitzt formuliert bedeutet dies:

Zäunt die Kinder ein, damit die Autos schnell voran kommen.

Fazit ist, daß der Autoverkehr in Oldenburg weiterhin von der Verwaltung einseitig gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern gefördert wird.

Daß es auch anders geht, zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Hier gilt landesweit der Grundsatz:: Tempo-30 vor Schulen. In Nordrhein-Westfalen hat sich die Erkenntnis schon durchgesetzt, daß Tempo 30 de facto weniger Unfälle, Schwerverletzte und Getötete bringt.

Positive Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen

Unfalluntersuchungen vor und nach der Einführung von Tempo-30-Zonen zeigten, daß im Durchschnitt die Zahl der Unfälle zwischen 10 und 25 Prozent abnimmt. In der Stadt Münster führte die Geschwindigkeitreduzierung sogar zu einem Rückgang bei Unfällen mit schweren Personenschäden um 72 Prozent . Dieser Rückgang der Unfallzahlen resultiert vermutlich hauptsächlich aus der Verkürzung der Anhaltewege von Autos. Bei Tempo 30 steht ein Auto schon nach 15 Metern. Fährt dieses Auto 50 km/h schnell, dann hat es einen Anhalteweg von über 25 Metern. Nach den o.g. 15 Metern beträgt die Aufprallgeschwindigkeit immer noch 45 km/h. Ein Kind würde getötet oder schwer verletzt. Kinder besitzen keinen Airbag, der ihr Leben rettet.

All diese Argumente scheinen jedoch für die Oldenburger Verwaltung (bzw. Herrn Otter) und die Bezirksregierung nicht von Bedeutung zu sein.

VCD für politische Lösung in Oldenburg

Da auch der Deutsche Städtetag für die flächendeckende Einführung von Tempo 30 eintritt, sieht der VCD hier einen Ansatzpunkt für die politische Lösung des Problems.

Weil die Verwaltung aus Überzeugung mit formaljuristischen Gründen eine kleine Lösung ablehnt, muß der Rat der Stadt versuchen, möglichst alle Straßen mit anliegenden (Grund-)Schulen zu Tempo-30-Zonen zu erklären.

Ein solcher Ratsbeschluß wäre juristisch nicht anzufechten, da er zusätzlich zur erhöhten Sicherheit für die schwachen Verkehrsteilnehmer als weiteren Vorteil die Verminderung von Lärm und Abgasemissionen mit sich bringen würde.

Hier können nun die Parteien des Oldenburger Rates zeigen, wie wichtig ihnen die Sicherheit der nachwachsenden Generation tatsächlich ist.

Detlev Bayer-Täufel, VCD


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