Ausgabe 11/96 | Seite 13 | |||||
Gegen das militaristische »Heldengedenken«
auf dem Theodor-Tantzen-Platz
Am 17. November, dem sogenannten Volkstrauertag, werden alljährlich überall in der Bundesrepublik an Kriegerdenkmälern Kränze niedergelegt und Gedenkveranstaltungen abgehalten, um die auf deutscher Seite im 1. und 2. Weltkrieg gefallenen Soldaten zu ehren. So auch in Oldenburg, wo die zentrale Kranzniederlegung traditionell am Kriegerdenkmal auf dem Theodor-Tantzen-Platz (vor dem Gebäude der Bezirksregierung) stattfindet.
Ehrenhafte Taten deutscher Soldaten?
Dabei werden die Soldaten, die als Angehörige der deutschen Armee in bereits zwei Angriffskriegen von zuvor ungekanntem Ausmaß in diesem Jahrhundert Tod und Vernichtung über die überfallenen Länder brachten, als Helden und deren Tod als ehrenhafte Tat im Dienste des deutschen Volkes dargestellt und somit die Verbrechen des deutschen Militarismus geleugnet. Außerdem werden die Hintergründe und Ursachen von Kriegen allgemein ausgeblendet. Beide Weltkriege dienten dazu, dem deutschen Kapital Märkte und Einflußsphären zu sichern. Die Furcht vor der Kriegsgefahr, die ständig aus der aggressiven Konkurrenz der imperialistischen Mächte erwächst, führte beide Male nach Kriegsende zu Recht zur teilweisen oder totalen Entmilitatrisierung Deutschlands. Die Formel "Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen" war bis zur Wiederbewaffnung der BRD im Rahmen der Westintegration in der 50er Jahren die allgemeine anerkannte Lehre aus den Schrecken des 2. Weltkriegs. Dies sind unbequeme Wahrheiten, wenn das Militär eine immer größere Rolle in der Außenpolitik spielt, wie wir es in den Jahren seit der Wiedervereinigu ng Deutschlands erleben und diese Entwicklung der Öffentlichkeit schmackhaft gemacht werden soll. Bestens ersichtlich ist dies an den neuen "Out of Area"-Einsätzen der Bundeswehr, z.B. in Somalia oder dem ehemaligen Jugoslawien. Durch die vom Bundestag beschlossenen neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr, die dem Militär den Auftrag der Sicherung deutscher Wirtschaftsinteressen erteilen, wird dies möglich.
Heute Weltmachtallüren
Heute, da im herrschenden Diskurs wieder Weltmachtallüren den Ton angeben, ist es wichtiger als es zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik, daß Protest gegen den zunehmenden Militarismus laut wird. Auch in Oldenburg lassen sich Mitverantwortliche für den militaritsichen Kurs in der Politik benennen, wie z.B. der CDU-Bundestagsabgeordn ete Thomas Kossendey, der als Mitglied des Verteidigungsausschusses und Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe seinen Teil zu den Waffenlieferungen an die Türkei und die Unterstützung des blutigen Krieges gegen die KurdInnen beigetragen hat.
Wir rufen alle dazu auf...
...während der Kranzniederlegung am 17.11. vormittags vor der Bezirksregierung ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Es gilt, endlich wieder antimilitaristische Positionen in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir wollen symbolisch eine Straßenumbenennung vornehmen, um diesem Ziel näherzukommen. Der Straßenzug, der den Regierungsvorplatz streift, trägt die Namen Roon (preußischer Kriegsminister), Hindenburg (Generalfeldmarschall des 1. Weltkrieges und Mitglied der obersten Heeresleitung, ernannte später Hitler zum Reichskanzler) und Tirpitz ("Vater" der deutschen Flotte) und steht damit beispielhaft für die ungebrochene Kontinuität der Ehrung militärischer "Würdenträger". Anstelle dessen wollen wir den Namen Bernhard Kuhnts, des revolutionären Matrosen und ersten oldenburgischen Ministerpräsident en, setzen, der für eine Tradition des Widerstandes gegen den Militarismus steht.
Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne:5. November, 19 Uhr, im Haus der Jugend (Alexanderstr./Von-Finckh-Str.): Auf Einladung der SDAJ spricht der Bremer Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann. 17. November, 11.30 Uhr, Friedensplatz: Schweigekreis zum Gedenken an alle Opfer von Gewalt, Arbeitskreis Friedenswoche 17. November, vormittags, Theodor-Tantzen- Platz: Protest gegen die Kranzniederlegung 17. November, 20 Uhr, Altes Gymnasium: Textlesungen mit Helmut Donat (Ossietzky- Preisträger), Arbeitskr. Friedensw.
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