Nr. 234 / Ausgabe 5/02 | Seite 14 | |||||
Protest derjenigen, die behindert werdenIm Rahmen des »Europäischen Protesttages zur Gleichstellung« der Menschen, die behindert werden, fanden zum dritten Mal dieses Jahr in Oldenburg Aktionen statt. Am 3. Mai gab es am Brunneneck während des ganzen Tages Infostände und nachmittags eine Demo mit etwa 300 TeilnehmerInnen zum Rathaus und zurück. Die Demo zeigte eindrucksvoll die Vielfalt der Menschen, die behindert werden oder anders ausgedrückt, der nicht in die Norm der Gesellschaft zwängbaren Menschen. Der Mut, mit denen sie zu ihrem Anderssein stehen und sich trauen, ihre Rechte einzufordern, ist erfrischend. Und es ist zu hoffen, daß ihr Selbstvertrauen auf andere - "behindert" oder nicht - ansteckend wirkt. Eingebettet war der Aktionstag in ein umfassendes, über mehrere Tage laufendes Kulturprogramm mit Partys, Theateraufführungen und Bandauftritten. Inhaltlicher Schwerpunkt war der Oldenburger Forderungskatalog zur Gleichstellung "Behinderter", der im Rahmen der Demonstation an die Rathaustür genagelt wurde. Kernthema des Kataloges ist die Umsetzung des am 1. Mai diesen Jahres in Kraft getretene »Gesetz zur Gleichstellung Behinderter« auf Stadtebene. Dies betrifft vor allem die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raumes sowie der privaten und beruflichen Lebensbereiche der Behinderten.
BarrierefreiheitDenn seit dem 1. Mai ist die weitgehend barrierefreie Gestaltung eines großen Teils des öffentlichen Raumes gesetzlich verankert. Dies ist ein wichtiger Schritt, da nach Angaben der Bundesregierung zur Zeit 6,6 Mio. schwerbehinderte Menschen in Deutschland leben, also etwa 8 Prozent der Bevölkerung schwerbehindert sind, und damit von vielen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen. Das neue Gesetz sieht neben der Beseitigung räumlicher Barrieren (die vor allem RollifahrerInnen und Gehbehinderte betreffen) auch die Beseitigung optischer Barrieren (die Sehbehinderte betreffen) und akustischer Barrieren (die Gehörlose oder Schwerhörige betreffen) vor. So müssen beispielsweise zukünftig neue Gebäude des Bundes barrierefrei sein; Busse, Bahnen und Gaststätten sollen (!) es immerhin sein. Die Internetseiten des Bundes sollen durch textunterlegte Benutzeroberflächen zugänglicher für Sehbehinderte und Blinde werden. Durch Formulare und Wahlscheine in Blindenschrift sollen Blinden der selbstständige Umgang mit Behörden und die selbstständige Teilnahme an Wahlen ermöglicht werden. (Das Recht auf geheime Stimmabgabe gilt nun also endlich auch für Blinde.) Und Gehörlose und Schwerhörige erhalten das Recht mit Bundesbehörden in Gebärdensprache zu kommunizieren. Was z.B. auch heißt, daß Gehörlose, die vor Gericht stehen, ab jetzt Anrecht auf einen Gebärdendolmetscher haben.
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