Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/97      Seite 6
 
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Kundenfreundliches Kreiswehrersatzamt

Unglaublich: Das Bundesamt für Wehrverwaltung Bonn hat eine Vision für das Jahr 2000: das "kundenfreundliche Kreiswehrersatzamt". Was derzeit noch als Pilotprojekt firmiert, soll bald schon für alle Wehrpflichtigen realisiert werden. Dann sollen alle junge Männer bei der Musterung von einem Betreuer der Bundeswehr begleitet werden, der mit Rat und Tat zur Seite steht, sie über freie Stellen und mögliche Standorte informiert. Dadurch soll die Zeit zwischen Musterung und Einberufung verkürzt werden. Die Bundeswehr läßt sich das was kosten: Ein zweistelliger Millionenbetrag steht dafür bereit.

Seitens katholischer Seelsorger bestehen jedoch Bedenken: Für problematisch halten sie die mögliche Einberufung direkt nach der Musterung. Bei vielen Jugendlichen entwickelt sich nämlich erst nach der Musterung Klarheit, ob sie zum Bund gehen oder verweigern. Johannes Stücker-Brüning vom Referat Zivildienstseelsorge der Zentralstelle Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz: "Die Gefahr besteht, daß sie in den Beratungszentren überrumpelt werden und am Ende nicht nur gemustert, sondern auch gleich eingezogen sind."

Wer erst nach der Einberufung verweigert, hat einen dornenreicheren Weg der Kriegsdienstverweigerung vor sich. Die vor einer Einberufung schützende "aufschiebende Wirkung" des KDV-Antrages entfällt. Außerdem geht es jetzt direkt zu den Ausschüssen für Kriegsdienstverweigerer bei der Bundeswehr, während vorher das schriftliche Verfahren beim Bundesamt für den Zuvieldienst galt.

Zudem gibt es rechtliche Fragen: Wird durch die Annahme des Einberufungsbescheides die zweiwöchige Widerspruchsfrist gegen den Musterungsbescheid aufgehoben? Solange diese Fragen nicht geklärt sind, folgende Empfehlungen:

1. Wer vor der Musterung verweigert, hat die wenigsten Probleme. Er wird dann "nur" auf seine allgemeine gesundheitliche Eignung untersucht. Bundeswehrspezifische Eignungsuntersuchung sowie Einplanung für den Wehrdienst unterbleiben.

2. Wer sich noch nicht sicher ist mit der Kriegsdienstverweigerung, sollte sich auf keinen Fall gleich den Einberufungsbescheid mitgeben lassen. Nach õ 13 Absatz 1 Musterungsverordnung ist dies eigentlich sowieso erst rechtens, wenn der Musterungsbescheid vollziehbar geworden ist, also 14 Tage nach seiner Aushändigung, und wenn kein Widerspruch eingelegt wurde.

3. Wer erst nach der (für ihn vielleicht überraschenden) Einplanung und Aushändigung des Einberufungsbescheide merkt, daß er den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern muß, sollte sofort (innerhalb 14 Tagen) gegen den Musterungsbescheid und gegen den Einberufungsbescheid Widerspruch einlegen.

4. Verfahrenstaktisch kann es klüger sein, zunächst "nur" gegen die Bescheide Widerspruch einzulegen und den Antrag auf KDV später zu stellen. Erst wenn der Einberufungsbescheid wegen der Rechtswidrigkeit nach õ 13 Abs 1 Musterungsverordnung aufgehoben ist, wird der KDV-Antrag gestellt. Für diesen ist dann nämlich das Bundesamt für den Zuvieldienst mit dem zunächst rein schriftlichen Verfahren zuständig, wodurch der KDV-Antrag aufschiebende Wirkung gegenüber weiteren Einberufungen zur Bundeswehr hat.

Zu diesen Vorgängen schreibt Ulrich Finkh, Vorsitzender der Zentralstelle KDV: "Die `kundenfreundichen' Kreiswehrersatzämter sind vermutlich Vorbereitung auf Freiwilligenannahmestellen nach Aussetzung der Wehrpflicht. Offiziell wird das aber noch bestritten. ... (Zu den oben beschriebenen Problemen:) Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen!"

Angesichts der hier nur verkürzt darstellbaren Veränderungen und ihren Folgen ist es sinnvoll, sich mit gleich Betroffenen zu beraten. Eine Möglichkeit hierzu ist der Treffpunkt für Kriegsdienstverweigerung der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK). In Oldenburg findet dieser jeden 1. + 3. Donnerstag um 18 Uhr in den Räumen der Arbeitslosenselbsthilfe ALSO, Kaiserstraße 19, statt.

Gerold Korbus

Quellen: * Public Forum April 1997, * DFG-VK Bundes-Info-Stelle Velbert, * Zentralestelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e.V., Bremen


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