Oldenburger STACHEL Nr. 234 / Ausgabe 5/02      Seite 7
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Keine Abschaffung der Arbeitslosenhilfe!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde!

Verhindert mit uns zusammen, daß Schröder durchsetzt, was Kohl gegen Gewerkschaften und sozialdemokratische Opposition in 16 Jahren nicht geschafft hat: Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe!

Die Jagdsaison vor den Bundestagswahlen ist eröffnet: Mal wieder scheinen Arbeitslose mit ihrem angeblich so hohen Einkommen und ihrem an den Stammtischen bewiesenen Faulenzertum das geeignete Freiwild zu sein. Nicht nur der frisch gebackene zackige Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster möchte den Druck auf Arbeitslose erhöhen. Nach seinen Plänen würde die Bezugsdauer vom Arbeitslosengeld für Ältere verkürzt und das Arbeitslosengeld würde innerhalb eines Jahres schrittweise auf Sozialhilfeniveau abgesenkt werden. Die Arbeitslosenhilfe, obwohl niedriger als das Arbeitslosengeld, kommt in seinen Vorstellungen erst gar nicht mehr vor. Da ist er in bester Gesellschaft: Mal steht die Arbeitslosenhilfe bei der Bundesregierung auf der Abschußliste; dann wird wieder alles dementiert.

Aber bis 2004 soll die "große Reform" der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe abgeschlossen sein, versprach Schröder den Unternehmern auf einem Kongreß der Deutschen Industrie- und Handelskammer im Februar.

Sozialhilfe statt Arbeitslosenhilfe
nach 1 Jahr Arbeitslosigkeit

Arbeitslose bis 45 Jahre erhalten z.Z. maximal 1 Jahr Arbeitslosengeld, auch wenn sie 25 Jahre lang gearbeitet und eingezahlt haben. Danach haben sie zur Zeit noch einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, die niedriger ist und bei der schon schwere Zugangsbarrieren zu überwinden sind. Diese Arbeitslosenhilfe soll, so die Pläne, gestrichen werden.

a) Arbeitslose müssen dann Rücklagen für das Alter, z.B. kleine Lebensversicherungen, auflösen und verbrauchen.

b) Arbeitslose müssen dann ihr Auto verkaufen. Sie dürfen nur eine Rostbeule im Wert von max. 1278 Euro besitzen.

c) Arbeitslose müssen dann damit rechnen, daß ihre Eltern oder volljährigen Kinder die Sozialhilfe an das Sozialamt zurückzahlen müssen, denn das Sozialamt verzichtet nicht auf deren Heranziehung.

d) Arbeitslose müssen dann in den billigsten Wohnungen des Ortes leben, ansonsten fordert das Sozialamt zum Umzug auf.

e) Arbeitslose müssen dann mit 286 Euro im Monat auskommen, wenn sie alleinstehend sind. Damit sollen alle Kosten gedeckt sein für: Ernährung, Strom und Warmwasser, Telefon, Busfahrkarten, Bankgebühren, Tageszeitung, Hygiene- und Körperpflegeartikel, Sportvereinsbeitrag, Bahnfahrkarten, Putzmittel, Anschaffung kleiner Haushaltsgegenstände, Friseur, Kneipen- und Kinobesuche, Geburtstagsgeschenke und -feier, Fahrradreparaturen und Genußmittel

Arbeitslose und deren Familien sollen in die Sozialhilfe gedrängt werden. Armut, Niedriglohnjobs und ungeschützte Beschäftigung sollen zur Normalität werden. Dies betrifft ebenso die Noch- Erwerbstätigen, die in Zukunft arbeitslos werden können.

Genau, krakeelt da auch ein Herr Effenberg in München, die Stütze für Arbeitslose müsse auf ein Minimum herabgesetzt werden. Denn: "Viele können offensichtlich von Arbeitslosengeld so gut leben, daß sie keine Lust haben, morgens früh aufzustehen und bis in die Abendstunden zu buckeln..." Herr Effenberg hat markige Sprüche gegen Arbeitslose auf Lager, die für ihn Drückeberger und Absahner sind. Dafür hat er Schelte bekommen. Aber letztendlich verhalten sich alle politisch gewählten und alle selbst ernannten Wortführer der Jagdgesellschaft im Ergebnis gleich: Alle schüren und bedienen das weit verbreitete Vorurteil, daß es den Arbeitslosen zu gut geht und daß nicht genug Druck auf Arbeitslose von den Ämtern ausgeübt wird.

Das Ziel dieser Treibjagd lautet: Arbeitslose sollen auch Jobs annehmen müssen, von deren Bezahlung niemand leben kann und deren Arbeitsbedingungen weit hinter denen der Normalbeschäftigten liegen. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe wäre der schwerste und folgenreichste Einschnitt in das bundesdeutsche Wirtschafts- und Sozialsystem seit vielen Jahren. Die dadurch sinkende Kaufkraft der Bevölkerung bringt große finanzielle Einbußen für den wirtschaftlichen Klein- und Mittelstand vor Ort. Auf die Arbeitseinkommen und Arbeitsbedingungen der Erwerbstätigen wird durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ein großer Druck ausgeübt.

Aber, wer in Deutschland einen Platz auf einem Hochsitz ergattert hat und auf der Gewinnerseite steht, scheint sich trotz oder sogar wegen all dieser Folgen bemüßigt zu fühlen, Jagd auf Arbeitslose und ihre vermeintlich satten Waidgründe zu machen:

Stoppt dieses grassierende Jagdfieber! Hände weg von der Arbeitslosenhilfe! Keinen weiteren Abbau von sozialen Leistungen!

Rainer Müller

für die Arbeitsloseninitiative im

Arbeitslosenzentrum Brake

Hafenstraße 2 26919 Brake

Tel.: 0 44 01/47 46 Fax: 0 44 01/52 37

E-Mail: alzbrake@nwn.de

 

 
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