Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/02      Seite 5
 
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Die Welt nach dem 11. September 2001

Podiumsdiskussion in der KGS-Rastede

Wieder einmal ist Afghanistan ein Ort des Krieges und des Todes. In früheren Zeiten Spielball der Kolonialpolitik, des geopolitischen Ringens zwischen Briten und Russen um Zentralasien, steht Afghanistan heute einmal mehr auf dem Schachbrett der Weltpolitik.

Diesmal geht es um die Bekämpfung des Terrorismus - zumindest auf den ersten Blick. Auf der einen Seite Afghanistan als Hort von Al Quaida und Bin Ladin, aber auch als eigener Adressat militärischer Angriffe in Gestalt des Taliban-Regimes. Auf der anderen Seite die weltweite Anti-Terror-Allianz, die dem ärmsten Land der Erde Frieden und Demokratie bringen will.

Zusätzlich geht es im Afghanistan des Jahres 2001 um ganz andere Interessen, um die Vorherrschaft in der Welt nämlich und ums große Geld. Heute nennen sich die Protagonisten "global players" und wollen ihren Status als "Erste Welt" mit der Supermacht USA garantieren, und sie wollen die Erschließung neuer Rohstoffvorkommen in den GUS-Staaten, deren Transportwege durch Afghanistan führen.

Die Welt ist nach dem 11. September 2001 kriegerischer und kälter geworden. Die Regierenden auf beiden Seiten des Atlantiks haben sich dem Schein der militärischen "Logik" unterworfen: Nun müsse wieder Krieg sein, Krieg gegen den weltweiten Terrorismus. Und nach dem Krieg ist vor dem Krieg: schon wird in Talkshows laut darüber nachgedacht, ob nicht auch der Konflikt in Nahost mit Bomben und Raketen zu lösen sei. Millionen von Flüchtlingen bangen um ihr Leben. Die Furcht vor neuen Terroranschlägen grassiert. Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sind aus Machtkalkül urplötzlich keine mehr.

Auf gesellschaftlicher Ebene wächst die Versuchung, auf andere zu zeigen und sie auszugrenzen. Eine allgemeine Hatz auf Muslime ist ausgebrochen, die auch vor unserer eigenen Haustür nicht Halt macht. Ein Klima der Angst und der Verdächtigung untergräbt die Offenheit der freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft, die zudem durch den Bundestag in ihren Grundfesten ausgehöhlt wird, den Grund- und Bürgerrechten. Die PolitikerInnen reden der Sicherheit das Wort und vergessen die Freiheit.

Längst gibt es andere Stimmen. Stimmen, die nachweisen, daß nicht der Terrorismus neu sei, sondern die Wucht, mit der die Attentäter von New York und Washington zuschlugen. Stimmen, die zu Besonnenheit und Mäßigung aufrufen; deren Entsetzen und Solidarität für die Opfer und deren Angehörige sich mit der Furcht vor dem Austauschen der Politik durch den Krieg verbinden; die darauf hinweisen, daß Gewalt nur weitere Gewalt auslöst und daß der einzige Weg zum Frieden der Dialog ist.

Und es gibt Stimmen, die Fragen stellen. Fragen nach den Hintergründen des Anschlags, nach den Ursachen der Spannungen. Damit rücken die großen Probleme der Welt ins Blickfeld: Der ungelöste Nahost-Konflikt, die Ungerechtigkeiten der Globalisierung, das Verhältnis zwischen den Zivilisationen, die Frage nach Hegemonie, die Rolle der UNO, die Frage nach Frieden und nach Humanitas. Allesamt Probleme, die den aktuellen Zustand unserer Welt betreffen und ihn vor allem in Frage stellen. Auf der Tagesordnung steht wieder die Suche nach einer neuen Weltordnung. Einer Weltordnung aus Freiheit, Frieden und Glück für alle Menschen.

Ist nach dem 11. September 2001 nun nichts mehr so wie vorher? Ist dieses Datum in der Tat ein Einschnitt von fundamentaler Vehemenz?

Mit ungewissem Ausgang: Geht die Menschheit in Richtung Frieden und Gerechtigkeit? Gibt es die Chance zu einer neuen Weltordnung, in der alle gleichberechtigt neben einander ihren Platz finden, in einem friedlichen und humanen Miteinander? Oder torkeln wir gar in einen Dritten Weltkrieg, erleben wir den letzten Akt im "Kampf der Kulturen", der die Welt vernichtet? Ist die Welt nach dem 11. September 2001 also anders geworden? Und wie wird sie zukünftig sein?

Zu diesem Thema hatte die AG "Für den Frieden" an der Kooperativen Gesamtschule Rastede eine Veranstaltung organisiert. Unter dem Titel "Die Welt nach dem 11. September 2001" diskutierten Christian Mölling (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik), Abdul Hanan Roostai (Nationale Bewegung für Freiheit und Demokratie in Afghanistan) und Prof. Rudolf zur Lippe (Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg) über den Terroranschlag vom 11. September 2001 und über seine Folgen.

In der vollbesetzten Aula moderierten die beiden AG-Mitglieder Gregor Kisse und Kerstin Krömer eine sehr informative und auch kontroverse Veranstaltung, die den 350 SchülerInnen verschiedene Anregungen zum Weiterdenken bot. Die Diskussion thematisierte u.a. die Zukunft Afghanistans, Möglichkeiten internationaler Kooperation, die Beziehung von Fundamentalismus und Modernismus, die Bedeutung der Friedensbewegung und langfristige Perspektiven einer neuen Weltordnung.

Eine rasche Beendigung der Kriegshandlungen in Afghanistan forderte Abdul Hanan Roostai. Der nötige Neuanfang in seinem Heimatland müsse durch die Sicherung der Menschenrechte durch die internationale Staatengemeinschaft gewährleistet werden. Ein demokratischer Neuanfang Afghanistans sei anders nicht zu verwirklichen. Vor zu großem Optimismus warnte Friedensforscher Christian Mölling. Sicherheit im globalen Maßstab sei nicht zu garantieren. Dagegen müssten sich die heutigen Nationalstaaten verändern - in Richtung einer Weltrepublik mit einer neuen Weltinnenpolitik. Auch der Oldenburger Philosoph Rudolph zur Lippe plädierte für eine Umorientierung auf der Ebene individueller Lebensgestaltung und gesamtgesellschaftlicher Wertorientierung. So müssten die Menschen es als eigenen Wert begreifen und als Bereicherung empfinden, zugunsten anderer Menschen auf eigenen Vorteil und auf persönlichen Reichtum zu verzichten. Das Ergebnis sei eine Veränderung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft und die Perspektive einer solidarischen Weltgesellschaft.

Die Veranstaltung endete mit dem Appell der AG "Für den Frieden", sich für eine Weltordnung einzusetzen, die Frieden, Freiheit und Glück für alle Menschen anbietet. Zu gewährleisten ist dies eben nicht durch Eskalation, Vergeltung und Rache, sondern nur durch ein Umdenken zugunsten einer globalen Sicherheit durch Abrüstung, durch internationaler Kooperation und durch die Herstellung sozialer Gerechtigkeit.

AG "Für den Frieden"

 

 
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