Ausgabe 6/96 | Seite 4 | |||||
Einschreibegebühren
oder wie StudentInnen zum Financier des Landeshaushalts mutieren
Die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Helga Schuchardt, plant die Einführung von Einschreibegebühren an nds. Hochschulen in Höhe von 100,_DM pro Semester. Dieses soll Anfang/Mitte Juli dem Kabinett zum Beschluß vorgelegt werden und zum Sommersemester 1997 in Kraft treten. Diese Gebühren stehen aber nicht adäquat zum Verwaltungsaufwand, der durch die Immatrikulation der Studierenden entsteht. Vielmehr entsteht die Gebühr vor dem Hintergrund des Haushaltsdefizits im Niedersächsischen Landtag. Denn aufgrund der Sparbeschlüsse, die der Ministerpräsident Gerhard Schröder allen Ressorts aufgezwungen hat, versucht die Ministerin für Wissenschaft und Kultur ihren Sparerfolg zu finanzieren. Von diesen von den Studierenden erbrachten Sonderabgaben - hinzukommen die weiter zu zahlenden Immatrikulationsgebühren in Höhe von 65 - 75 DM- fließen nur ca. 1/3 direkt den Hochschulen zu; mit dem Rest wird der gesamte niedersächsische Haushalt saniert. Neben Berlin wäre Niedersachsen dann das zweite Bundesland, das sich in einer avangardistischen Rolle eine solche Zwangsabgabe von den Studierenden verlangt. Der Schritt zur großen Schwester - der Studiengebühr, bei der Zwangsabgaben in Höhe von 1000,_DM pro Semester diskutiert werden - ist nicht mehr weit. Dieses ist umso unlogischer, weil ein erklärtes Ziel vieler Politiker, die Studienzeiten zu verkürzen, zwangsweise durch eine solche Gebühr entgegenwirken würde. Denn vor dem hintergrund einer ungesicherten Studienfinanzierung und der Zwangsabgabe in Form von Einschreibe-/Studiengebühren müßten viele Studenten, zumindestens solche, die nicht in einer goldenen Wiege lagen, mehr Zeit für zusätzliche Jobs investieren. - ...ungesicherte Studienfinanzierung...? Moment mal: Es gibt doch in Bonn einen Menschen, der sich in einem Elfenbeinturm namens ,Langer Eugen" intensiv um die Belange der Studierenden bemüht:
BAFöG-Modelle:a) Das Modell des Zukunftsministers Jürgen Rüttger In diesem Modell sieht Jürgen Rüttgers eine elternabhängige Auszahlung des BAFöGs in Höhe von z.Z. 1050,_DM vor, davon sind 50% nach der Ausbildung zurückzuzahlen. Das eigentlich Neue an diesem Modell ist, daß dieser 50%iger Darlehensteil zu marktüblichen Bedingungen verzinst wird (z.Z: wären das ca. 8,5%) Diese Zinsen würden anschließend in den Hochschulausbau fließen. Das Modell ist vom Kabinett abgesegnet und geht demnächst in die 2. und 3. Lesung des Bundestages.
Die Kritikpunkte sind überwiedend folgende:-Ein/e Student/in, der/die sein/ihr Studium voll über BAFöG finanziert, startet nicht nur hochverschuldetsein Berufsleben, sondern muß auch noch zudem jährliche Zinszahlungen leisten -Aus Angst vor der immensen Rückzahlungslast verzichten viele Menschen auf ein Studium, wenn ihnen zahlungsfähige Eltern fehlen, die statt des BAFöGs die Studiumfinanzierung übernehmen -Die ermittelten Gewinne aus der BAFöG-Verzinsung werden für den Hochschulausbau verwendet. Es kann aber nicht sozial gerechtfertigt sein, daß BAFöG-Empfänger den Hochschulausbau mitfinanzieren, während StudentInnen, da sie gutbetuchte Eltern haben, kein BAFöG bekommen, somit folgedessen kein Obolus zum Hochschulausbau beitragen. -Ein Mensch darf mit 18 Jahren die Mitglieder der politischen Gremien in Deutschland wählen und ist voll geschäftsfähig. Aber mit 25 Jahren ist er/sie noch von der finanziellen Situation der Eltern abhängig, hinsichtlich ob er/sie BAFöG erhält oder nicht
Neben der blanken Kritik am Rüttgers-Modell, gibt es auch konkrete Gegenvorschläge, die auch die Finanzierung der Studienfinzierung einbeziehen. Die bekanntesten sind:
b) Ausbildungskasse c) BAFF (Bundesausbildungsförderungsfonds) d) Drei-Körbe-Modell b) Die Ausbildungskasse Dieses Modell garatiert jede/m Student/in elternunabhängige Ausbildungsförderung. Die Gesamtförderung wird auf 72.000,_DM begrenzt, wobei jede/r Student/in die Wahl einer Fördrungshöchstdauer hat: bspw. 12 Semester und 1000,_DM pro Monat oder 15 Semester und 800,_DM pro Monat. Finaziert wird dieses Modell durch eine Ausbildungskasse, in die jede/r Geförderte nach dem Start in das Berufsleben einen gewissen Prozentsatz des Bruttoverdienst einbezahlt. Somit nimmt dieses Modell eine Verteilungsgerechtigkeit in Anspruch, da sie allen StudentInnen offen steht (elternunabhängig) und auch von späteren Nutznießern eines BAFöG-finanzierten Studiums finanziert werden. Denn warum soll ein Arbeiter mit seinen Steuerzahlung die akademische Ausbildung anderer mitfinanzieren?
Die Hauptkritikpunkte sind folgende:1. Es besteht die Möglichkeit, daß StudentInnen aus reichen Familien diese Studienfinanzierung nicht in Anspruch nehmen, da die Unterstützung der Eltern nicht zu einer lebenslangen Beitragszahlung verpflichtet. Da System würde somit nur von einigen Bedürftigen getragen werden. 2. Die Anfangsfinanzierung ist nicht gesichert bzw. bei den derzeitigen desolaten Bundeshaushaltszustand nicht denkbar. Anfangs müßte der Staat aber zuschießen, da es noch keine (genügend) geförderte berufstätige Akademiker gibt, die in die Ausbildungskasse einzahlen. c)BAFF (Bundesausbildungsförderungfonds) Dieses Modell basiert mit einigen Umwandlungen auf das Modell der Ausbildungskasse und wird von den Grünen preferiert. Bspw. soll die Beitragszahlungspflicht auf 25 Jahre begrenzt werden und andere Sozialleistungen (z.B. Wohngeld) können auch in Anspruch genommen werden. Die Kritikpunkte sind ähnlich wie bei der Ausbildungskasse. d)Das Drei-Stufen-Modell Dieses Modell wird preferiert vom Deutschen Studentenwerk. Die Förderung besteht aus drei Stufen: 1. Stufe (Sockelbetrag): Förderung in Höhe von ca. 400,_DM elternunabhängig und nicht rückzahlbar (Zuschuß). Finanziert wird diese Stufe aus den bisherigen ausbildungsbedingten Transferzahlungen 2.Stufe: elternabhängige Förderung in Höhe von max. 650,_DM je zur Hälfte als Darlehen und als Zuschuß 3.Stufe: familienunabhängige Ergänzungsförderung in Höhe von 200,_DM finanziert aus einem verzinslichen Darlehen, Stipendien oder zusätzliche Erwerbstätigkeit e)Das Drei-Körbe-Modell Dieses Modell wird preferiert von der Kultusmininisterkonferenz. Es ist ähnlich aufgebaut wie das Drei-Stufen-Modell, jedoch sind die Förderungsbeträge höher (1000,_DM), jedoch gäbe es keine Verlängerungsmöglichkeiten nach Ausschöpfung der Förderungshöchstdauer (7Jahre) wie z.B. eine Studienabschlußförderung.
Der AStA der Carl-von-Ossietzky Universität, getragen von den Listen Bündnisliste/JuSo HSG, Grüne HSG, PICARD, ...und draußen lagen die Igel, spricht sich gegen jegliche Art von Einschreibegebühren aus. Desweiteren setzt er sich ein für eine den studentischen Bedürfnissen entsprechenden Ausbildungsförderung. Deshalb lehnt der AStA das Modell von Jürgen Rüttgers strikt ab.
Frank Suntken Referent für Hochschulpolitik des AStAïs der C-v-O Uni Oldenburg
Aktueller Nachtrag: Am 13.6.96 einigten sich Bund und Länder im BAFöG-Streit. Es ist ein Kompromiß des Rüttgers- und des Drei-Körbe-Modells. Das BAFöG wird innerhalb der Regelstudienzeiten ohne Zinszahlungsverpflichtungen ausgezahlt. Aber die Regelstudienzeiten werden in vielen Fächern verkürzt. Das ist umso nachteiliger für die StutentInnen, da durch die nicht ausreichenden Bedarfssätze viele StudentInnen nebenbei noch Jobben müssen und somit zusätzliche Schwierigkeiten haben (neben schlecht strukturietem Fächerangebot) die Regelstudienzeiten einzuhalten.
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