Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/97      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Keine Chance mit Bart?

Stellen Sie sich vor, noch vor einer Bewerbung um eine Stelle beobachte ein "Bewerbungsprüfer" Sie tagelang bei vorgeschriebenen Tätigkeiten mit einem Bogen in der Hand und schreibe eifrig mit, was er unter den Stichworten

- Zuverlässigkeit, Sorgfalt,

- Kontakt-, Teamfähigkeit,

- Durchhaltevermögen, Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit,

- Freundlichkeit, Offenheit, Erscheinungsbild ,

- Anpassungsbereitschaft, Aufstiegswille,

- Überschuldung, Aussteigermentaltät

über Sie glaube erfahren zu haben. Erst danach ließe er eventuell eine Bewerbung um eine Stelle zu. Science fiction nach Art big brother is watching you? Unmöglich? Keineswegs!

Frage ans Arbeitsamt

Die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) hat erfahren, daß vom Arbeitsamt genau diese und weitere Kriterien in sogenannten "Trainingsmaßnahmen" geprüft werden. Zu einer Teilnahme an solchen Maßnahmen können alle Arbeitslosen nach dem neuen Arbeitsförderungsgesetz gezwungen werden. Sie dauern maximal 12 Wochen einschließlich einer mehrwöchigen Praxisphase in Betrieben. Statt wie bisher erhöhtes Unterhaltsgeld werden dann lediglich die bisherigen Arbeitslosen-Bezüge weitergezahlt. Bei einer Weigerung, an den "Trainingsmaßnahmen" teilzunehmen, wird das Geld bis zu zwölf Wochen gesperrt.

Die ALSO sieht in diesen Prüfungen eine Verstärkung des Drucks auf die Arbeitslosen. In einem offenen Brief an das Arbeitsamt schrieb sie: "Die veränderten Zielvorgaben weisen deutlich darauf hin, daß den Arbeitslosen die Lasten des Sozialabbaus aufgebürdet werden sollen. Während etwa sieben Millionen Arbeitsplätze fehlen und bestehende weiter abgebaut werden, werden die Arbeitslosen dazu benutzt, diesen Prozeß noch zu beschleunigen. Sie sollen sich billig und unter ihrer Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt anbieten. Sie erzeugen damit einen Angebotsdruck, der keine sinnvollen, den Lebensunterhalt sichernden Arbeitsplätze schafft, sondern die Umwandlung von bestehenden in billige, umqualifizierte Tätigkeiten und damit eine größere Schere in der Einkommenshierachie vorantreibt. Die Folge ist die Zunahme von Armut und Unterbeschäftigung. ....

So sollen Arbeitslose insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen und jede nur erdenkliche zumutbare Arbeit annehmen. Um das energisch genug durchsetzen zu können, wurde auch gleich der Begriff der Zumutbarkeit eingeschränkt. Arbeitslose müssen nunmehr auch Arbeiten außerhalb des Berufs, außerhalb der bisherigen Tätigkeit und außerhalb des regionalen Pendlerbereichs annehmen." Die ALSO fragte das Arbeitsamt, ob es "diese Beurteilungskriterien für die Durchführung der Maßnahmen tatsächlich vorschreiben" wolle.

... und Antwort

Auf die Presseinformation der ALSO folgte nicht viel später die Reaktion des Oldenburger Arbeitsamtsdirektors Dr. Ruitman. Dieser versuchte die Argumentation der ALSO zu entkräften, bestätigte sie aber im wesentlichen. Nach seinen Angaben ist der von der ALSO inkriminierte Fragebogen zu den Qualitäten der Erwerbslosen in Trainingsmaßna hmen nicht einmal neu, sondern wird seit drei Jahren bei Maßnahmen benutzt, die vom Arbeitsamt in Oldenburg in Auftrag gegeben werden. Deshalb müsse es, so Dr. Ruitman, nach den Schlußfolgerungen der ALSO schon zu einer hohen Zahl von Sperrzeiten gekommen sein. "Tatsächlich wurden im Arbeitsamtsbezir k Oldenburg 1996 bei 3.335 Eintritten in Bildungsmaßnahmen lediglich 56 Sperrzeiten verhängt."

Wir vom Stachel werden uns weiter um dieses spannende Thema kümmern und in der nächsten Ausgabe berichten.


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