Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/97      Seite 3
 
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Radio-Frequenzen für Oldenburg

Arbeit muß sich wieder lohnen

Es könnte wieder soweit kommen, daß mensch ohne Arbeit als BettlerIn ohne jegliches Einkommen auf der Straße sitzt, wenn - wenn die Initiative von CDU/CSU-Politikern zur Streichung der Sozialhilfe bei "Arbeitsunwilligkeit" Erfolg hätte. Angeblich auf Intitiative von Kohl persönlich wird von Minister Seehofer ein Gesetzentwurf vorbereitet, der dies vorsieht - und zusätzlich ein "Abstandsgebot" von 15 % zu den niedrigsten Durchschnittslöhnen. In Kraft treten soll dieses Gesetz erst 1999; ein früherer Termin sei "politisch nicht durchsetzbar".

Schon seit langem fordern die Unternehmerverb ände, die Sozialhilfe soweit zu senken, daß sie unter den Niedrigstlöhnen liege. Weniger Arbeitslose gibt's dadurch nicht, neue Arbeitsplätze würden so auch nicht geschaffen werden. Aber niedrigere Löhne könnten besser durchgetzt werden. Jetzt gibt es immer noch Menschen, die sich weigern, für einen "Hungerlohn" zu arbeiten. "Nebenbei" könnten so Sozialhilfekosten eingespart und Steuern für NiedrigverdienerInnen erhöht werden. Denn je geringer der Sozialhilfesatz, desto kleiner fällt das steuerfreie Existenzminimum aus. Zusätzlich könnte wieder einmal das Bild vom faulen, gut genährten Sozialhilfeempfänge r gezeichnet werden, der auf Kosten der Fleißigen ein leben in Saus und Braus führt.

Doch die Wirklichkeit sieht völlig anders aus, und der Vorstoß zur Senkung bzw. Streichung der Sozialhilfe kann nur als gewissenlos, brutal und barbarisch bezeichnet werden. Untersuchungen in Oldenburg und anderen Städten haben ergeben, daß die Sozialhilfe-Armut hauptsächlich weiblich ist (siehe Artikel von Donna 45). Alleinerziehend e haben oft einfach keine Möglichkeit, ihre Kinder umsonst anderswo betreuen zu lassen. Sie alleine zu lassen, wie viele Väter (auch in Bonn) es tun, weigern sie sich. Könnten sie eine ausreichend bezahlte Arbeit finden, so könnten sie sie deshalb doch nicht annehmen.

Die meisten Menschen würden ein erarbeitetes Einkommen der entwürdigenden und viel zu geringen Sozialhilfe vorziehen. Denn mit diesem Geld kann mensch wahrlich keine großen Sprünge machen: Nach Zahlen der Caritas erhält eine Familie mit zwei Kindern an Sozialhilfe

- 532 DM der Vater,

- 426 DM die Mutter,

- 346 DM das erste Kind,

- 266 DM das zweite Kind.

Dazu kommen pauschalierte Leistungen von ca. 280 DM und die Warmmiete von ca. 840 DM. Insgesamt sind das ungefähr 3 000 DM für eine Familie von vier Personen in einem Monat.

Noch liegt der niedrigste Hilfsarbeiterlohn in Westdeutschland ein paar hundert Mark über dieser Summe. Doch die Lohndrückerei schreitet schnell voran, die Bauarbeiter z.B. können ein Lied davon singen. Wenn die Sozialhilfe nicht mehr vor dem absoluten Elend schützt, gibt es da kein Halten mehr.

Finanzminister Waigel setzte am 10.4. auf dem Kleinen Parteitag der CSU in Punkto Sozialhilfe noch einen drauf: Es müsse auch die grundsätzliche Frage erlaubt sein, ob Ausländer bei der Leistungshöhe mit deutschen Staatsbürgern gleich behandelt werden müssen. "Es kann nicht Ziel unserer Hilfe sein, daß große Teile der Geldmittel in die Heimatländer transferiert werden," ergänzte er. Nicht die Bedürftigkeit soll über die Hilfe zum Lebensunterhalt entscheiden, sondern die Zufälligkeit eines Passes. In vielen Städten leben seit Generationen Menschen mit unterschiedlichen Nationalitäten in einer Straße. Sollen die Nachbarn jetzt unterschiedliche Hilfe erhalten? Brauchen Menschen mit nichtdeutschen Ausweisen weniger zum Essen? Es gibt wohl kaum einen perfideren Weg, Fremdenfeindlichkeit, Neid und Mißgunst zu schüren und gleichzeitig für eine Ausgabensenkung auszunutzen. Und Deutsche wird das genauso betreffen: Schon oft sind Kürzungen im Sozialbereich zuerst bei ausländischen Nachbarn ausprobiert worden. Nein, Herr Waigel, diese Frage ist nicht erlaubt!

Wohltuend hebt sich von dieser Politik die Haushaltsplanung der rot-grünen Mehrheit im Oldenburger Stadtrat ab. Ein Essenszuschuß für Kindergärten soll die Ernährung von Sozialhilfe-Kindern sichern, die einmaligen Hilfen sollen in früherer Höhe gewährt, ein Ausbildungsplatzprogramm für arbeitslose Jugendliche soll gestartet werden. Doch die Frage ist, welche Ausgaben die Bezirksregierun g zulassen wird. Bei Kürzungen muß die Regel gelten: Bei den Ärmsten darf nicht weiter gespart werden!

achim


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