Ausgabe 9/01 | Seite 12 | |||||
Leserbrief zu "Qual der Wahl"
(STACHEL 8/01, S. 1) erreichte uns folgender Brief:Sehr geehrter Herr BeSch, wenn diese Zeilen vom STACHEL veröffentlicht werden können, ist die Wahl vorbei - und ich war nicht hin. Dafür gab es verschiedene persönliche, aber vor allem sachliche Gründe. Ich zähle sie einmal auf: 1. Auf kommunaler Ebene gibt es nicht, wie im Land oder im Bund, ein Parlament, das eine Regierung wählt, der dann eine Opposition gegenüber steht. Hier existieren nur ein Rat und ein Verwaltungsausschuß, dem alle Fraktionen angehören. Außerdem haben wir es mit Fachausschüssen zu tun, die die Entscheidungen des Rates bzw. des Verwaltungsausschusses vorbereiten. In all diesen Gremien sitzen die Teilnehmer fünf Jahre lang beisammen und entwickeln dabei notwendigerweise ein bestimmtes "Wir-Gefühl", das sich allenfalls gegen konkurrierende Ausschüsse richtet, nicht aber gegen die konkurrierende Partei. Der von Ihnen angesprochene Filz ist also vom Gesetzgeber gewollt. Faktisch haben wir es also mit einer Einheitsliste zu tun, der der Untertan dieser Republik nur zustimmen kann. 2. Die von Ihnen beklagte Haushaltsmisere ist eine Folge der kommunalen Finanzverfassung. Da die Städte und Gemeinden lediglich das Geld ausgeben, das ihnen von außen angewiesen wird, sich aber um die Einnahmeseite nicht zu kümmern brauchen, wäre natürlich jede Kommune mit dem Klammerbeutel gepudert, die den Spielraum nicht bis zum Äußersten ausnutzte, denn im Falle der Mißwirtschaft gibt es halt noch mehr Geld, denn eine Stadt, wie Oldenburg, kann nicht pleite gehen. Die Folge ist, daß der Rat, der eh nichts zu sagen hat, dann, wenn einmal dieser Zustand eingetreten ist, gar nichts mehr zu entscheiden hat. Er dient nur noch der Dekoration. 3. Da der Oberbürgermeister nunmehr nicht nur Chef der Verwaltung, sondern darüber hinaus auch noch Vorsitzender des Rates ist, haben wir auf kommunaler Ebene faktisch das Führerprinzip. Der Rat ist allenfalls noch ein Beirat - mehr nicht. Das wäre nicht so schlimm, wenn nicht die Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters durch die Mühlen des Parteien-Establishments kleingemahlen wären. Das Problem jeder Oligarchie, die sich notwendigerweise nach außen abschottet, ist aber, daß sich in ihr die negativen Charaktereigenschaften durchsetzen. Konkret: Jeder Parteifürst wird darauf achten, daß in seinem Beritt keiner hochkommt, der ihm an Intelligenz, Durchsetzungsfähigkeit und ähnlichen Eigenschaften überlegen ist, dagegen solche Personen um sich sammeln, die dümmer, fauler und inkompetenter sind als er - aber unter diesem Personal wird einer sein, der noch intriganter, noch verlogener und noch tückischer ist - und das wird sein Nachfolger. Wenn man Pech hat, folgt auf einen Lenin ein Stalin und wenn man Glück hat, auf einen Adenauer ein Kohl - umgekehrt funktioniert das nie! Die entscheidende Frage lautet doch:
Welche Funktion hat eine Wahl?Wenn ich hoffen kann, durch mein Votum eine Politik zu ändern, die mir nicht paßt, dann habe ich einen Grund zu wählen, aber so etwas kann aus strukturellen Gründen nicht geschehen. Wie immer ich abstimme: In Oldenburg geschieht eh nur das, was im Rotary-Club vereinbart wurde. Wenn ich vermuten kann, daß ich durch meine Kreuzchen Personen, die mir nicht passen, abwählen kann, wäre auch das ein Motiv - aber nach dem geltenden Recht kann jemand, der sich an die Spitze einer Partei hochgedienert hat, nur durch eine Palastrevolte in seiner Partei abgesetzt werden, es sei denn, daß ihn irgendwelche Viren aus der Bahn werfen. Eine dritte Möglichkeit sehe ich nicht. Und ob am Ende einer Liste Idiotus Schafskopf oder Geilchen Tunichtgut in den Rat kommt, ist ganz gleichgültig.
Greife ich die Demokratie an, |
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