Keinen Castor nach Gorleben -
und auch nicht anderswo
Im November wird die staatliche französische Cogema, Betreiberin der
"Wiederaufarbeitungs"anlage (WAA) in La Hague, wieder einen
Castor-Transport nach Gorleben auf die Reise schicken - den vierten
unter der rot-grünen Bundesregierung.
Als wahrscheinlichster Transporttermin wird unter erfahrenen
Kaffeesatz-AstrologInnen die Zeit vom 11.-13.11. gehandelt. (Kurz
davor oder danach wäre auch möglich, würde dem Apparat aber
zusätzliche Schwierigkeiten und Kosten bereiten.)
Diesmal sollen von den üblichen mehreren Zehntausend PolizistInnen
gleich zwölf Castorbehälter eskotiert werden. Wie das genau gehen
soll, ist noch nicht wirklich klar: mit zwei Zügen - oder mit einem,
der mit zwischen die über 100 Tonnnen schweren Castoren gekoppelten
Leerwaggons auf endlose Länge gestreckt wird, um speziell die Strecke
von Lüneburg nach Dannenberg zu schonen. Denn die ist schon länger
marode und durch die Elbe-Flut noch zusätzlich in Mitleidenschaft
gezogen worden.
Bundesweit wird wieder absoluter Ausnahmezustand herrschen mit
komplett außer Kraft gesetzten papierenen demokratischen Grundrechten
und abgesperrten Bahnstrecken. Das dürfte auch dringend nötig sein!
Nicht nur daß sie sonst der Widerstand der Anti-AKW-Bewegung
zurückschicken könnte. Die Castorbehälter würden realistische
Unfallszenarien (z.B. Abstürze in Täler oder Brände nach einem
Zusammenstoß mit einem Kesselzug) nicht überstehen - selbst wenn die
Gerüchte über massive Fälschungen in den Sicherheitsgutachten, die in
den letzten Monaten laut geworden sind, falsch wären. Wenn
Castorbehälter unter allen realistischen Umständen sicher sein
sollten, wären sie so schwer, daß sie nicht mehr zu transportieren
wären!
Warum also diese Transporte?
Trittin, oder wer auch immer gerade Umweltminister ist, wird wieder
von nationaler Verantwortung schwafeln. Das hat er schon vor drei
Jahren beim ersten rot-grünen Castor-Transport, mit dem er
gleichzeitig den Merkel'schen Transport-Stop beendete. Merkel hatte
die Transporte gestoppt, nachdem in Frankreich massive Verseuchungen
an der Außenseite der Behälter bekannt geworden waren. Diese entsteht
bei der Beladung der Behälter in den verseuchten Abklingbecken. Zwar
ist auch dieses Problem bis heute nicht wirklich gelöst. Aber ohne die
Transporte von La Hague nach Gorleben würde die "WAA" keine
verbrauchten Brennelemente mehr annehmen. In etlichen der 19 deutschen
AKW's wären die Abklingbecken voll gewesen, da jedes AKW jährlich
knapp 25-30% seiner ca. 200 Brennelemente auswechseln muß. Die AKW's
hätten abgeschaltet werden müssen. Diesen schnellen Ausstieg mußte
Trittin zum Gefallen der Atomindustrie verhindern.
Im Angesicht multinationaler Konzerne ist natürlich auch die nationale
Verantwortung eine Lüge: Seit langem gibt es gefestigte Verbindungen
z.B. zwischen der französischen Framatome und dem AKW-Bauer Siemens,
der Electriecité de France und dem AKW-Betreiber EnBW und der Cogema
und dem AKW-Betreiber RWE, dem größten bundesdeutschen Energiekonzern!
Das Märchen
von der "Wiederaufarbeitung"
Mit Wiederaufarbeitung hat eine "Wiederaufarbeitungs"anlage so wenig
zu tun, wie der gelbe Sack mit Recycling: Die Brennelemente werden
vielmehr zersägt und in kochender Säure aufgelöst, um Plutonium (Pu)
und die Uran-Isotope herauszutrennen. Gewonnen werden dabei aus den
Brennelementen 1% Plutonium und 1-3% des in den AKW's spaltbaren Uran
235. Gleichzeitig entsteht aber, weil alles, was längere Zeit mit
hochradioaktiven verbrauchten Brennelementen in Berührung kommt,
selbst radioaktiv wird, eine vielfache Menge zusätzlicher radioaktiver
Abfall. Da dieser überwiegend flüssig und gasförmig ist, kann er in
den entstehenden Mengen nicht aufgefangen werden. Also wird er,
hoffend, daß eine hinreichende Verdünnung seine Folgen schon
vertuschen wird, in die Umwelt abgegeben. So gibt die WAA La Hague
jährlich 230 Mio. Liter flüssige Abfälle ins Meer ab und die WAA
Sellafield jährlich 3 Mrd. Liter. In der Region um La Hague gibt es
eine ist die Leukämie-Rate um das dreifache erhöht, um Sellafield um
das zehnfache. Rund um Sellafield müssen weite Strandabschnitte wegen
der zu hohen Verseuchung gesperrt werden. Wildtiere, z.B. Tauben,
sind so extrem kontaminiert, daß WissenschaftlerInnen, die sie zur
Untersuchung in die Bundesrepublik mitbringen, mit Strafverfahren
wegen illegaler Einfuhr von radioaktiven Stoffen überzogen werden.
Warum gibt es dann überhaupt WAA's?
Gebaut wurden die WAA's ursprünglich aus zwei Gründen: Zum einen sind
sie ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Atombombe für den
jeweiligen Betreiberstaat. Genau deshalb wollte auch die
Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahren erst in Gorleben
und dann in Wackersdorf eine WAA bauen, bevor die Pläne dann vor dem
Hintergrund jahrelange massiver Proteste der Anti-Atom-Bewegung und
der neu aufkommenden Fiktion einer "europäischen Atomwaffe" gemeinsam
mit Frankreich und Großbritannien fallen gelassen wurden.
Zum anderen fürchtete man in den Siebzigern noch ähnlich wie beim
Erdöl, eines Tages den ausreichenden Zugriff auf möglicherweise knapp
werdende Uranvorräte zu verlieren. Da diese Annahme in keiner Hinsicht
zutraf, ist die Gewinnung von Uran 235 in WAA's bis heute ökonomisch
vollkommen sinnlos. Auch ist das aus den Brennelementen kommerzieller
AKW's gewonnene Plutonium für moderne Atomwaffen unbrauchbar, weil
durch die dafür zu lange Aufenthaltsdauer die falschen Pu-Isotopen
entstehen. Um überhaupt etwas damit anzufangen, wird es frischen
Brennelementen zur Leistungssteigerung beigemischt, obwohl diese
dadurch deutlich schwerer handhabbar werden: Pu ist um ein Vielfaches
giftiger als Uran.
Warum werden die WAA's dann mit deutscher Unterstützung weiter
betrieben?
Zum einen sind die WAA's in den strukturschwachen Regionen natürlich
die wichtigsten Arbeitgeber und Steuerzahler. Zum anderen lassen sich
im Windschatten der "zivilen" Atomwirtschaft militärische Projekte
natürlich hervorragend verstecken.
Für die deutsche Atomindustrie bedeuten die Verträge mit den Anlagen
in Frankreich und Großbritannien, daß die verbrauchten
hochradioaktiven Brennelemente erst einmal für Jahrzehnte vom Abfall
zum Wirtschaftsgut umdeklariert werden und aus dem Land und damit aus
dem Sinn geschafft werden können.
Letzter wesentlicher Grund ist, daß die Abnahmeverträge mit den WAA's
zusammen mit den Castor-Hallen in Gorleben und Ahaus juristisch als
ausreichender (von der deutschen Atomgesetzgebung verlangter)
Lagerungsnachweis gelten - für Atommüll, der ca. 1.000.000 Jahre
vollständig von der Biosphäre abgeschirmt werden muß!
Erst ab 2005 werden die WAA-Verträge (nach dem die Verseuchung durch
die WAA's in den letzten Jahren zu öffentlich geworden ist und die
Castor-Transporte zu den WAA's sich immer mehr zur Achillesferse der
Atom-Mafia werden) durch die kraftwerksnahen dezentralen Castor-Hallen
(geplante Lagerzeit 30-50 Jahre) ersetzt.
Was tun?
Natürlich gegen die etwa monatlich stattfindenden Castor-Transporte
protestieren und Widerstand leisten. Für Details wendet Euch bitte an
die örtlichen BI's, Anti-Atom-Gruppen und Infoläden oder schaut im
Internet nach.
Und die Gorleben-Castoren? Voraussichtlich am 9. November wird in
Lüneburg im Klarmanq-Park das Protest-Camp eröffnet, und in Gorleben
die Auftakt-Demo stattfinden. Aus vielen Städten werden Busse dorthin
fahren. Für die kommenden Tage wird es neben vielen privaten
Unterkünften in Dahlenburg eine Schlafplatzbörse und einen Info-Punkt,
bei Neu-Tramm ein Camp der BI und von X-1000, in Metzingen, Tollendorf
und Govelin ein 3-Dörfer-Camp und in Lünburg einen Info-Punkt,
Schlafplatzbörse und Großzelte zum pennen geben. In Lüneburg wird es
in den ganzen Tagen Kundgebungen, Aktionen und Blockaden geben. Am
10.11. werden sich an der Straßentransportstrecke diverse Dörfer aus
dem Wendland neugründen. X-1000 wird eine große Demo von Siemen oder
Dannenberg nach Klein-Gusborn geben, am 12.11. Blockaden der
ICE-Strecke und der Wendlandbahn geben und anschließend natürlich der
Straßentransportstrecke. Außerdem wird es bundesweit regionale
Aktionen geben.
Weitere Informationen bei der BI Lüchow-Dannenberg, bei den
lokalen Anti-Atom-Gruppen und im Internet z.B. unter www.indymedia.de,
www.wigatom.de, www.bi-luechow-dannenberg.de, www.bi-ahaus.de. Dort
gibt's auch noch weitere Link's.
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