Nr. 234 / Ausgabe 5/02 | Seite 1 | |||||
10. Ossietzky-Preis verliehen
an israelischen Friedensaktivisten Uri AvneryMit Uri Avnery hat die Jury für den Ossietzky-Preis (Dr. Klaus Bednarz, Kerstin Hensel, Prof.in Dr.in Jutta Limbach, Dr. Ernst Hinrichs und Prof. Dr. Hans Mommsen) eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Uri Avnery nahm den Preis "in tiefster Dankbarkeit an, den er als Ehrung aller Friedenskaktivistinnen und -aktivisten in Israel und Palästina betrachtet." Dank der Menschen geht auch an Rachel Avnery, die unter den Drohungen der Vertreter der Gewalt ebenso zu leiden hat wie der Preisträger und sich zusammen mit ihrem Mann für den Frieden engagiert. Während der verschiedenen Veranstaltungen in Oldenburg hob er die große Bedeutung der Medien und der hiermit verknüpften Preisverleihung hervor. Denn vermutlich wissen nur wenige, daß sowohl die palästinensische wie die israelische Friedensbwegung keinen Moment ruhten, seit die Gewalttaten das Tagesgeschehen bestimmen. Obwohl bei den vielen verschiedenen Aktivitäten der Friedensgruppe "Gush Shalom" immer die Medien dabei waren, wurde weder im Fernsehen noch im Radio etwas gesendet, noch wurden die Aktivitäten in den Printmedien gewürdigt. Doch durch die Preisverleihung besteht die Hoffnung, daß der Mantel des Schweigens etwas gelüftet wird. Solche Ignoranz kennen die Menschen von "Gush Shalom". 1982 traf sich Uri Avnery als erster Israeli zu einem Interview mit Jassir Arafat. Deshalb wurde er von der israelischen Staatsanwaltschaft vor Gericht gestellt. Auch auf der palästinensischen Seite gibt es Widerstand gegen solche Verständigungspolitik. Uri Avnery erkennt darin ein Prinzip: Wenn die Menschen keinen Kontakt miteinander haben, können sie die Gemeinsamkeiten nur schwer erkennen. Deshalb versuchen diejenigen, die an Gewalt glauben, die Beziehungen zwischen den Menschen zu zerstören und zu behindern. Uri Avnery sieht die Menschen im Nahen Osten derzeit in der Eskalation der Gewalt gefangen. Möglicherweise ist der Höhepunkt noch nicht erreicht. Es sei ein Irrtum, daß die Gewalt derzeit abebbe. Sharon sei eindeutig in seiner Politik: Er will auf keinen Fall einen palästinensischen Staat. Damit steht er allen friedlichen Lösungen im Weg. Und damit sei er ein schlechterer Politiker als alle bekannten, mit denen Verhandlungen möglich waren bzw. wären. Auch hat er einen rechtsgerichteten Politiker in die Regierung geholt, der von der Art eines gewissen Le Pen in Frankreich sei. Dabei ist die Jahrzehnte dauernde Besatzung ein schlimmer Verstoß gegen die Menschenwürde und -rechte. Eine Besetzung fremden Landes sei üblicherweise ein vorübergehender Zustand, bis der Krieg beendet ist. Wenn ein anderes Land durch einen Krieg in einen Staat einverleibt wird, werden die Menschen üblicherweise BürgerInnen desselben mit allen demokratischen Rechten. Israel jedoch wirkt seit langer Zeit willkürlich in Palästina. In der leider gebotenen Kürze dieser Zeilen möchte ich noch auf einen Punkt aus der schillernden Vielzahl der von Uri Avnery dargebotenen Aspekte hinweisen. Die EU hat einen Vertrag mit Israel, der Israel einen Status einräumt wie einem EU-Staat. Dieser Vertrag jedoch bezieht sich ausdrücklich einzig auf den Staat Israel und nicht auf die besetzten palästinensischen Gebiete. Doch Uri Avnery wies darauf hin, daß die EU wissentlich über 200 Millionen Euro für aus den besetzten Gebieten illegal eingeführten landwirtschaftlichen Produkten subventioniert. Dies sei in Kreisen der EU bekannt und Kritik darin würde unterdrückt. Dies ist eine Möglichkeit für Menschen in der EU aktiv zu werden. Nicht nur in diesem Zusammenhang kritisierte Uri Avnery die Passivität von Außenminister Fischer deutlich. Uri Avnery betont, daß der Frieden etwas kostet. Der Preis ist seit langem bekannt und in vielen Gesprächen seit Jahren ausgehandelt. Im wesentlichen ist dies die Anerkennung zweier Staaten in den Grenzen von 1967. Damit verzichten die Palästinenser auf 78 Prozent ihres früheren Staatsgebietes, denn lediglich 22 Prozent bleiben ihnen. Jerusalem wird Hauptstadt beider Staaten: Der westliche Teil geht an Israel, der östliche an Palästina. Der Tempelberg soll als Heilige Stätte für die Palästiner und die Klagemauer für die Israelis zur Verfügung stehen. Vor allen Dingen aber müssen die illegalen israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten aufgelöst werden. Uri Avnery führte hier an, daß manche dieser Siedlungen lediglich von 20 Familien bewohnt werden. Doch für jede dieser kleinen Siedlungen steht ein ganzes Batallion bereit. Das bedeutet, daß 1000 Elternpaare täglich um die Gesundheit ihrer Kinder bangen müssen. Dies ist ein unhaltbarer Zustand. Und bereits deshalb ist der Frieden, auch wenn er etwas kostet, deutlich preiswerter zu haben, als auch nur ein einziger weiterer Tag Krieg. Uri Avnery sieht optimistisch in die Zukunft. Auch wenn es Rückschläge gegeben hat, ist doch die Entwicklung vorangegangen. Während vor einigen Jahren noch niemand von einem paläatinensischen Staat sprach, ist dies heute für die Weltöffentlichkeit selbstverständlich. Auch wenn möglicherweise die Gewalt noch weiter zunehmen wird, setzt er auf die Vernunft der Menschen. Gerold Korbus Weitere Informationen: Die Friedensgruppe Gush-Shalom ist im WorldWideWeb über die Adresse http://www.gush-shalom.org zu erreichen. Dort ist auch ein Entwurf eine Friedensvertrages abzurufen. Vgl. auch Oldenburger STACHEL Nr. 233: "Nah-Ost: Endlich die UN-Resolutionen umsetzen"
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