ASten gegen Rasterfahndung
Der sogenannte Sicherheitsaktionismus muß gestoppt werden!
Nachdem bekannt wurde, daß auch nach dem gerichtlichen Stopp der
Rasterfahndung in einigen Bundesländern weitergerastert wird, wenden sich
jetzt die ASten, die bundesweit Klagen gegen die Rasterfahndung unterstützt
haben, gemeinsam gegen die diese und den Sicherheitswahn.
Die Rasterfahndung ist vor dem Hintergrund des generellen Grundrechtsabbaus,
der durch die neuen "Sicherheits"pakete umgesetzt wird, zu betrachten.
In den letzten Tagen hat sich der Verdacht bestätigt, daß das
Bundeskriminalamt (BKA) Daten gesammelt hat, die durch Rasterfahndung der
LKAs erhoben wurden, und so versucht, die Rasterfahndung ohne rechtliche
Grundlage bundesweit zu koordinieren und durchzuführen.
Somit ist festzustellen, daß auch nach den Urteilen aus Wiesbaden und
Berlin, die die Rasterfahndung für rechtswidrig erklärt hatten,
weitergerastert wird.
Aus diesem Grund hat sich ein Bündnis gegründet, das weiterhin über die
Praktiken von LKA und BKA informieren wird und sich offensiv gegen die
Desinformationspolitik zur Wehr setzt.
Die Allgemeinen Studierendenausschüsse der Hochschulen aus Münster (Uni +
FH), Siegen, Bielefeld, Gießen, Mainz, Osnabrück, Oldenburg, Duisburg und
Essen, die auch die folgende Erklärung unterzeichnet haben, sowie der fzs -
der freie zusammenschluß von studierendenschaften -,
wenden sich gegen die illegale Rasterfahndung!
Ulrike Bielefeld
(Sprecherin des AStA der
Carl von Ossietzky Universität Ol)
Kontakt: Tel.: 04 41/7 98-25 73,
E-Mail: asta@uni-oldenburg.de
Gemeinsame Erklärung
zur Rasterfahndung
der ASten:
Die Studierendenvertretungen scheinen derzeit die gesellschaftliche Kraft in
der Bundesrepublik zu sein, die am stärksten gegen die Rasterfahndung aktiv
ist. Gewerkschaften, Anwaltsverbänden und DatenschützerInnen beiteiligten
sich meist erst nach den ersten juristischen Erfolgen gegen die
Rasterfahndung am öffentlichen Diskurs, obwohl weit mehr Menschen von dem
massenhaften Datenabgleich betroffen sind als nur Studierende an deutschen
Hochschulen.
Nachdem der Rasterfahndung bereits in mehreren Bundesländern gerichtlich ein
Ende bereitet wurde, fordern die ASten, jetzt endlich auch bundesweit mit
dem Datenabgleich Schluß zu machen. Stattdessen bleiben nach den
Hochschulen, Meldeämtern und dem Ausländerzentralregister nach wie vor die
Beschäftigten in so genannten äsicherheitsrelevanten Bereichen", dazu
gehören etwa Energieversorger, Stadtwerke und Nahverkehrsbetriebe, im Visier
der Rasterfahnder. Da es bislang keine gerichtlichen Schritte Betroffener in
diesen Betrieben gibt, dauern die polizeilichen Ermittlungen dort an.
Kein Ausnahmezustand
1. Der Sicherheitsaktionismus muß gestoppt, der vermeintliche
Ausnahmezustand beendet werden.
Die umfangreichen Kompetenzen von Polizei- und Sicherheitsbehörden im Rahmen
der so genannten Anti-Terror-Gesetzgebung müssen deutlich reduziert werden.
Weder ist die Bundesrepublik nach dem 11. September 2001 durch
terroristische Anschläge derart gefährdet, daß einer möglichen neuen
Gefahrenlage nicht mit Hilfe der zum Zeitpunkt der Anschläge auf die USA
bereits geltenden Gesetze begegnet werden könnte, noch liegt ein dauerhafter
Ausnahmezustand vor.
Vorrang für Datenschutz
2. Dem Datenschutz muß in Deutschland eine höhere Priorität eingeräumt
werden.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darf nicht durch
Ermittlungsbehörden und Geheimdienste ausgehöhlt werden und zur leeren
Worthülse verkommen. Der Sicherheitsaktionismus muß umgehend beendet
werden. Rechtsstaatliche Sicherheiten und Garantien müssen wieder wirksam
werden. Datenschutz ist kein Terroristenschutz, sondern der Schutz der
Bevölkerung vor übermäßigem staatlichen Eingriff in die persönliche
Freiheit. Den Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern, die bereits früh
vor überzogenen Maßnahmen bei der Terrorismusbekämpfung warnten, ist endlich
stärker Gehör zu verschaffen.
Rasterfahndung ist illegal
3. Die in den Bundesländern angeordnete und durch die Landeskriminalämter
durchgeführte Rasterfahndung zur Auffindung sog. Schläfer ist illegal.
Laut Aussagen der Bundesregierung gibt es in Deutschland keine Anzeichen für
die Verübung von Terrorakten oder auch nur für deren Planung. Damit besteht
keine "gegenwärtige Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes
oder eines Landes", wie sie in den Polizeigesetzen der meisten Länder als
Voraussetzung für eine Rasterfahndung genannt wird. Die Einleitung einer
Rasterfahndung ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sich nicht
definitiv ausschließen läßt, daß sich in Deutschland möglicherweise
"Schläfer" aufhalten. Aus diesem und den nachfolgend genannten Gründen sind
die Rasterfahndungen in den Bundesländern umgehend zu beenden und die
erhobenen Daten zu löschen.
Rasterfahndung muß
eingeschränkt sein
4. In einigen Bundesländern ist die Rasterfahndung schon deshalb
rechtswidrig, weil der Gesetzgeber sie nicht hinreichend eingeschränkt hat.
In Niedersachsen beispielsweise ist weder eine Richterentscheidung als
Prüfinstanz vorgesehen, noch wird eine Anforderung an den Grad der Gefahr
gestellt. Somit könnte die Polizei bei nahezu jeder Straftat von erheblicher
Bedeutung das Instrument der Rasterfahndung verwenden, was einen massiven
Grundrechtseingriff für eine Vielzahl von Personen beinhaltet. Die hessische
Landesregierung hat erst kürzlich angekündigt, das dortige Polizeigesetz
ebenso "vereinfachen" zu wollen. Theoretisch würde dann der Verdacht des
bandenmäßigen Fahrraddiebstahls ausreichen, die Daten einer Vielzahl von
Menschen polizeilich zu erfassen und abzugleichen. Selbst das
Polizeipräsidium Düsseldorf räumt die Schwere des Grundrechtseingriffs ein.
In einer Stellungnahme der Polizei heißt es: äDie polizeiliche Erfassung der
Personen [...] und die Nutzung ihrer Daten kann als 'tiefgreifender
Grundrechtseingriff' [...] gewertet werden, zumal wenn die Datennutzung im
einzelnen nicht vorhersehbar und überschaubar ist." Und weiter: äFraglich
mag ein Erfolg der Rasterfahndung sein. Denn erstmals ging und geht es nicht
um das Auffinden von Personen, die durch Verhaltensmuster erkannten Störern
gleichen, sondern um solche, die sich genauso unauffällig und störungsfrei
wie die Mehrzahl der Bürger verhalten." (1)
Vorgeschobene Gefahrenabwehr
5. Die Rasterfahndung ist kein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr.
Rasterfahndung zur Abwendung von Gefahren erfolgreich war. (2) Die
Suchkriterien wie Alter, Religion und Staatsangehörigkeit sind so allgemein,
daß in den Bundesländern extrem umfangreiche Datenbestände erstellt werden.
Allein in Nordrhein-Westfalen wurden die Daten von 4,7 Millionen Einwohnern
verarbeitet. Auf eine vermeintliche Nähe zum Terrorismus weist keines der
Suchkriterien hin. Dies scheint auch nicht möglich, da das wesentlichste
Merkmal eines "Schläfers" ja gerade seine Unauffälligkeit ist. Die im
Frühjahr 2002 offenbar werdende Erfolglosigkeit der Rasterfahndung
Undemokratischer
Generalverdacht
6. Mit der Rasterfahndung wird eine ganze Bevölkerungsgruppe unter
Generalverdacht gestellt.
Durch die Erhebung der personenbezogenen Daten aller jungen Männer aus
Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung wird ein pauschaler
Verdacht erhoben, der in der Bevölkerung verbreiteten Vorurteilen gegenüber
Ausländerinnen und Ausländern und speziell Muslimen Vorschub leistet. Im
Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf, wonach die Rasterfahndung
teilweise rechtswidrig war, heißt es etwa: äDer Beteiligte zu 2 stand als
Nichtstörer in einer - wenn auch schwachen - Beziehung zu dieser Situation,
denn er besitzt eine Staatsangehörigkeit, die [...] als verdächtig
aufgeführt ist." (3) Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ist
unbedingt zu beachten. Einseitige Diskriminierungen die prinzipiell alle
Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens verdächtigen - wie durch das
Oberlandesgericht Düsseldorf ausgesprochen - sind durch nichts zu
rechtfertigen.
Forschung und Lehre in Gefahr
7. Die Internationalität der Hochschulen ist durch die Rasterfahndung
ernsthaft gefährdet.
Die Bemühungen der Hochschulen, sich zu Orten der
internationalen Begegnung zu entwickeln, werden durch die Rasterfahndung
konterkariert. Es ist zu befürchten, daß insbesondere Studierende aus
arabischen Staaten oder muslimischen Glaubens der deutschen
Hochschullandschaft im Rahmen von Gaststudienjahren und Austauschen künftig
fern bleiben, da sie sich in Deutschland pauschalisierenden Verdächtigungen
ausgesetzt sehen. Rasterkriterien wie Straflosigkeit, Mehr- sprachigkeit und
Reisehäufigkeit werden gerade von Studierenden erwartet und im Rahmen der
Rasterfahndung nun gegen sie verwendet.
Illegale BKA-Datensammlung
8. Das Bundeskriminalamt hat ohne gesetzliche Grundlage gerastert.
Bundesweit wurden bereits im Oktober 2001 Personaldaten der Mitarbeiter von
Energieversorgern, Unternehmen der Gas- und Wasserwirtschaft und der
chemischen Industrie angefordert. Dies bedeutet eine massenhafte
Grundrechtsverletzung, die vom BKA verheimlicht wurde. Weder die
Betroffenen, noch die Öffentlichkeit wurden von der Datenweitergabe
offiziell informiert. Das Bundeskriminalamt muß deutlich machen, wo und zu
welcher Zeit es Daten erhoben hat; die Betroffenen sind von ihren Betrieben
über die Datenweitergabe umgehend in Kenntnis zu setzen. Der Datenschutz für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muß gestärkt werden.
Illegaler BKA-Datenabgleich
9. Das Bundeskriminalamt gleicht illegal Daten der Länder ab.
Die von den Ländern erhobenen personenbezogenen Daten werden zentral beim
Bundeskriminalamt mit dessen illegal bei Unternehmen erhobenen
Datenbeständen abgeglichen. Für dieses Vorgehen besteht nicht der Hauch
einer gesetzlichen Grundlage. Das BKA besitzt keine Befugnis zu einer
präventiven Rasterfahndung zu Gefahrenabwehrzwecken und darf überdies bei
der Rasterfahndung der Länder lediglich unterstützend tätig werden. Weder
die Polizei- und Sicherheitsgesetze der Länder noch das
Bundeskriminalamtsgesetz decken einen zentralen Abgleich der Daten beim BKA,
da die bei den Landeskriminalämtern erhobenen Daten der Herrschaft und
Verantwortung des jeweiligen Landes unterliegen, in dem sie erhoben wurden.
Hier maßt sich das BKA die Kompetenz einer gesetzlich nicht vorgesehenen
Bundespolizei an. Der Föderalismus wird untergraben; der "Rechtsstaat" führt
sich selbst ad absurdum. (4)
Die genannten ASten und der fzs fordern:
Rasterfahndung stoppen! Betroffene Personen informieren! Geheimdienste abschaffen! Für mehr Rechtsstaatlichkeit! Rasterfahnder go home!
Die Universitäten Bielefeld, Gießen, Mainz,
Münster, Osnabrück, der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, der
Gesamthochschulen Duisburg, [Essen] und Siegen und der Fachhochschule
Münster sowie des freien zusammenschlusses von studentInnenschaften (fzs)
Anmerkungen:
(1) Stellungnahme des Polizeipräsidenten Düsseldorf an das Oberlandesgericht Düsseldorf vom 12.12.2001, Az.
3 Wx 358/01.
(2) vgl. Bäumler, in: Hans Lisken (Hg.): Handbuch des Polizeirechts. 3. Aufl., München 2001, Kapitel J, Rnr.
717.
(3) Es handelte sich um einen jordanischen Staatsangehörigen. Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Az.
3 Wx 351/01.
(4) Siehe auch: Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz
Niedersachsen vom 28.03.2002: "Rechtliche Probleme bei der Rasterfahndung",
www.lfd.niedersachsen.de/aktuelles/direk t_raster2.html
Weitere Informationen:
· Das Berliner Urteil ist hier zu finden:
http://www.refrat.hu-berlin.de/raster.html
· Rasterfahndung im Netzwerk der Macht:
Ein Web-Tool zur Erforschung der modernen Plutokratie (Rastafahndung für
alle), Günter Hack. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/ 11709/1.html
· Lauschangriff und Rasterfahndung bedrohen Grundrechte:
http://www.ad.or.at/text/10169.htm
· Rasterfahndung in Berlin unzuläßig: http://www.cilip.de/terror/dvd3.htm
· Aktuelles zu den Anti-Terror-Paketen und -Maßnahmen:
http://www.cilip.de/terror/index.htm
|