Oldenburger STACHEL Nr. 242 / Ausgabe 4/03      Seite 5
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

GATS: dann trüben Konzerne Dein Wässerchen!

Warum Öffentliche Dienstleistungen nicht der Gewinnmaximierung dienen sollen

In Oldenburg dürfte noch gut die Diskussion um die Privatisierung des Abwasserbereichs in Erinnerung sein: seinerzeit hat die Stadt entschieden, diesen Schritt nicht zu gehen und den Bereich dem OOWV zu übertragen. Weitere Privatisierungen, wie z.B. der Verkauf der GSG-Anteile oder anderer kommunaler Filet-Stücke, sind aber jederzeit denkbar.

Daß eine privatwirtschaftlich geführte Dienstleistung gesellschaftlich sinnvoller sei, kann vielfach nicht belegt werden: weder effizienter, noch kostengünstiger. Wie auch immer in Oldenburg und anderswo über die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen diskutiert wird, diese Diskussionen könnten demnächst überflüssig werden: Denn wenn das internationale GATS-Abkommen erweitert wird, dann besteht zukünftig der Zwang zur Marktöffnung und/oder zur Privatisierung bisher öffentlich geschützter Dienstleistungsbereiche.

Was ist das GATS?

Das GATS-Abkommen (General Agreement on Trade in Services = allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) ist 1995 im Rahmen der neugegründeten Welthandelsorganisation (WTO - World Trade Organisation) in Kraft getreten und soll nunmehr in einer aktuellen Verhandlungsrunde erweitert werden. Das Ziel des GATS ist die völlige Liberalisierung (=Deregulierung) und Öffnung der Märkte von Dienstleistungen einschließlich öffentlicher Dienste (Bildung, Wasser, Gesundheitswesen und weitere 150 Dienstleistungen) mit enormen Auswirkungen.

Für Deutschland führt die EU die Verhandlungen mit den 144 Mitgliedsstaaten der WTO, die bis Ende März 2003 ihre Angebote vorlegen sollte (aber bisher aufgrund eines Vetos u.a. aus Deutschland nicht konnte), für welche Dienstleistungsbereiche sämtliche Handelshemmnisse hierzulande beseitigt werden müssen.

Was besagen Liberalisierung, Deregulierung und Marktöffnung?

Jeder Staat muß

· einen uneingeschränkten Marktzugang ausländischer Anbieter herstellen (nationale Beschränkungen müssen aufgehoben werden),

· die Inländerbehandlung akzeptieren, d.h. ausländische Dienstleistungserbringer müssen in gleicher Weise behandelt werden wie einheimische,

· das Meistbegünstigungsprinzip gewährleisten und alle ausländischen Anbieter untereinander ebenfalls gleich behandeln,

· in Streitfällen die Beschlüsse und mögliche Strafmaßnahmen eines internationalen Streitschlichtungsorgans als bindend ohne Revisionsmöglichkeit akzeptieren.

Gefahren des GATS

Von den genannten Regelungen profitieren in erster Linie internationale Konzerne. Es müßten z. B. alle staatlichen Zuschüsse für öffentliche Dienstleistungen auch den privaten Anbietern gezahlt werden. Das fördert privates Gewinninteresse aber nicht die Qualität der Dienstleistungen (wie z.B. Bildung, Kultur, Wasserversorgung, Gesundheitswesen usw.). Das GATS ist ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag, der damit über nationaler Gesetzgebung steht. Wenn der uneingeschränkte Marktzugang einmal im GATS festgeschrieben ist, dann ist diese Liberalisierung faktisch unumkehrbar. Darüber hinaus wird in den GATS-Regelungen nicht beachtet, unter welchen Bedingungen ein Produkt oder eine Dienstleistung hergestellt wird. Umwelt-, sozial-, und gesundheitspolitische Regelungen sind prinzipiell Handelshemmnisse und müssen besonders begründet werden.

Ein Beispiel aus dem Handelsabkommen von Waren (GATT) verdeutlicht dies: Die EU erteilte aus gesundheits- und umweltpolitischen Gründen ein Importverbot von hormonbehandeltem Rindfleisch aus den USA in EU-Länder. Die USA klagte gegen dieses "Handelshemmnis" und bekam vor dem Streitschlichtungsorgan Recht: Die EU könne keine wissenschaftliche Beweise über die Gesundheitsschädlichkeit von hormonbelastetem Rindfleisch nachweisen. Die Beweislast liegt bei dem Angeklagten.

Für Oldenburg könnten somit bestimmte Auflagen, die seinerzeit noch bei der Übertragung des Abwasserbereichs an den OOWV gemacht wurden, z.B. die Stabilität der Abwasserpreise über einen gewissen Zeitraum hinweg, als handelshemmend eingestuft werden. Bei der Wasserversorgung können die Effekte der fragwürdigen Liberalisierungslogik besonders gut aufgezeigt werden: Unternehmen können Wasser sicherlich zu einem günstigeren Preis anbieten, wenn auf langfristig wirkende Bodenschutzmaßnahmen verzichtet werden. Denn So ist es kostengünstiger die Brunnen tiefer zu bohren, als aufwendig für eine Verminderung des Nitrateintrags durch die Landwirtschaft zu sorgen. Beispielsweise investiert der öffentlich-rechtliche Wasserversorger viel Geld in den Aufkauf von Flächen in Wasserschutzgebieten oder in den Betrieb eines ökologisch-orientierten Hofes, der als Beratungsbeispiel für die Landwirte dient. Diese Beratungs- und Vorsorgetätigkeit zur Vermindung des Nitrateintrags dienen des Erhalts der Wasserqualität, rentieren sich aber erst langfristig. Denn Nitrat versickert in einem recht langen Zeitraum im Boden, kommt irgendwann aber auch in der tiefsten Grundwasserschicht an. Wenn z.B. nach den Auflagen des GATS eine Ausschreibung der Wasserversorgung für zunächst 10 Jahren erfolgt, dann werden private Konzerne aus Kostengründen auf solch langfristig wirkende Maßnahmen verzichten und günstiger sein als öffentliche Anbieter. Die Berücksichtigung solcher umweltpolitischen Vorsorgemaßnahmen in den Ausschreibungen dürfte dagegen nicht möglich sein, weil sie laut GATS als handelshemmend und wettbewerbsverzerrend gewertet werden können. Damit setzt durch den Wettbewerb nach rein handelspolitischen Kriterien des GATS eine Abwärtsspirale der Qualitätsstandards bei bisher öffentlichen Dienstleistungen ein.

Das große Problem des GATS besteht zudem darin, daß diese nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, wenn sich eine Privatisierung oder Marktöffnung als Fehler herausstellt (wie beispielsweise die Privatisierung des britischen Bahnsystems).

Deswegen fordert ATTAC zusammen mit anderen Organisationen:

· Ein Stopp oder Moratorium der GATS-Verhandlungen muß erfolgen. Unsere Welt, besonders die öffentlichen Dienstleistungen sind keine beliebigen Waren!

· Die möglichen Auswirkungen der Dienstleistungsliberalisierung, gerade auf die armen Länder, auf Umwelt, KonsumentInnen und ArbeitnehmerInnen sowie die prinzipielle Gestaltungsfähigkeit der Politik, müssen umfassend untersucht werden.

· Statt einer einseitigen Liberalisierung der Dienste und dem Wegfall von Regulierungen müssen internationale Standards der Versorgung mit Wasser, Gesundheitsdiensten, Bildung etc. vereinbart werden.

· Die Öffentlichkeit muß über den bisherigen Verhandlungsverlauf umfassend hergestellt werden. Wir fordern die vollständige Transparenz und Offenlegung.

Uwe Kröcher

Die Attac Regionalgruppe Oldenburg arbeitet schwerpunktmäßig zum Thema GATS; http://www.attac.de/oldenburg

Kontakt: Uli Schachtschneider, Tel.: 0441/83307

Information zum GATS: Email: attac-ol@gmx.de, http://www.gats-kritik.de

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum