Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/97      Seite 6
 
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Blitzende Waffen statt zivile Küste?

Die BI gegen Seekriegsmuseum WHV fordert: "Gegen blitzende Waffen, für zivile Küste". Am 25. April fand in Wilhelmshaven das feierliche Richtfest für ein neues Küstenmuseum statt. Die Baustelle befindet sich genau neben dem U-Boot hinter der neuen Uferpromenade, das jetzt schon zahlreiche BesucherInnen anlockt. Auch die Bürgerinitiative gegen die Militarisierung W'havens und für ein ziviles Küstenmuseum hatte mit einem eigenen Aufruf zu diesem Fest "eingeladen". Sie bezogen sich auf eine Verlautbarung der Museumsbetreiber, die "die zentrale Botschaft" des Museums so beschrieben: "Die zentrale Botschaft ... wird sein, den Weg der deutschen Marine von der Flotte der deutschen Revolution 1848 und der Flottenoption Prinz Adalbert von Preußens - offensive Verteidigung und Schutz der Handelsinteressen - zu den aktuellen Marineaufgaben im Rahmen der bundesdeutschen Außen- und Verteidigungsp olitik im Zeitalter der Krisenreaktionskräfte in seinen politischen, taktischen und technologischen Dimensionen aufzuzeigen."

Die BI meinte dazu, wenn das zukünftige Marinemuseum fertig sei, würden die Besucher in dieser Stadt kein Küstenmuseum für zivile Stadtgeschichte mehr vorfinden, denn dieses wurde geschlossen; sie würden aber stattdessen ein "militärisch geprägtes Marinemuseum" sehen, "in dem die deutsche Seekriegsgeschichte mehr oder weniger verherrlicht wird. Ist es nicht so, daß junge Besucher sich gern begeistern lassen von blitzenden Uniformen, tüchtigen Kriegsschiffen, blitzenden Waffen, moderner Technik, als sei deren Zweck nicht einzig der Tod und die Zerstörung anderer Menschen?

Ist es nicht so, daß junge Menschen - ungewollt - daran gewöhnt werden, die Rolle der Marine bei der "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" (vgl. die offiziellen "Verteidigungspo litischen Richtlinien" des Bundesministeriums für Verteidigung von 1992) zu verstehen und zu bejahen?

Bedeutet eine kritiklose Darstellung der deutschen Marinegeschichte nicht auch, die deutsche Bevölkerung Schritt für Schritt auf militärische Kampfeinsätze in außerheimischen Gewässern zu gewöhnen? ....

Bereits die - unserer Meinung verfassungswidr igen - Bundeswehreinsätze in Somalia und im früheren Jugoslawien dienten der Gewöhnung daran, daß Deutschland seit 1990 als ganz normaler Staat begriffen wird, dem Kampfeinsätze überall auf der Welt erlaubt sind. Wie erfolgreich die schleichende Veränderung voranschreitet, erhellt der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr in Albanien, der in jeder Weise rechts- und verfassungswidrig ist. Er stellt die weitere Steigerung einer Politik dar, die dem Parlament nur noch die Rolle eines Akklamationsgremiums zubilligt.

Die Betreiber und Befürworter eines künftigen Marinemuseums leisten dieser Entwicklung unfreiwillig Vorschub."

Kundgebung gegen Kriegsgewöhnung

Dieser Aufruf brachte der BI zwar in der Wilhelmshavener Zeitung die Bezeichnung "linksextreme Autonome" ein; er führte aber auch dazu, daß immerhin 25 Leutchen während des Richtfestes vor der Tür standen, um ruhig mit Transparenten gegen das Projekt eines Seekriegsmuseums zu demonstrieren. Mit Transparent- und Sandwichlosungen wie "Zivile Kultur statt Kriegskultur", "So werden Kriege vorbereitet" oder "Der Marineförderverein ist nicht gemeinnützig, sondern gemeingefährlich" zeigten sie ihre Ablehnung des Projektes. Der Beitritt zum Gelände wurde ihnen verwehrt, etwa 20 Polizisten schützten die eintreffende Hautevolee Wilhelmshavens vor soviel Kritik. Getroffen hat sie die Bürgerinitiative offenbar trotzdem. Ein an der Kundgebung teilnehmender Arzt erhielt zwei Stunden später einen anonymen Anruf, in der die Sprechstundenhilfe aufgefordert wurde: "Bestellen Sie dem Doktor, er ist ein großes Arschloch!"

Zu wünschen ist, daß die weitere Auseinandersetzung auf mehr inhaltlichem Niveau stattfindet. Wilhelmshaven steckt in einer tiefen Krise, von der Stillegung der Olympia-Werke hat es sich nicht mehr erholt. Die Nerven liegen blank, die Stadtoberen ergreifen jeden Strohhalm, um Menschen bzw. Kunden in den Ort zu ziehen. Das anfänglich völlig überdimensionierte Expo-Projekt zeigt die Hilflosigkeit. Das darf jedoch nicht dazu führen, alles kritiklos zu feiern, wenn es nur Leute nach "Schlicktown" bringt. Die BI hat sich vorgenommen, das Marinemuseum- Projekt weiter kritisch zu beobachten. Falls nötig und möglich, will sie einen Nebenmuseumsführer herausbringen. Wir dürfen auf die Fortsetzung der Museumsgeschichte gespannt sein...

achim


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