Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/96      Seite 14
 
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Härter! Gemeiner!

Niedersachsens SPD beschließt neues Polizeigesetz.

Bislang galt in allen möglichen Rechtsangelegenheiten der Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention : "Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist." Das ist in Niedersachsen jetzt endgültig Vergangenheit. Die schon in vergangenen Zeiten gern genutzte Vorbeugehaft, bislang auf eine Höchstdauer von 48 Stunden begrenzt, wurde auf 4 Tage ausgedehnt. Auch ist es jetzt möglich, einer Person den Aufenthalt in einer Stadt zu verbieten. Nach Paragraph 17 Abs.2 des Entwurfes der SPD-Fraktion zum neuen Polizeigesetz: "...wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird"

Vor wenigen Tagen klassifizierte der Oldenburger Kriminaldirektor Hausenblas im "Oldenburger Bürger" (Mai 96, S.21) bereits die Angehörigkeit zur Menschensorte "Zigeuner" als kriminalitätsverdächtig, durch die neue Gesetzgebung wird wohl vor allem für Nichtseßhafte, Drogenabhängige, AusländerInnen, Punks, Obdachlose und "südländisch" aussehende Leute das Leben noch ein wenig schwerer werden. Unter entsprechenden Umständen kann es wohl auch für Autobenutzer gefährlich werden, einen Werkzeugkasten an Bord zu haben, wer weiß denn schon, was mensch mit einer Kombizange alles anzustellen gedenkt. Obendrein sollen Personen, die von polizeilichen Maßnahmen heimgesucht werden, entsprechend dafür auch Gebühren zahlen dürfen.

Ein Gespräch mit Rechtsanwalt Hans Henning Adler:

Stachel: Welche Auswirkungen sind von dem neuen Polizeigesetz zu erwarten?

H.H.A.: Das Polizeigesetz ist vor allen Dingen für politisch aktive Menschen gefährlich, das Recht auf Demonstrationsfreiheit wird dadurch erheblich eingeschränkt. Zum Beispiel können der Besitz eines Anglermessers oder das Tragen einer bunten Frisur bereits zu "vorbeugenden Maßnahmen" Anlaß geben. Wenn, wie kürzlich in Dortmund, am Ort eine Kurdistan-Demo stattfindet, kann einem bereits ein "südländisches" Aussehen zu einem polizeilichen Unterbindungsgewahrsam verhelfen.

Stachel: Bei den medienwirksam in die Hose gegangenen Chaostagen in Oldenburg wurden im letzten Sommer in Oldenburg wohnhafte Punks auf Verdacht des Ortes verwiesen. Diese Praxis wurde damals als nicht korrekt kritisiert.

H.H.A.: Das neue Polizeigesetz schafft da eine erhöhte Rechtssicherheit, nicht jedoch, um diese Maßnahmen zu begrenzen. Die Polizei wird das neue Gesetz als Aufforderung auffassen, diese Maßnahmen auszuweiten. Solche Eingriffe werden im Paragraph 17, Absatz 2 wie folgt präzisiert:

"Zur Verhütung von Straftaten können die Verwaltungsbehörden und die Polizei einer Person den Aufenthalt in einem Gemeindegebiet oder -gebietsteil untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung von Straftaten erforderlichen Umfang zu beschränken. Gegen eine Person, die in dem Gemeindegebiet oder dem -gebietsteil eine Wohnung hat, ist das Verbot unzulässig".

Dieses wurde eingefügt, um sogenannte Präventivmaßnahmen ausweiten zu können.

Stachel: Besteht da ein Bezug zu den Castortransporten?

H.H.A.: Ja, auf jeden Fall, schließlich soll die Castorhalle in Gorleben mit über 100 dieser hochradioaktiv strahlenden Behälter aufgefüllt werden. Zusätzlich ist das Gesetz ein Begleitmittel für den mit voller Kraft vorangetriebenen Sozialabbau. Es ist zu erwarten, daß die Menschen sich wehren, das Gesetz kann auch für die Gewerkschaften gefährlich werden. Gerhard Schröder boxt sowohl den Sozialabbau als auch das Polizeigesetz durch, das sagt doch viel aus. Es handelt sich bei dem Gesetz doch um einen Kniefall vor der CDU, die bislang die SPD immer als halbherzig bei der Durchsetzung dieser Angelegenheiten bezeichnet hat. Jetzt hat die niedersächsische SPD mit der vorbeugenden Verbannung sogar der Bayerischen CSU eins vorgemacht, damit stellt sie sich als eine knallharte Law & Order Partei heraus. Interessant ist auch, daß Personen, die Aufforderungen der Polizei ("Räumen sie den Platz!") nicht nachkommen, für die Zwangsräumung und daran gekoppelte Maßnahmen kräftig ins Portemonaie gegriffen werden soll, es werden nicht nur die durch z. B. einen Bulldozereinsatz entstehenden Kosten eingefordert, sondern auch Auslagen und Gebühren der Polizei. Mehrkosten der Polizei, die für das vorbeugende Einsperren von Personen entstehen werden, sollen durch die Gebühren für Polizeieinsätze wieder ausgeglichen werden, die SPD-Fraktion rechnet das offen gegeneinander auf.


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