Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/02      Seite 6
 
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ASten gegen Rasterfahndung

Der sogenannte Sicherheitsaktionismus muß gestoppt werden!

Nachdem bekannt wurde, daß auch nach dem gerichtlichen Stopp der Rasterfahndung in einigen Bundesländern weitergerastert wird, wenden sich jetzt die ASten, die bundesweit Klagen gegen die Rasterfahndung unterstützt haben, gemeinsam gegen die diese und den Sicherheitswahn.

Die Rasterfahndung ist vor dem Hintergrund des generellen Grundrechtsabbaus, der durch die neuen "Sicherheits"pakete umgesetzt wird, zu betrachten.

In den letzten Tagen hat sich der Verdacht bestätigt, daß das Bundeskriminalamt (BKA) Daten gesammelt hat, die durch Rasterfahndung der LKAs erhoben wurden, und so versucht, die Rasterfahndung ohne rechtliche Grundlage bundesweit zu koordinieren und durchzuführen.

Somit ist festzustellen, daß auch nach den Urteilen aus Wiesbaden und Berlin, die die Rasterfahndung für rechtswidrig erklärt hatten, weitergerastert wird.

Aus diesem Grund hat sich ein Bündnis gegründet, das weiterhin über die Praktiken von LKA und BKA informieren wird und sich offensiv gegen die Desinformationspolitik zur Wehr setzt.

Die Allgemeinen Studierendenausschüsse der Hochschulen aus Münster (Uni + FH), Siegen, Bielefeld, Gießen, Mainz, Osnabrück, Oldenburg, Duisburg und Essen, die auch die folgende Erklärung unterzeichnet haben, sowie der fzs - der freie zusammenschluß von studierendenschaften -, wenden sich gegen die illegale Rasterfahndung!

Ulrike Bielefeld

(Sprecherin des AStA der

Carl von Ossietzky Universität Ol)

Kontakt: Tel.: 04 41/7 98-25 73,

E-Mail: asta@uni-oldenburg.de

Gemeinsame Erklärung
zur Rasterfahndung
der ASten:

Die Studierendenvertretungen scheinen derzeit die gesellschaftliche Kraft in der Bundesrepublik zu sein, die am stärksten gegen die Rasterfahndung aktiv ist. Gewerkschaften, Anwaltsverbänden und DatenschützerInnen beiteiligten sich meist erst nach den ersten juristischen Erfolgen gegen die Rasterfahndung am öffentlichen Diskurs, obwohl weit mehr Menschen von dem massenhaften Datenabgleich betroffen sind als nur Studierende an deutschen Hochschulen.

Nachdem der Rasterfahndung bereits in mehreren Bundesländern gerichtlich ein Ende bereitet wurde, fordern die ASten, jetzt endlich auch bundesweit mit dem Datenabgleich Schluß zu machen. Stattdessen bleiben nach den Hochschulen, Meldeämtern und dem Ausländerzentralregister nach wie vor die Beschäftigten in so genannten äsicherheitsrelevanten Bereichen", dazu gehören etwa Energieversorger, Stadtwerke und Nahverkehrsbetriebe, im Visier der Rasterfahnder. Da es bislang keine gerichtlichen Schritte Betroffener in diesen Betrieben gibt, dauern die polizeilichen Ermittlungen dort an.

Kein Ausnahmezustand

1. Der Sicherheitsaktionismus muß gestoppt, der vermeintliche Ausnahmezustand beendet werden.

Die umfangreichen Kompetenzen von Polizei- und Sicherheitsbehörden im Rahmen der so genannten Anti-Terror-Gesetzgebung müssen deutlich reduziert werden. Weder ist die Bundesrepublik nach dem 11. September 2001 durch terroristische Anschläge derart gefährdet, daß einer möglichen neuen Gefahrenlage nicht mit Hilfe der zum Zeitpunkt der Anschläge auf die USA bereits geltenden Gesetze begegnet werden könnte, noch liegt ein dauerhafter Ausnahmezustand vor.

Vorrang für Datenschutz

2. Dem Datenschutz muß in Deutschland eine höhere Priorität eingeräumt werden.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darf nicht durch Ermittlungsbehörden und Geheimdienste ausgehöhlt werden und zur leeren Worthülse verkommen. Der Sicherheitsaktionismus muß umgehend beendet werden. Rechtsstaatliche Sicherheiten und Garantien müssen wieder wirksam werden. Datenschutz ist kein Terroristenschutz, sondern der Schutz der Bevölkerung vor übermäßigem staatlichen Eingriff in die persönliche Freiheit. Den Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern, die bereits früh vor überzogenen Maßnahmen bei der Terrorismusbekämpfung warnten, ist endlich stärker Gehör zu verschaffen.

Rasterfahndung ist illegal

3. Die in den Bundesländern angeordnete und durch die Landeskriminalämter durchgeführte Rasterfahndung zur Auffindung sog. Schläfer ist illegal.

Laut Aussagen der Bundesregierung gibt es in Deutschland keine Anzeichen für die Verübung von Terrorakten oder auch nur für deren Planung. Damit besteht keine "gegenwärtige Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes", wie sie in den Polizeigesetzen der meisten Länder als Voraussetzung für eine Rasterfahndung genannt wird. Die Einleitung einer Rasterfahndung ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sich nicht definitiv ausschließen läßt, daß sich in Deutschland möglicherweise "Schläfer" aufhalten. Aus diesem und den nachfolgend genannten Gründen sind die Rasterfahndungen in den Bundesländern umgehend zu beenden und die erhobenen Daten zu löschen.

Rasterfahndung muß
eingeschränkt sein

4. In einigen Bundesländern ist die Rasterfahndung schon deshalb rechtswidrig, weil der Gesetzgeber sie nicht hinreichend eingeschränkt hat.

In Niedersachsen beispielsweise ist weder eine Richterentscheidung als Prüfinstanz vorgesehen, noch wird eine Anforderung an den Grad der Gefahr gestellt. Somit könnte die Polizei bei nahezu jeder Straftat von erheblicher Bedeutung das Instrument der Rasterfahndung verwenden, was einen massiven Grundrechtseingriff für eine Vielzahl von Personen beinhaltet. Die hessische Landesregierung hat erst kürzlich angekündigt, das dortige Polizeigesetz ebenso "vereinfachen" zu wollen. Theoretisch würde dann der Verdacht des bandenmäßigen Fahrraddiebstahls ausreichen, die Daten einer Vielzahl von Menschen polizeilich zu erfassen und abzugleichen. Selbst das Polizeipräsidium Düsseldorf räumt die Schwere des Grundrechtseingriffs ein. In einer Stellungnahme der Polizei heißt es: äDie polizeiliche Erfassung der Personen [...] und die Nutzung ihrer Daten kann als 'tiefgreifender Grundrechtseingriff' [...] gewertet werden, zumal wenn die Datennutzung im einzelnen nicht vorhersehbar und überschaubar ist." Und weiter: äFraglich mag ein Erfolg der Rasterfahndung sein. Denn erstmals ging und geht es nicht um das Auffinden von Personen, die durch Verhaltensmuster erkannten Störern gleichen, sondern um solche, die sich genauso unauffällig und störungsfrei wie die Mehrzahl der Bürger verhalten." (1)

Vorgeschobene Gefahrenabwehr

5. Die Rasterfahndung ist kein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr.

Rasterfahndung zur Abwendung von Gefahren erfolgreich war. (2) Die Suchkriterien wie Alter, Religion und Staatsangehörigkeit sind so allgemein, daß in den Bundesländern extrem umfangreiche Datenbestände erstellt werden. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden die Daten von 4,7 Millionen Einwohnern verarbeitet. Auf eine vermeintliche Nähe zum Terrorismus weist keines der Suchkriterien hin. Dies scheint auch nicht möglich, da das wesentlichste Merkmal eines "Schläfers" ja gerade seine Unauffälligkeit ist. Die im Frühjahr 2002 offenbar werdende Erfolglosigkeit der Rasterfahndung

Undemokratischer
Generalverdacht

6. Mit der Rasterfahndung wird eine ganze Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht gestellt.

Durch die Erhebung der personenbezogenen Daten aller jungen Männer aus Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung wird ein pauschaler Verdacht erhoben, der in der Bevölkerung verbreiteten Vorurteilen gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und speziell Muslimen Vorschub leistet. Im Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf, wonach die Rasterfahndung teilweise rechtswidrig war, heißt es etwa: äDer Beteiligte zu 2 stand als Nichtstörer in einer - wenn auch schwachen - Beziehung zu dieser Situation, denn er besitzt eine Staatsangehörigkeit, die [...] als verdächtig aufgeführt ist." (3) Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ist unbedingt zu beachten. Einseitige Diskriminierungen die prinzipiell alle Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens verdächtigen - wie durch das Oberlandesgericht Düsseldorf ausgesprochen - sind durch nichts zu rechtfertigen.

Forschung und Lehre in Gefahr

7. Die Internationalität der Hochschulen ist durch die Rasterfahndung ernsthaft gefährdet.

Die Bemühungen der Hochschulen, sich zu Orten der internationalen Begegnung zu entwickeln, werden durch die Rasterfahndung konterkariert. Es ist zu befürchten, daß insbesondere Studierende aus arabischen Staaten oder muslimischen Glaubens der deutschen Hochschullandschaft im Rahmen von Gaststudienjahren und Austauschen künftig fern bleiben, da sie sich in Deutschland pauschalisierenden Verdächtigungen ausgesetzt sehen. Rasterkriterien wie Straflosigkeit, Mehr- sprachigkeit und Reisehäufigkeit werden gerade von Studierenden erwartet und im Rahmen der Rasterfahndung nun gegen sie verwendet.

Illegale BKA-Datensammlung

8. Das Bundeskriminalamt hat ohne gesetzliche Grundlage gerastert.

Bundesweit wurden bereits im Oktober 2001 Personaldaten der Mitarbeiter von Energieversorgern, Unternehmen der Gas- und Wasserwirtschaft und der chemischen Industrie angefordert. Dies bedeutet eine massenhafte Grundrechtsverletzung, die vom BKA verheimlicht wurde. Weder die Betroffenen, noch die Öffentlichkeit wurden von der Datenweitergabe offiziell informiert. Das Bundeskriminalamt muß deutlich machen, wo und zu welcher Zeit es Daten erhoben hat; die Betroffenen sind von ihren Betrieben über die Datenweitergabe umgehend in Kenntnis zu setzen. Der Datenschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muß gestärkt werden.

Illegaler BKA-Datenabgleich

9. Das Bundeskriminalamt gleicht illegal Daten der Länder ab.

Die von den Ländern erhobenen personenbezogenen Daten werden zentral beim Bundeskriminalamt mit dessen illegal bei Unternehmen erhobenen Datenbeständen abgeglichen. Für dieses Vorgehen besteht nicht der Hauch einer gesetzlichen Grundlage. Das BKA besitzt keine Befugnis zu einer präventiven Rasterfahndung zu Gefahrenabwehrzwecken und darf überdies bei der Rasterfahndung der Länder lediglich unterstützend tätig werden. Weder die Polizei- und Sicherheitsgesetze der Länder noch das Bundeskriminalamtsgesetz decken einen zentralen Abgleich der Daten beim BKA, da die bei den Landeskriminalämtern erhobenen Daten der Herrschaft und Verantwortung des jeweiligen Landes unterliegen, in dem sie erhoben wurden. Hier maßt sich das BKA die Kompetenz einer gesetzlich nicht vorgesehenen Bundespolizei an. Der Föderalismus wird untergraben; der "Rechtsstaat" führt sich selbst ad absurdum. (4)

Die genannten ASten und der fzs fordern:

Rasterfahndung stoppen! Betroffene Personen informieren! Geheimdienste abschaffen! Für mehr Rechtsstaatlichkeit! Rasterfahnder go home!

Die Universitäten Bielefeld, Gießen, Mainz, Münster, Osnabrück, der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, der Gesamthochschulen Duisburg, [Essen] und Siegen und der Fachhochschule Münster sowie des freien zusammenschlusses von studentInnenschaften (fzs)

Anmerkungen:

(1) Stellungnahme des Polizeipräsidenten Düsseldorf an das Oberlandesgericht Düsseldorf vom 12.12.2001, Az. 3 Wx 358/01.

(2) vgl. Bäumler, in: Hans Lisken (Hg.): Handbuch des Polizeirechts. 3. Aufl., München 2001, Kapitel J, Rnr. 717.

(3) Es handelte sich um einen jordanischen Staatsangehörigen. Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Az. 3 Wx 351/01.

(4) Siehe auch: Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen vom 28.03.2002: "Rechtliche Probleme bei der Rasterfahndung", www.lfd.niedersachsen.de/aktuelles/direk t_raster2.html

Weitere Informationen:

· Das Berliner Urteil ist hier zu finden: http://www.refrat.hu-berlin.de/raster.html

· Rasterfahndung im Netzwerk der Macht: Ein Web-Tool zur Erforschung der modernen Plutokratie (Rastafahndung für alle), Günter Hack. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/ 11709/1.html

· Lauschangriff und Rasterfahndung bedrohen Grundrechte: http://www.ad.or.at/text/10169.htm

· Rasterfahndung in Berlin unzuläßig: http://www.cilip.de/terror/dvd3.htm

· Aktuelles zu den Anti-Terror-Paketen und -Maßnahmen: http://www.cilip.de/terror/index.htm

 

 
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