Oldenburger STACHEL Nr. 247 / Ausgabe 4/05      Seite 2
 
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Um 160 Millionen betrogen

Die bisherigen Bescheide zum Alg II sind eine einzige Katastrophe. Nach bundesweit übereinstimmenden Einschätzungen aus der unabhängigen Erwerbslosenberatung dürften 90 Prozent der Bescheide fehlerhaft sein [1]. Zwischen 10 und 500 Euro fehlen bei der monatlichen Bewilligung, bei größeren Bedarfsgemeinschaften (BG) auch häufig mehr.

Eine Hochrechnung zu Gunsten der Leistungsträger mit einer Fehlerquote von nur 75 Prozent und einem durchschnittlichen Fehlbetrag je BG von nur 15 Euro ergibt, daß bis Anfang April bundesweit 160 Mio. Euro zu wenig an Alg II-Beziehende ausgezahlt wurde, allein in Oldenburg demnach 390.000 Euro.

Ein fehlerfreier Bescheid hat Seltenheitswert. Nach den ersten Erfahrungen mit Alg II-Bescheiden in unserer Sozialberatung im ALSO-Zentrum, bei der IG Metall, in Bloherfelde, Kreyenbrück und am Rennplatz wollten wir für den ersten richtigen Alg II-Bescheid schon einen fetten Blumenstrauß ausloben; vermutlich wäre er längst verwelkt...

Spätestens wenn neben Regelleistung und Unterkunftskosten eines einzelnen Erwachsenen noch der Bedarf von Partnern und Kindern, anzurechnendes Einkommen oder die Unterkunftskosten bei Wohneigentum zu berechnen sind, häufen sich die Fehler und Unklarheiten drastisch.

An "vorderster Front", in den unabhängigen Beratungsstellen, landen täglich Hunderte von falschen Bescheiden auf den Tischen. Alg II ist, selbst wenn korrekt berechnet, schon zu wenig zum Leben. Wenn von diesem wenigen Einkommen aber nochmals erhebliche Beträge vorenthalten werden, dann bedeutet dies eine wirtschaftliche Katastrophe für die Betroffenen.

Eine unabhängige Überprüfung aller bisherigen Bescheiden wäre dringend angesagt. Stattdessen zieht sich der Staat aus seiner Verantwortung und Fürsorgepflicht zurück. Die "Sozial"demokraten im Stadtrat von Oldenburg haben der ALSO vor zwei Jahren und die "Christ"demokraten im Land Niedersachsen zu Beginn dieses Jahres die finanzielle Unterstützung komplett gestrichen.

Alg II: Zu wenig ausgezahlte Leistungen

- Eine Überschlagsrechnung für bestimmte Fehlerquoten -

Bereich Zahl der BG Bei Fehlerquote Gesamter Fehlbetrag je Monat bei 15 Euro je BG Gesamter Fehlbetrag bis 1. April 2005
Bund 3,5 Mio. 75 % 39,38 Mio. 157,5 Mio. Euro
90 % 189,0 Mio. Euro
ARGE OL 8.614 75 % 47,25 Mio. 387.630,00 Euro
90 % 465.156,00 Euro

[1] Weiter Infos unter: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2005/ALG_II_Bescheidfehler.html

 

 
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