Schönes sauberes Oldenburg?
Bücherkarrenverbot als Spitze des Eisbergs
Pu Schröder schiebt seit viereinhalb Jahren seinen Antiquariatskarren
in die Innenstadt zum Brunneneck. Der Brunnen wurde in dieser Zeit
zwar kleiner, doch der Karren nur um so schöner. Aus der Sicht der
Stadtverwaltung ist Pu's fliegender Stand "schlicht durch die
Kontrolle gefallen". Das mag glauben, wer will. Denn immerhin stand
dieser mit steter Regelmäßigkeit an jedem Sonnabend mitten in der
Stadt. Glaubhafter ist, daß es zwar keine ausdrückliche Erlaubnis gab,
dieser kleine belebende Faktor der Innenstadtkultur bislang jedoch
niemanden störte.
Allumfassende
Saubermannaktion
Druck auf Minderheiten wird in der Innenstadt seit langen Jahren
gemacht. Drastisch ist das Vorgehen der Stadtoberen gegen solche
Menschen, die für DrogennutzerInnen gehalten werden. Die
Junkies und solche, die dafür gehalten werden, bekommen "einfach"
einen "Platzverweis". Wer dem nicht folgt, wandert auch schon mal in
den Knast. Das Mittel der Platzverweise wird in der jüngeren
Vergangenheit schon öfter mal eingesetzt, und mensch braucht auch
nicht unbedingt im Verdacht des Drogenhandels oder -konsums zu
stehen.
Von sich reden machte die Stadtverwaltung auch durch das blitzartige
Abräumen von Rädern am Bahnhof, die in den Augen einiger unkorrekt
angeschlossen waren. Kaum war die neue Fahrradstation am Südbahnhof
eröffnet - viele wußten noch gar nicht von diesem Sachverhalt - schon
gingen die Stadtleute mit dem Bolzenschneider ans Werk.
Die Bahn selbst geht ebenfalls massiv gegen alle Personen vor, von
denen sie vermutet, daß diese keine Geld einbringen bzw. auf den
Geldfluß mindernd wirken könnten. Ein Hausverbot wird dort bereits für
Kleinigkeiten ausgeschrieben, zu denen die DB mit eigener
Ausschilderung selbst ermuntert.
Die Universität nimmt derweil
an der Rasterfahndung teil. Auch erlaubt sie fahndenden Polizisten Zugriffe auf
ausländische Mitmenschen, nach denen gar nicht gefahndet
wurde. Das "Hausrecht" bedeutet hier für die Universität nicht, daß
die Unileitung der Polizei den Eingriff auf Unigelände untersagt,
sondern Zugriff nach der Veranstaltung - wenn das
meiste Publikum gegangen ist und die Aufregung nicht mehr so groß wird.
Privatisierte Steril-Stadt
Deshalb ist das Verbot für Pu Schröder's Bücherstand ein Zeichen der
Zeit. Mit dem neuen Oberbürgermeister (OB) kehren Schritt für Schritt
"andere Verhältnisse" in diese Stadt ein. Die Spatzen pfiffen es von
dem Dach, daß mit dem neuen OB die Koalition mit den "Grünen" nicht
aufrechterhalten bliebe. Gelegentlich verstehen die Menschen das, was
da kommen soll, nicht mehr. So soll es eine neue Sportarena geben,
obgleich die Stadt pleite sei. Deutlich wird hier, daß es nicht am
Geld mangelt, sondern es sich - mal wieder - um ein Verteilungsproblem
handelt. Mit allen politischen Gruppierungen war
ausgehandelt, daß es innerhalb des Innenstadtringes keine neuen
Parkplätze mehr geben soll. Die geplante Tiefgarage im
Burgstraßenviertel scheint nunmehr ständig zu wachsen. Die
Einbahnstraßenregelung wurde durch OB's Wort gekippt, bevor es
irgendwelche belastbaren Ergebnisse aus diesem Verkehrsversuch geben
konnte. "Oldenburg soll schöner
werden" - darunter verstehen einige Pappnasen versteinerte
Verhältnisse. Denen geht es nicht um quirliges Leben, sondern um neues
"schickes" Pflaster. Wir wissen: Genau da drunter liegt der
Strand. Doch von allein werden wir den nicht finden.
Gerold Korbus
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