Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/01      Seite 1
 
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"Radio Bremen 2" wird ausgeschaltet

Das einzigartige Programm wird einem Formatradio weichen

Das einzigartige abwechslungsreiche und anspruchsvolle Radioprogramm "bremen 2" wird ab 1.11.2001 der Rundfunkgeschichte angehören. Statt "bremen 2" wird "Nordwestradio" ausgestrahlt, dessen Schwerpunkt auf regionale und kulturelle Berichterstattung aus Bremen und dem Umland liegen soll. Der NDR beteiligt sich zu 50% an den Kosten dieses Programms und baut weitere Korrespondentenplätze in Wilhelmshaven, Zeven und Vechta auf, um über sein Korrespondentennetz Berichte zuzuliefern. Die Programmproduktion und -verantwortung wird bei Radio Bremen liegen.

Begründet wird diese Maßnahme mit den Kürzungen im Etat von Radio Bremen, die 1998 vom Land beschlossen wurde und einen Weiterbetrieb des 22 Mio. DM-Programms nicht finanzierbar erscheinen lassen. Das neue Nordwestradio wird 12 Mio. DM kosten, wovon 6 Mio. DM vom NDR beigesteuert werden. Der Kooperationsvertrag zwischen beiden Anstalten läuft bis 31.12.2005.

Abflachung vorprogrammiert

Nach dem Bekanntwerden der Pläne wurde heftige Kritik geäußert, denn es ist zu befürchten, daß die Programmqualität stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Dafür gibt es mehrere Anzeichen:

"bremen 2" ist ein "Einschaltprogramm". Das bedeutet, daß es so konzipiert ist, daß HörerInnen gezielt Sendungen einschalten, um zuzuhören und danach auch wieder abschalten ("Zuhör-Programm"). Nordwestradio soll tagsüber ein "durchhörbares Formatradio" werden. ZuhörerInnen sollen das Programm einschalten und eingeschaltet lassen, so daß es neben der alltäglichen Beschäftigung mitläuft, ohne davon abzulenken - also ein Programm zum Nicht-Genau-Hinhören, bei dem es egal ist, wann man einschaltet ("Weghör-Programm"). Abends, wenn die Einschaltquoten der Radios zurückgehen, soll es wieder ein unformatiertes Einschaltprogramm sein.

Man kann dieses auch in der Programm"struktur" von Nordwestradio wiederfinden: Zehn Sendestunden sind tagsüber für Magazin vorgesehen, die anders sein werden als die bisherigen anspruchsvollen Magazinsendungen von "bremen 2". Wortbeiträge dürfen dann je nach Sendeplatz maximal dreieinhalb bis fünf Minuten lang sein. Inhaltlicher Tiefgang und umfassende Hintergrundinformation werden daher wahrscheinlich eher eine Seltenheit sein.

Daß es auf Einzel-Sendungen mit einem bestimmten Profil nicht ankommt, zeigt auch die Herangehensweise, wie das Programm offenbar geplant wird. Bekannt ist bisher nur, wann Magazin und wann Musik kommt, aber nicht, was für konkrete Sendungen man sich unter den einzelnen Sendeplätzen vorzustellen hat. Würde man ein "Zuhör-Programm" planen, hätte man konkrete Sendungen, die man auf den Tag verteilen würde.

Die angestrebte Musikrichtung soll außergewöhnlich, aber an der Durchhörbarkeit des Programms orientiert sein. Erst am Abend und sonntags wird es speziellere Musikangebote geben.

Zur vollen und halben Stunde gibt es Nachrichten, Verkehrshinweise und Wetter. Ob es auch Werbung gibt, sei laut Radio Bremen noch nicht entschieden. Derzeit arbeite die Radio-Bremen-Werbung GmbH an einer Marktanalyse, die als Entscheidungsgrundlage dienen soll.

Noch gibt's viel
Außergewöhnliches

Wer einmal in das Programm von "bremen 2" hineinhört oder die Programmübersicht durchliest, stellt fest, daß sehr viele außergewöhnliche und interessante Sendungen geboten werden, die alle flachfallen werden. Seien es die Sommergäste, das Uni-Magazin "Campus-Radio", "alla breve", "musica nova", "al fresco", "nota bene", "Konzerttips", "Augustinus Miniaturen" etc.

Die härtesten Einschnitte gibt es bei den Eigenproduktionen in den Aufgabengebieten Musik und sogenanntes kulturelles Wort. Wenn es aber Mitschnitte von Musikveranstaltungen in der Region oder von Vorträgen nicht mehr so häufig gibt, sinkt auch die Verbundenheit mit der Kultur in der Region.

Wenig bleibt erhalten

Einige Sendungen wird es laut Radio Bremen noch über das Ende von "bremen 2" hinaus geben, da sie im Programm "Funkhaus Europa" integriert sind, das seit 1.9.2001 zusätzlich zur Mittelwelle auch über die ehemaligen UKW-Frequenzen von "bremen 3" zu hören und sehr hörenswert ist (siehe KurzBerichtet und Hörfunktips). Das sind "Art und Weise", "Daheim in der Fremde" und (das ist nicht explizit bestätigt) auch "Globale Dorfmusik", die dort aber nur am Samstagnachmittag läuft.

Hat Radio Bremen Zukunft?

Die Zukunft der Sendeanstalt kann man sicherlich nicht allein an einem Hörfunkprogramm festmachen, doch sei die provokative Frage gestellt, was den Hörfunk von Radio Bremen erhaltenswert macht.

Die beiden Mainstreamprogramme "bremen 1" und "bremen 4" sicherlich nicht. Zwar identifizieren sich viele Hörer mit "ihrem" Programm, doch prinzipiell unterscheiden sie sich in Niveau, Struktur, Musikfarbe und Machart kaum voneinander und sind daher letztlich austauschbar.

Das neu über UKW ausgestrahlte "Funkhaus Europa" steht unter der Federführung des WDR und kann auch bestehen, wenn es keine Frequenz in Bremen mehr gibt. Radio Bremen und der SFB sind hier Kooperationspartner und Programmzulieferer.

Das Nordwestradio könnte in ein Landesprogramm der größeren Anstalt NDR aufgehen. Dann wären Korrespondenten-Netz und Programmverantwortung und -gestaltung in einer Hand. Ein Programm wie "bremen 2" ließe sich viel schwieriger in den NDR integrieren.

Radio Bremen wird weitersenden

Radio Bremen selbst ist davon überzeugt, daß gerade durch die Veränderung der Bestand von Radio Bremen gesichert werde und führt an, daß das Land Bremen sich eindeutig für den Erhalt ausgesprochen hat. Die "Mehrheits-"Programme "bremen 1" und "bremen 4" seien zudem eine Grundlage für die Entscheidung gewesen, denn es sei Teil des Programmauftrages von Radio Bremen, Mehrheiten zu bedienen. Abgesehen davon seien beide Programme erfolgreich und brächten zusätzliche Einnahmen.

Der andere Teil des Programmauftrages von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist jedoch, zur Meinungsvielfalt und dem Gemeinwohl des Volkes beizutragen. Dieses wird aber mit Hilfe der "durchhörbaren" Weghör-Programme nicht zu erreichen sein, weil niemand mehr irgendetwas Hintergründiges aus dem Radio erfährt. Diese Programme erfüllen zwar einerseits Programmauftrag, stehen aber gleichzeitig im Gegensatz dazu. Es läuft also auf eine Mischung von Zu- und Weghörprogrammen hinaus, weswegen der Verlust von "bremen 2" ein wirklicher Verlust für Radio Bremen und Bremen darstellt, auch wenn die Freie Hansestadt aus tradionellen Gründen nicht so schnell auf ihren Sender verzichten wird.

muh

Hinweis:
Retten, was zu retten ist...

Es gibt in Bremen die Initiative Hörsturz, die die jüngste Entwicklung kritisch beobachtet und versucht, auf die Gestaltung des neuen Programms Einfluß zu nehmen. Unregelmäßig gibt es öffentliche Hörsturz-Treffen montags um 18 Uhr 30 im Bürgerhaus Weserterassen am Osterdeich in Bremen. Informationen kann man bekommen über http://www.hoersturz.org. Kontakt-Möglichkeit: "hörsturz", Interessengemeinschaft für Bremer Radiokultur; c/o Verein Bürgerhaus Weserterrassen e.V.; Osterdeich 70b; 28205 Bremen; Informationen bekommen Sie auch bei R. Dietzold, Telefon: 04 21/7 89 39.

 

 
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