Ausgabe 12/96 | Seite 5 | |||||
Ladenschluß als LadenschließerWer die neue Freiheit beim Einkaufen nutzen will, kann jetzt theoretisch wochentags bis 20 Uhr und samstags immerhin bis 16 Uhr durch die Geschäfte bummeln. Durch alle? Nein, so einfach ist das nun doch nicht. Ein Blick in die Innenstadt zeigt schnell, daß seit dem 1. November das Einkaufen eher komplizierter geworden ist: viele Geschäfte öffnen weiterhin "nur" bis 18.30 Uhr (einige ewiggestrige auch nur bis 18 Uhr), manche donnerstags und freitags bis 20 Uhr und nur wenige konsequent jeden Tag bis zur Tagesschau (wobei das durchaus wörtlich zu verstehen ist, da mensch teilweise 10 Minuten vor der angegeben Schließung rausgeschickt wird, um auch pünktlich zu Hause zu sein). Und dann gibt es noch ein paar ganz wackere Supermärkte, die das Maximum der Öffnungszeiten ausschöpfen, indem sie schon um 7 Uhr öffnen. Dies war allerdings schon vor der Gesetzesänderung möglich, läßt sich aber prima in die Werbekampagne einbauen. In der Innenstadt ist dagegen am Vormittag immer weniger zu holen: erst ab 9.30 Uhr oder gar 10 Uhr ist die Kundschaft in den meisten Geschäften willkommen. Ob sie sich dann erstmal noch mit dem Lieferverkehr herumschlagen muß, der bisher bis dahin abgeschlossen sein sollte, ist noch nicht klar.
Verwirrung für die KundenBei einer solchen Vielfalt im Angebot der Einkaufszeiten ist eine Verwirrung und zuweilen auch Verärgerung auf Seiten der Kundinnen und Kunden nur zu verständlich. Wer will sich schon auf einen geruhsamen, abendlichen Bummel durch die Fußgängerzone einlassen, wenn nur jedes vierte oder fünfte Geschäft geöffnet hat? Da kommt keine Freude auf und von einem Erlebnis für die ganze Familie braucht auch niemand zu reden. Wer auf Nummer sicher gehen will, der fährt lieber gleich an die Ränder der Stadt oder ganz auf die grüne Wiese: die großen Hallen der (auto-)verkehrsgünstig gelegenen Konsumparadiese haben bis acht Uhr abends geöffnet - garantiert! Über die Folgen einer solchen Abwanderung werden wir schon bald Klagen zu hören bekommen. Allein die durch die langen Öffnungszeiten lohnendere Fahrt auf's Lande hätte für eine schärfere Konkurrenz geführt. Mit der jetzigen Verwirrungstaktik wird dieser Effekt noch unnötig verstärkt. Wo bleibt eine einheitliche Regelung -auf welcher Basis auch immer?
Wer wollte die neuen Zeiten?Es stellt sich die Frage, warum es überhaupt zur Erweiterung der bisherigen Ladenschlußregelung gekommen ist. Wer waren die treibenden Kräfte in diese Richtung? Die wenigen, aber nicht unbedeutenden Großmärkte können es kaum allein durchgesetzt haben. Die Gewerkschaften waren schon von Anfang an dagegen, der Einzelhandel in der überwiegenden Mehrheit auch. Und eine große Bürgerbewegung zur Abschaffung der bevormundenden alten Regelung (Motto: "Ich will kaufen können, wann ich will!") hat es meines Wissens nie gegeben. Wie kommt dann die Politik dazu, das bisherige Gesetz zu ändern? Ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zum schlanken Staat (Stichwort Deregulierung) oder gar ein Stück Liberalisierung des Alltags als prinzipieller Wert? Noch zu Beginn der entscheidenden Phase haben die Oldenburger Bundestagsabgeordneten Herr Kossendey, Frau Kors und Herr Carstens (alle CDU) den lokalen Einzelhandelsverbänden zugesichert, die bisherige Gesetzeslage unverändert beizubehalten. Doch bei der Abstimmung war der Fraktionszwang (wieder mal) stärker als das Versprechen gegnüber dem Mittelstand. Herr Thoms vom Oldenburgischen Einzelhandelsverband nennt die Volksvertreter deshalb "Umfaller", deren Entscheidung "auf dem Buckel der Kleinbetriebe" lasten wird. Nur die großen Läden mit viel Personal schaffen es, durch Umverteilung der Arbeitszeiten ihres Personals ohne Neueinstellungen auszukommen. Oftmals genügen dazu die persönlichen Wünsche der Belegschaft, so daß kaum jemand zu mißliebigen Arbeitszeiten gezwungen wird. Da ein rasanter Anstieg des Konsums bisher nicht zu verzeichnen ist, sondern eher eine zeitliche Verteilung des bisherigen Umsatzes stattfindet, ist eine Verringerung der Personalpräsenz nur logisch. Kleine Betriebe haben kaum Möglichkeiten zur Verteilung ihres Personals auf verlängerte Öffnungszeiten. Um mit dem Angebot der anderen mithalten zu können, müßte schlichtweg mehr gearbeitet werden. Und das lohnt sich zur Zeit bestimmt nicht. Nur im Bereich sogenannter "Männerartikel" (Heimwerkbedarf, Lebensmittel) macht sich ein leichtes Wachstum bemerkbar. Aber woher sollten auch die Mittel für zusätzlichen Konsum angesichts steigender Arbeitslosigkeit und sinkendem Realverdienst kommen? Selbst ein Verzicht auf Urlaubsfahrten trifft zumindest zum Teil den lokalen Dienstleistungsmarkt. So spricht auch die Industrie- und Handelskammer von einer "unzureichenden Kauflust", die Bedenken am Sinn der langen Abende aufkommen läßt. Sie beschränkt sich bisher auf das Sammeln von Zeitungsanzeigen, um einen Überblick über die unterschiedlichen Regelungen zu bekommen (so gibt es zur Zeit in Edewecht noch gar keine Regelung: solange Kundschaft da ist, bleibt geöffnet). Auch später wird die IHK höchstens Empfehlungen aussprechen, da sie selbst in keinem direkten Bezug zu den Geschäften steht (Tarifpartner sind die Einzelhandelsverbände und die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen).
Angleichung erst nächstes JahrEbensowenig wie schon jetzt Bilanzen erstellt werden können, gibt es noch keine großangelegten Bestrebungen, die Ladenöffnungszeiten zu harmonisieren. Dies soll erst nächstes Jahr, nach dem Weihnachtstrubel, in's Auge gefasst werden. Worauf sich die Geschäfte dann verständigen, ist fraglich. Vielleicht setzt sich das Modell (kusiv halbe Woche wie bisher, halbe Woche lang) durch. Wir sind gespannt. Eines ist aber schon jetzt klar: von neuen Arbeitsplätzen im Verkaufssektor -einem der Hauptargumente für die Neuerung- redet niemand mehr. Vielleicht aber schon bald von einer Zunahme der Ladendiebstähle, da die Belegschaft weniger präsent ist. CH
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