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20 Jahre STACHEL - ein Grund zum Feiern?
Mai 1982: Vor 20 Jahren erschien die erste Ausgabe des Oldenburger
STACHEL. Damals hätte es sich wohl niemand träumen lassen, daß es zwanzig
Jahre später STACHEL-Redaktionsmitglieder geben würde, die sich
versuchen zurückzuerinnern, während sie mit Hochdruck beschäftigt
sind, einen guten 235. STACHEL, den Jubiläumsstachel, zu
produzieren. (Ja, liebe Leserin, lieber Leser - im STACHEL-Kopf steht
234. Wer herausfindet, ob und wenn ja, wann wir uns verzählt haben,
und ob wir richtig gerechnet haben, der oder die hat einen echten
Sonderpreis verdient. - der Autor)
Wie kam es zum STACHEL?
Antwort darauf finden wir auf der ersten
inhaltlichen Seite im Editorial, im "Ersten
Stich":
Damals, 1982, kamen viele Stadtzeitungen auf den Markt und auch die
hiesigen großen Verlage trafen Vorbereitungen, diese Niesche für sich zu
besetzen. In Oldenburg gab es zu jener Zeit Bestrebungen, die vielen
fortschrittlich denkenden Gruppen in einem Wahlbündnis zur
Kommunalwahl unter einen Hut zu bringen, was zunächst einmal
scheiterte. "Das ist natürlich kein Grund, es nicht wieder zu
anzustreben.", war im "ersten Stich" zu lesen. Und weiter: "Der STACHEL
erscheint uns als ein Mittel, in dieser Richtung voranzukommen, indem
darin zunächst Informationen über die verschiedenen Initiativen
verbreitet werden. Wenn das einigermaßen funktioniert, kann sich der
STACHEL auch zu einem Diskussionsforum weiterentwickeln." Das dachten
die MacherInnen von damals. Sie wollten nicht abwarten, bis die NWZ
ein "alternatives" Blatt herausgibt, welches dann keines ist und auch
niemandem nützen würde und wohl auch die Möglichkeiten verschlossen hätte,
noch ein Projekt wie den STACHEL mit Erfolg zu starten.
Ein "alternatives Stadtmagazin" - was bedeutet "alternativ"?
Die Antwort gibt ebenfalls "Der erste Stich": "Wir verstehen uns als
alternative Presse. Alternativ, weil wir nicht reich sind, weil wir
mit einer solchen Zeitung nicht reich werden können, und vor allem,
weil wir mit der Zeitung nicht reich werden wollen. Alternativ, weil
wir den redaktionellen Teil der Zeitung nicht als Hilfsmittel zum
Ranschaffen von Anzeigen betrachten.
Wir gehen nicht davon aus, daß wir auch nur ansatzweise der
Sammelpunkt für alle fortschrittlichen Leute in Oldenburg sein
könnten. Aber wir können den zahlrichen politischen Initiativen in
Oldenburg als Diskussionsforum dienen."
Anspruch und Wirklichkeit
Hohe Ansprüche können oftmals nicht so umgesetzt werden, wie
ursprünglich gedacht, und wahrscheinlich müßte an dieser Stelle eine
ausgiebige Diskussion darüber mit den ErfinderInnen und den LeserInnen
des STACHEL folgen, um viele Antworten auf die Frage zu bekommen, ob
der STACHEL seinem Anspruch gerecht wurde und nach 20 Jahren noch
gerecht wird, oder nicht. (Aber, aber, wer wird denn so bescheiden sein?
Ich denke allein an die Spitze von Klaus Dede "Ich würde ja gerne SPD
wählen", in der er sich als aufrechter Sozialdemokrat "enttarnte" (outete)
und zu dem Schluß kam, deshalb nur noch Grün wählen zu können. Es gab eine
intensive Diskussion im STACHEL über mehrere Ausgaben. Klaus Dede hat
mittlerweile allerdings auch deutlichen Abstand von der "grünen" Partei
gewonnen. D. LektorIn)
Beim Blättern in den alten Ausgaben, merkt man jedoch, welche
Ansprüche und Ziele hinter dem Projekt stehen. In jeder Ausgabe finden
sich Selbstdarstellungen und Vorstellungen von Initiativen, Vereinen
und Gruppen. In den 90er Jahren hatten wir für Selbstdarstellungen
eine eigene Rubrik eingeführt, die sogenannte "Seite für
Initiativen"/"BI-Seite". Auch wenn wir heute nicht mehr immer den
BI-Seiten-Kopf abdrucken, ist diese Art von Beiträgen keineswegs
verschwunden.
Und so begann es auch: Gleich unter dem "Ersten Stich"
finden wir eine Notiz über ein VHS-Seminar und den Treffpunkt der damals
neugegründeten "Arbeitslosenselbstorganisation in Oldenburg",
heute besser als ALSO bekannt. Auf der nächsten Seite wird über die
Gründung der Bürgerinitiative Johannisstraße berichtet. Ihr Ziel war
der Erhalt des Johannisviertels (Ziegelhofviertel), das die Stadt
zugunsten von Neubauten plattmachen wollte.
Politische und gesellschaftliche
Brisanz
So wurden umstrittene Themen aufgegriffen, wie der Bau der Nordtangente (A
293), Abriß der Glashüttensiedlung, Bau der Universität Wechloy, Erhalt der
Haarenniederung, Pekol-Verkauf an die EWE (VWG), Benzteststrecke in
Papenburg, Oldenburger Stern, um nur einige wenige Themen zu nennen.
Natürlich stand viel über die Friedens- und Umweltbewegung und die deutsche
Atompolitik im STACHEL zu lesen. Zu den militärischen Anlagen in Weser-Ems
gab es einen Sonder-STACHEL, der so gut bei den LeserInnen Interesse auf
Interesse stieß, daß eine zweite Auflage gedruckt wurde. Auch gab es einen
Bildband zur Friedenswoche 1983.
Der STACHEL trug seinen bescheidenen Anteil dazu bei, daß die L65
durch die Bornhorster Wiesen nicht gebaut wurde. Von den Jüngeren wird
sich vielleicht mancher wundern, weshalb die Schnellstraße in Richtung
Brake plötzlich aufhört ... Auch zu diesem Thema gab es einen Sonderdruck.
Der STACHEL brachte Auszüge aus dem Buch "Der Rathausplünderer" und
dokumentierte den Streit um das Verbot des Buches, in dem Teilnehmer
eines Uni-Seminars beschreiben wollten, wie die Lokalpolitiker hinter
verschlossenen Türen arbeiten ... Das brachte erfolglose Strafandrohungen in
Höhe von 1.500.000 DM allein für die STACHEL-HerausgeberInnen ein. Und noch
ein Sonderdruck erschien, damit die Menschen in Oldenburg zumindest ein
wenig von den Gründen erfahren konnten, warum die Wahrheit nicht gedruckt
werden darf.
Einige herbe Niederlagen konnte auch ein STACHEL nicht verhindern. So
wurden im Jahre 1989 unter Polizeischutz vor den Augen aufgebrachter
AnwohnerInnen die schönen großen Eichen an der Ammerländer Heerstraße
abgesägt, um einer autofreundlichen Betonunterführung unter die
Eisenbahn Platz zu machen. Wie sinnlos dieser teure Akt war (außer für die
Baulöwen), ist heute noch - 13 Jahre danach - deutlich zu sehen. Die
Autoschlangen wurden nicht kürzer, sondern länger. Was niemanden wundern
sollte: Das Ampelrot ist halt länger als die Schranken geschlossen waren.
Wer seine alten STACHEL-Hefte von damals noch hat, sollte
sie in einer ruhigen Minute einmal durchblättern, denn so wird ein
Stück Vergangenheit wieder zur lebendig.
Der STACHEL im Wandel der Zeit
Niederlagen gab es nicht nur auf politischer Ebene, auch organisatorisch. Im
"ersten Stich" hieß es: "Noch ein Wort zur Art und Weise, wie wir den
STACHEL erstellen wollen: Unter alternativer Presse verstehen wir nicht, daß
die notwendige Arbeit schlecht oder gar nicht bezahlt wird, daß das
Erscheinen der Zeitung ausschließlich vom Idealismus und der Laune der daran
Beteiligten abhängt. Daß wir Arbeit möglichst ordentlich bezahlen wollen,
daß wir den STACHEL verbindlich, pünktlich und auf möglichst gutem Niveau
erscheinen lassen wollen, daß wir die Schrift setzen lassen wollen, damit
sie gut lesbar ist, daß wir uns beim Layout einige Mühe machen wollen, das
alles wird man uns kaum übelnehmen." Mit anderen Worten: Der STACHEL lebt
seit jeher vom Engagement der STACHEL-MacherInnen. Die Arbeit wurde schlecht
und wird gar nicht bezahlt. Bis auf die Menschen in der Druckerei PlakatIv,
Kirchhatten, die bis auf eine Ausgabe alle Exemplare des STACHEL gedruckt
haben.
Bis September 1988 war ein zunächst 52- und ein Jahr lang ein
36seitiges STACHEL-Heft, das eine bunte Titelseite hatte, am Kiosk
für 2 DM zu kaufen. Mit dabei war stets ein umfangreicher
Veranstaltungskalender mit Kulturteil. Ende 1988 war es aus
Personalmangel nicht mehr leistbar, den STACHEL in diesem Umfang
monatlich erscheinen zu lassen. Auch warf der Pressevertrieb kaum
Einnahmen ab. So entschieden wir uns, das Heft auf eine kostenlose
achtseitige Ausgabe zu beschränken, etwa in dem Erscheinungsbild, wie
wir es heute kennen. Durch das ganze Jahr 1989 hindurch erschien der
STACHEL achtseitig vierzehntägig. Dann gab es erneute Personalprobleme
und im Februar konnte dann die erste Ausgabe (es war die Nummer 101)
in der heutigen Form erscheinen. Fortan gab es 11 Hefte pro Jahr,
sechzehn (selten 20) Seiten stark.
Technischer Fortschritt
Auch das Schriftbild änderte sich - anfangs wurde der STACHEL in eine
professionelle Setzerei gegeben, die Satzfahnen zurücklieferte.
Diese wurden auf dem selbstgebauten Leuchttisch zum Layout geklebt.
Irgendwann in den 80ern übernahm der STACHEL diese Arbeit
selbst, nachdem er sich zunächst eins, später ein zweites
Fotosatzgerät mit Entwicklungsgerätschaften zulegte. Erst im Februar
1994 machten wir den Umstieg auf einen Satz-PC (ein 386er mit
PageMaker 5.0). Im Zuge dieser Neuerungen änderten wir ein wenig das
Erscheinungsbild - die heutigen Logos "Was ist los in Oldenburg und
umzu", "kurz berichtet" etc. kamen. Obwohl wir technisch ein
sogenannten Ganzseiten-Layout am Rechner erstellen konnten, haben wir
bis heute die Satzfahnen und unseren feinen Leuchttisch beibehalten,
denn wir wollen zugangsoffen auch für alle diejenigen sein, die nicht
alles am Computer machen wollen oder können. Außerdem kann man
leichter Handzeichnungen und Anzeigen einbringen. Die Arbeit läßt sich
besser verteilen, zumal wir damals nur einen PC hatten. Heute setzen
wir Artikel und KurzBerichtet mit LaTeX, Termine und Radiotips werden
in Kürze folgen.
STACHEL und Internet
Vor acht Jahren, im Mai 1994, ging die erste STACHEL-Ausgabe im WorldWideWeb
- WWW -
online (wir waren noch vor dem Spiegel, der gemeinhin als "Erster"
gilt, im Netz). Zuvor - seit 1992 - waren unsere Artikel im ComLink,
dem Netzwerk für gesellschaftlich und politisch arbeitende Gruppen, zu
lesen.
Wichtig ist uns, daß wir mit der Online-Ausgabe den vielen
gesellschaftlich arbeitenden Projekten und interessierten
Einzelpersonen, die Informationen und Ansprechpartner suchen, bei
ihrer Suche helfen können. Über das Internet lassen sich Oldenburger
und die anderen aufgegriffenen Themen weltweit publizieren. Viele
ehemalige Oldenburger, die nun nicht mehr monatlich Ihr persönliches
Exemplar bekommen können, freuen sich zudem über die monatliche
Online-Ausgabe. Sie erfüllt außerdem eine wichtige
Archiv-Funktion. Wer frühere STACHEL-Artikel nachlesen möchte, muß -
ohne Netz - zur STACHEL-Redaktion kommen, um in alten Ausgaben zu
blättern. Mit Netz reichen wenige Klicks, um sich eine alte Ausgabe
auf den Schirm zu holen.
Den STACHEL hingegen ausschließlich online anzubieten, wäre zwar
billig, aber es wäre auch eine negative Entwicklung. Der STACHEL wäre nicht mehr
in der Stadt präsent, die kommunal- und regionalpolitische Wirkung würde
drastisch sinken. Zudem gibt es im WWW mittlerweile zahlreiche Dienste wie
z.B. www.nadir.org oder germany.indymedia.org. Auch das Netzwerk ComLink
existiert weiterhin. Politische Informationen gibt es genug. Von den vielen
Stadtzeitungen hingegen, die mit dem STACHEL vergleichbar waren, sind die
meisten eingegangen. Es gab aber auch einige Neugründungen in den
vergangenen Jahren. In der Region Oldenburg z.B. den "Gegenwind" in
Wilhelmshaven.
Und die LeserInnen möchten blättern, beim Lesen Tee trinken,
Artikel ausschneiden, archivieren, Randbemerkungen machen, Seiten
herausreißen oder ... - es gibt viele Gründe, eine Zeitung zu drucken.
"Zu den Anzeigen ...
... sei noch gesagt: (aus dem ersten Stich) "Wir nehmen fast alles, was wir
bekommen können - wiederum ausgenommen z.B. die Faschisten und das Tabu in
Wardenburg (das gibt's nun nicht mehr, d. LektorIn), aber Einfluß auf
die Redaktion billigen wir keinem Inserenten zu. Wem die Zeitung nicht paßt,
der kann bei uns inserieren, wenn er zahlt, aber er kann es auch sein
lassen, wir werden ihm nicht nachweinen. Mit den Lesern der Zeitung ist das
schon anders: Ihnen billigen wir ausdrücklich Einfluß auf die Zeitung zu,
was sich - hoffentlich - z.B. an vielen Leserbriefen zeigen wird."
Offene Zeitung
"Wer uns bei der Herausgabe unterstützen will, den fordern wir auf,
uns Informationen jeglicher Art zu geben, den STACHEL zu kaufen, am
besten gleich für ein Jahr zu abonieren, uns weiterzuempfehlen und,
sofern er Lust hat, bei uns mitzuarbeiten."
Was die Autoren von damals allenfalls ahnen konnten: Das "bei uns
mitzuarbeiten" kann mitunter einen Riesenspaß machen. Über weite Zeiträume
glichen die Produktionswochenenden eher Feten.
Erinnert sei an die Ratsitzungen in den achtziger Jahren, wo die
STACHEL-MitarbeiterInnen Strichlisten führten, wie oft der Name "STACHEL" fiel.
(Später fiel diese willkommene Werbung fort: Die Mehrheitsfraktionen
einigten sich auf die Formulierung: "Wie in einem Magazin aus Oldenburg zu
lesen stand ...")
Erinnert sei an den Tag, als zwei Redakteure mit einer Schulpraktikantin bei
dem Fototermin zur Verleihung einer Uhr zur 650-Jahr-Feier an
Oberstadtdirektor Wandscher teilnehmen wollten - dort war man so
verunsichert, daß vergessen wurde, den Dreien Kaffee und Kuchen anzubieten.
Stattdessen wurde immer wieder beteuert, daß wirklich alles mit rechten
Dingen zugehe... Erinnert sei an die vielen kleinen Erfolge, etwas
herausbekommen zu haben, was eigentlich nicht für STACHEL-Ohren gedacht war
... Erinnert sei an die vielen unerwarteten Reaktionen von offizieller
Seite, womit sie sich selbst disqualifizierten...
STACHEL machen heißt: Arbeit und mitunter auch Streß, die durch
Erfahrungsgewinn, kleine persönliche und gesellschaftliche Erfolge und
viele lustige Begebenheiten mehr als ausgeglichen werden.
muh
Quelle: "Der erste Stich", Oldenburger STACHEL 5/82, Nr. 1,
S. 4; und alle nachfolgenden Ausgaben.
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