Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/97      Seite 14
 
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Soziologische Analyse und Etikettenschwindel

Wie T. Myslik Unwahrheiten und Denunziationen als wissenschaftlich Erkenntnisse verkauft

Im letzten Stachel erschien unter dem Titel "Semesterticket als sozialer Prozeß - Eine soziologische Analyse der Gruppen und ihres Handelns" ein Text von T. Myslik, der ehrlich nur als Beitrag zur Legendenbildung bewertet werden kann. Ich will möglichst kurz auf diesen Text eingehen - eine umfassende Aufschlüsselung der unsauberen rhetorischen Finten und Unwahrheiten in seinem Text hätte mehrere Seiten in Anspruch genommen.

Es stimmt nicht, das keine Gruppe an der Uni den ökologischen Anspruch dieses Semestertickets, kurz ST, ernstlich bestritten hätte. T. Myslik braucht diese Behauptung aber, um darauf aufbauend die verschiedene Gruppen von Öko-Guten und Öko-Bösen formal zu definieren. Zuerst definiert er die Gruppen der uneigennützig und der auch eigennützig das ST als ökologisch sinnvoll bejahenden StudentInnen. Komplementär definiert er die Gruppen der grundsätzlich - wg. Ablehnung von Solidargemeinschaften - und der aus Eigennützigkeit das als ökologisch sinnvoll anerkannt ST ablehnenden StudentInnen. Die allgemeine Anerkennung des ökologischen Sinns des ST hat er über die Behauptung des Fehlen jeglichen Widerspruchs dagegen konstruiert. So konstruiert er die ökologisch gut handelnde Gruppe, für die sich das ST zum Teil auch konkret lohnt, gegen die ökologisch schlecht handelnde Gruppe, deren Motivation entweder prinzipielle oder konkrete Unsolidarität ist.

Weiter definiert er die nicht ernstzunehmenden "doofen Propagandisten" und denunziert die große Mehrheit der StudentInnen als sich in völliger Ergebenheit der als unabänderlich hingenommene Macht des Schicksals fügend, kurz Schicksalsgläubige. Und er findet die Gruppe derer, "die für sich so große Mängel entdeckten, daß sie dieses Ticket verhindern mußten" - also noch mal EgoistInnen.

T. Myslik geht in seiner "soziologischen Analyse" nicht auf die soziale Komponente des ST ein. Dementsprechend bezieht er auch keine die sozialen Aspekte betreffende verschiedene Positionen der Gruppen in sein Modell ein. Aus der Vernachlässigung einer der beiden Hauptaspekte des ST resultiert allemal eine mangelhafte "soziologische Analyse der Gruppen und ihre Handelns". Das Nichtbeachten der sozialen Aspekte findet bei T. Myslik aber wohl gezielt statt. Der AStA, und T. Myslik als ein Mitglied der ihn tragenden Gruppen, wollten z.B. die Härtefallregelung so gestalten, daß möglichst wenige sie nutzen könnten - so ein Mitglied des AStA. Eine Härtefallreglung muß formal vorhanden sein, um das ST nicht rechtlich angreifbar zu machen. Eine sozial angemesse Ausgestaltung des ST bestand kein Interesse - für den AStA zählte nur die Ökologie. Eine Berücksichtigung der sozialen Aspekte in seiner Analyse hätte auch die Diskussion über den Preis des ST berücksichtigen müssen. Das ST kostet in Oldenburg das selbe wie in Bremen; in Bremen ist es tatsächlich zu nutzen.

Weiter behauptet Myslik, daß das Für und Wieder des ST im breiten Rahmen diskutiert worden sei. Er nennt nicht die häufig gebrachte Kritik von StudentInnen, daß sie weder genug Zeit noch genug Informationen gehabt hätten, um sich zu entscheiden. Der AStA hat in der kurzen Zeit der Diskussion Sachinfomationen zum ST nur spärlich herausgegeben und die Abstimmung wollte er in jedem Fall auch nach Aussage eines AStA-Mitglieds kurzfristig vor der Neuwahl des AStA abschließen. Die studentische Vollversammlung zu dem Thema wurde von der Opposition durchgesetzt - der AStA hat sich dagegen gesträubt. Deshalb ist es für T. Myslik als AStA-Parteiischen auch opportun, die Verantwortung für das Nichtwählen alleine der insgesamt größten Gruppen der StudentInnen zuzuschieben, in dem er sie als Schicksalsgläubig und damit Verantwortungslos denunziert. Alleine, daß er größte Gruppe von StudentInnen in seiner Analyse in nur einem Satz abschließend behandelt, macht die Gründlichkeit seiner soziologischen Analyse aller Gruppen deutlich.

Weiter verschweigt Myslik in seiner einleitenden Gruppendefinition die große Gruppe von Leuten, die mit fundierter Kritik aus ökologischen und sozialen Gründen und auch trotz eventueller eigener Vorteile durch das ST eben dieses ablehnen. Diese KritikerInnen finden sich in seinem Modell in jedem Fall bei den EgoistInnen wieder - Denunziation ist der passende Begriff für dieses Vorgehen. Aber eine soziologische Analyse dieser Gruppen hätte für ihn aber eine Beschäftigung mit deren Argumenten bedeutet, so versucht er, diese Auseinandersetzung in seinem Text zu vermeiden

In der Verfeinerung seines Modells beschreibt Myslik den AStA als Gruppe, die keine Vorteil durch die Einführung des ST hat. Wahlkampf ist ja auch kein Motiv. Weiter ist seine Behauptung, daß aufgrund der schon bestehenden Mobilität der StudentInnen dem ST bei einer Erzeugung von zusätzlichen Freizeitverkehr nur eine geringere Rolle zufallen würde, da es nur eine Verlagerung des Freizeitverkehrs vom Auto auf den ÖPNV im Freizeitbereich zur Folge haben würde, unhaltbar. Hier versucht Myslik, in dessen Argumentation für das ST nur das Öko zählt, sich aus seiner Mitverantwortung für die Werbung des AStA für mehr Freizeitverkehr, der jetzt auch durch das ST subventioniert wird, zu stehlen.

Mysliks Feststellung, daß Personen, die sich lange mit der Verkehrsthematik auseinandergesetzt haben, verständlicherweise ein resignative Ablehnung des ST hätten, ist an Arroganz dann nicht mehr zu überbieten. Sachkompetenz liegt wohl nur bei ihm.

Bösartig ist seine Abwertung von KritikerInnen des ST, indem er ihnen das Streben nach "reiner Vollkommenheit" nachsagt. In diese Richtung geht auch sein Argument, daß es eine "ewige Position" sei, etwas abzulehnen, weil es noch besser werden könne. In seiner "soziologischen Analyse" eine solche Phrase ohne jeglichen konkreten Bezug zu bringen, hat auf jeden Fall nichts mehr mit wissenschaftlicher Arbeit zu tun. Ebenso steht es mit dem Vergleichsexkurs, den Myslik anführt. Nach der Prämisse, er sei auch in der Energiewendebewegung - also Öko-gut - setzt er das Vorgehen von AKW-BetreiberInnen gegen erneuerbare Energien mit dem Kritisieren des STs in Beziehung. In beiden Fällen würde die selbe Taktik benützt, nämlich Kritik an der Qualität der Ziele der Gegenseite, also Zweifel an der Einsetzbarkeit erneuerbarer Energiequelle bzw Zweifel an der Qualität des ausgehandelten STs, und Betonung der eigenen und alleinigen Kompetenz. Die GegnerInnen des STs haben also eine Taktik und keine Argumente und gehören vergleichsweise zu den Öko-Bösen. Nun gut.

Aber was ist, wenn AKW-GegnerInnen Zweifel an der Sicherheit der AKWs und an der Zuverlässigkeit ihrer BetreiberInnen äußern. Alles nur Taktik ?

Die formale Argumentationsweise, die Myslik benutzt, dient in seinem völlig unpassenden Vergleich nur der Denunziation - den Wechsel vom Formalen ins Konkrete scheut er wohlweislich. Und was die Wertungen von seinem Gruppenstandpunkt aus in der angestrebten soziologischen Analyse zu suchen hat, bleibt offen. Wenn Myslik dann im Folgesatz das ST noch als ein Fortschritt preist und den KritikerInnen eine grundsätzliche Schuld für ihre Kritik zuweist , dann ist es nur noch rhetorisches Geschwafel - die Bösen, denen es "moralische Hintertürchen" zu schließen gilt, und das Gute hat er definiert.

Anmerken möchte ich noch, daß T. Mysliks Liste in ihrem StuPa-Wahlkampfprogramm offen lügt indem sie einer anderen Liste nicht basisdemokratisches Verhalten im StuPa nach der Abstimmung des ST vorwirft. Eine Entschuldigung oder öffentliche Richtigstellung bibt es von T. Mysliks Liste nicht.

Richard Meinsen


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