Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/96      Seite 1
 
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Rote Karte für Seehofer

Demo für Erhalt der häuslichen Krankenpflege

Rund 500 Menschen protestierten am 13.11.96 in der Oldenburger City gegen die geplanten Einsparungen im Gesundheitswesen. Aufgerufen hatten die ambulanten Pflegedienste Oldenburgs und Umgebung, um für den Erhalt der häuslichen Krankenpflege als gesetzliche Pflichtleistung der Krankenkassen zu demonstrieren.

Die Bundesregierung diskutiert zur Zeit die 3. Stufe der Gesundheitsreform. Wird sie wie geplant umgesetzt, kommen auf die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen gravierende Einschnitte in der Gesundheitsver sorgung zu. Unter anderem sollen bislang gesetzliche Pflichtleistungen zu "Kannleistungen" (sogenannte Satzungsleistung) herabgestuft werden. Damit liegt es im Ermessen der Krankenkassen, ob sie z.B. die häusliche Krankenpflege überhaupt noch anbieten oder in welchem Umfang bei welchen Krankheiten sie noch die Kosten übernehmen. Seehofer gibt den Krankenkassen damit neue Einsparmöglichkeiten - zu Lasten der Versicherten.

Bewährte Alternative zum Krankenhaus

Die häusliche Kinderkranken-, Wochenbett- und Krankenpflege wurde in den letzten 15 Jahren flächendeckend in den meisten Bundesländern ausgebaut. Hintergründe dafür waren vor allem finanzielle, aber auch humane Aspekte. AMBULANT VOR STATIONÄR (kursiv??) war damals die Zauberformel. Diese ambulante medizinisch-pflegerische Versorgung hat vielen chronisch Kranken ein fast beschwerdenfreies Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht (z.B. Diabetikern, Parkinsonkranken etc.). Vielen Schwerstkranke n (z.B. Aids-, Krebskranken) oder verletzten Kindern (z.B. mit Verbrennungen) hat sie Krankenhausaufenthalte erspart. Sie hat ermöglicht, daß Mütter ambulant entbinden und zu Hause mit dem Neugeborenen fachgerecht betreut werden. Als preiswerte Alternative zum Krankenhausaufenthalt hat sich die häusliche Krankenpflege bewährt. Darum ist es völlig unverständlich und widersinnig, ausgerechnet hier den Rotstift anzusetzen.

Mehrbelastungen für Frauen

Auf die Kranken und deren Angehörigen werden in Zukunft diese Mehrbelastungen zukommen. Dabei trifft es vor allem die Frauen, wieder einmal! Frauen sind es, die zu über 90 % in der häuslichen Krankenpflege tätig sind, und sie sind es, die jetzt um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, die wieder zurück an den familiären Herd geschickt werden. Ganz nebenbei wird ihnen auf diesem Wege noch gezeigt, welchen geringen gesellschaftlichen Wert ihre Arbeit als Kranken- und Altenpflegepersonal eigentlich hat.

Und nochmal ist Frau betroffen, als Angehörige! Es sind die Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter, die ehrenamtlich und für Gotteslohn die Pflege zu Hause durchführen werden müssen. Gerade diesen Frauen standen die ambulanten Pflegedienste unterstützend und entlastend zur Seite.

Mit dieser Reform wird die Solidarität der Gesunden und Kranken aufgekündigt. Unter der Formulierung "mehr Eigenverantwortung der Kranken" versteht Seehofer mehr finanzielle Eigenbeteiligung der Kranken. Damit wird der Weg in die Zwei-Klassen-Gesellschaft geebnet. Nur die Wohlhabenden werden sich noch eine angemessene Pflege zu Hause leisten können.

Mechthild Tameling


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