Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/02      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Umgerüstet oder nicht:

Ein Rückblick auf die Ossietzky Tage

Nach 13 Jahren fanden an der Carl von Ossietzky Universität wieder Ossietzky Tage statt. Diesmal zum Thema: "Umrüstung der Gesellschaft? - Frieden, Krieg, Wissenschaft."

Die Idee der Ossietzky Tage stammt aus einer Zeit, als es hier noch schlicht die Universität Oldenburg gab, und Land und Leute sich mit dem Namen des erklärten Pazifisten und Antifaschisten Ossietzky nicht so recht anfreunden wollten. Der Name des im KZ Esterwegen inhaftierten Friedensnobelpreisträgers (1936) wurde von der Landesregierung in den 70er Jahren als zu programmatisch betrachtet, ProfessorInnen und Studierende dagegen sahen darin ein Bekenntnis, Forschung und Lehre friedensorientiert ausrichten zu wollen. 1991 wurde die ehemalige Reformuniversität aber schließlich offiziell benannt, die Scharmützel um den Ossietzky-Schriftzug am Schornstein zwischen StudentInnen und Polizei sind in die Nostalgie-Kiste gepackt, und sogar die Stadt selbst verleiht nun ihre eigene Ossietzky Medaille.

Ende gut, alles gut?

Seitdem ist es still geworden, nicht nur um Ossietzky, sondern auch um dieses lästige Thema Frieden. Die noch existierende Forschungsstelle Ossietzky hat sein Gesamtwerk in mehreren Bänden herausgegeben. Damit scheint das Kapitel abgeschlossen. Die Frage: Was würde Ossietzky wohl heute sagen und fordern, wird an der Uni nicht mehr gestellt. Der Passus in den Gründungsstatuten der Universität, der eine Forschung ausschließlich zu Friedenszwecken forderte, und aufgrund dessen die Universität jahrelang von den Geldern der Deutschen Forschungsgesellschaft ausgeschlossen war - ist mittlerweile wieder gestrichen worden. Diskussionen, zu welchen Zwecken geforscht und wie ein Mißbrauch von Forschung verhindert werden kann, werden allenfalls noch in einzelnen Seminaren geführt, von einem sehr kleinen Publikum. Die Universität globalisiert sich eben, wie alles andere. Drittmittelarbeiten und der gute Draht zur Wirtschaft bestimmen die Hochschulpolitik. Auch den meisten Studierenden sagt der Namensgeber ihrer Hochschule nicht mehr viel. Die Änderung des Schriftzuges im letzten Jahr - statt der Handunterschrift Carl von Ossietzkys prangt nun eine stilisiert-sterile Sense auf allen corparate designten Außendarstellungen der Uni - ist vielleicht nur der kleinste, nach außen sichtbare Ausdruck dieser Entwicklung. (Das Bild mit der Sense ist fein. Nicht zu vergessen: Es gleicht dem Logo der Alzheimergesellschaft Ammerland wie ein Ei ... D.TipperIn.)

Genug Kulturpessimismus...

Die Ossietzky Tage 2001 wollten die Diskussion um solche Fragen neu anstoßen - nicht einfach anklagen, auch nicht in Nostalgie baden - sondern alte, nach wie vor aktuelle Fragen im aktuellen Kontext stellen. Anlässe gibt es genug. Aus diesem Grund sollte das Motto Umrüstung der Gesellschaft? (mensch beachte das Fragezeichen!) auch vielseitig interpretierbar sein. Da war der Aspekt Umrüstung der Bundeswehr - von einer grundgesetzlich verankerten Verteidigungsarmee zur weltweit einsetzbaren Interventionstruppe. Da war der Aspekt 11. September, nach dem angeblich nichts mehr so ist, wie vorher. (Zumindest was die gesellschaftliche Zustimmung zur Rechtsstaats-Umrüstung eines Otto Schily betrifft, mag das stimmen.) Da waren all die anderen gesellschaftspolitischen Anlässe, die auf einmal vom tagespolitischen Geschehen verschwunden unbemerkt natürlich trotzdem durchgeführt werden, die Klon-Forschung z.B., um nur ein Beispiel zu nennen. Sowieso: die Rolle der Medien... Und dazwischen irgendwo die Wissenschaft, inklusive ihres Stiefkinds namens Friedensforschung. Diese Fragen nicht zu vergessen und kritisch gegenüber der Entwicklung zu bleiben, daran sollten die Ossietzky Tage erinnern. Und zwar vor allem diejenigen, die sich nicht sowieso schon mit diesen Fragen beschäftigen.

Die Veranstaltungswoche

war dementsprechend vielfältig gefüllt, teils mit Vorträgen und Workshops von GastreferentInnen, teils mit umgewidmeten Seminaren von Uni-Angehörigen. Nach unseren Schätzungen nahmen 500 bis 600 Menschen daran teil - und erfreulicherweise nicht nur Uni-Publikum. Die Beschäftigung mit jedem einzelnen der Themen hätte natürlich ohne weiteres für eine eigene Woche ausgereicht, und die nächsten Ossietzky Tage (so es sie geben wird) werden sich wohl einer konkreteren Thematik widmen. Aber diesmal ging es darum, Fragen überhaupt anzureißen, Diskussionen in Gang zu bringen und Ideen anzustoßen. Die Initiative, eine Wiederaufnahme des Weltbühneverfahrens und die Rehabilitierung des Landesverräters Ossietzky zu versuchen (vgl. Stachel 229) ist ein Ergebnis daraus. Das Interesse und die Motivation der Teilnehmenden war jedenfalls vorhanden und es wäre wünschenswert, die Idee fortzuführen, und die Ossietzky Tage vielleicht wieder regelmäßig zu etablieren. Wer sich berufen fühlt, sich in die Organisation der Ossietzky Tage 2002 einzubringen, der/die ist herzlich willkommen!

Ossietzky-AG

Kontakt: E-Mail: ossietzky.student.ag @uni-oldenburg.de; Das AStA-Büro (Tel. 798-2573) vermittelt euch zu uns. http://www.uni-oldenburg.de/ossietzky.student.ag

 

 
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