Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/01      Seite 16
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Fahrradstraße - die Politik verweigert sich

Es war alles für das happy-end der Fahrradstraße vorbereitet: der Runde Tisch Fahrradstraße hatte unter breiter Beteiligung - Verwaltung, Politik, Anwohner, Polizei, ADFC - mit Hilfe eines Planungsbüros Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in der Fahrradstraße erarbeitet. Nun brauchte nur noch die Politik im Verkehrsausschuß der Stadt Oldenburg diesen Maßnahmen zuzustimmen und schon hätte der schlechte Zustand der Fahrradstraße in einigen wenigen Monaten Geschichte sein können. Sein können, denn es kam anders:

Es begann damit, daß in besagter Ausschußsitzung die CDU beantragte, den Tagesordnungspunkt Fahrradstraße zu vertagen, da alle vier Mitglieder der CDU im Ausschuß die mitgeschickten Unterlagen zur Fahrradstraße, in denen die Verbesserungsmaßnahmen detailliert dargestellt wurden, nicht gefunden und daher nicht gelesen hätten. Dieses könne ja nun mal passieren ...

Darauf wollten sich die Grünen und die SPD nicht einlassen, da im Prinzip Konsens über die Verbesserungsmaßnahmen für die Fahrradstraße bestehe und die Umsetzung der Maßnahmen nicht deshalb aufgeschoben werden soll, nur weil eine Partei ihre Unterlagen nicht finden konnte/wollte.

Als nächstes kam dann die SPD in Person von Gesine Multhaupt: Zuerst übte sie Kritik an der Oldenburger Verwaltung: Die in dem Gutachten genannten Fehler hätte man schon vorher erkennen und daher auch im Vorfeld der Einrichtung der Fahrradstraße vermeiden können. Dann folgte allerdings die 180 Grad-Wendung: Anstatt den Maßnahmen zuzustimmen, war für sie der Betrag von 100.000 DM für die Verbesserungsmaßnahmen zu hoch, da auch andere Radwege dringend sanierungsbedürftig seien. Daher wollte sie im Namen der SPD nur 50.000 DM für die Verbesserung zur Verfügung stellen. Daraufhin hagelte es Kritik von Grüne, FDP und ADFC, die befürchteten, daß durch ein nur teilweises und halbherzige Umsetzen der Maßnahmen die erwünschten Ergebnisse - Geschwindigkeitsreduzierung, Verhinderung von Kfz-Durchgangsverkehr - nicht eintreten werden und der SPD Halbherzigkeit bei den Bemühungen zur Verbesserung der Situation in der Fahrradstraße vorwarfen. Daraufhin ruderte die SPD zurück, indem Herr Danne erklärte, dieses sei so von Frau Multhaupt nicht gemeint. Gemeint sei dagegen, daß in diesem Jahr nur 50.000 DM bereitgestellt werden sollen, die anderen 50.000 DM im Jahr 2002.

Das folgende Abstimmungsverhalten war danach fast schon logisch: Der Vertagungsantrag der CDU wurde mit den Stimmen der SPD und den Grünen abgelehnt. Der Antrag der SPD, nur 50.000 DM (in diesem Jahr) zu bewilligen, wurde mit den Stimmen der CDU und der Grünen ebenfalls abgelehnt. Spannend wurde es, als der Verwaltungsantrag über die 100.000 DM zur Abstimmung anstand: Nachdem die Grünen zugestimmt hatten, gab es auf die Frage nach Gegenstimmen zunächst keine Reaktion. Nach einer kurzen Pause des Umschauens hoben dann Vertreter von CDU und SPD zögerlich ihre Hand: der Antrag der Verwaltung war damit ebenfalls abgelehnt. Einen Beschluß, wie nun weiter verfahren wird, gab es daher nicht, das Projekt "Verbesserung der Situation in der Fahrradstraße" hängt in der Luft.

Dieses ganze Geschehen war peinlich und fatal zugleich. Nach außen hat die Politik den fatalen Eindruck vermittelt, sie stehe nicht zur Fahrradstraße und sei an einer Verbesserung der Situation nicht wirklich interessiert. Peinlich sind zudem die Machtspielchen zwischen CDU, SPD und Grüne - man merkt, daß die rot-grüne Koalition nicht mehr existiert.

Bei der CDU fragt man sich, wie es einerseits angehen kann, daß gleich vier Ratsmitglieder die Unterlagen zur Fahrradstraße einfach so übersehen, andererseits es nicht möglich zu sein scheint, daß der Vertreter der CDU am Runden Tisch Fahrradstraße - Andreas Daum - seine Fraktionskollegen und -kolleginnen über die Ergebnisse informiert, so daß ein Studieren der Unterlagen nicht unbedingt notwendig gewesen wäre.

Bei der SPD bleibt absolut unverständlich, warum erst Kritik an der Verwaltung über die Nichtbeachtung der angeblich im Vorfeld bekannten Probleme bei der Einrichtung der Fahrradstraße geübt wurde, anschließend aber die vom Runden Tisch Fahrradstraße erarbeiteten (wo war die SPD?) und zur Verbesserung und Problembeseitigung notwendigen Vorschläge als zu teuer abgelehnt wurden, und nun eine Fahrradstraße entstehen soll, bei der wiederum aufgrund reduzierter Geldzuwendungen eine Reihe von bekannten Problemen weiterhin ungelöst bleiben müssen. Das anschließende Rückrudern der SPD wirkt unglaubwürdig. Wenn Frau Multhaupt wirklich gemeint hätte, daß eine Splittung der Gelder erfolgen soll - 50.000 DM in diesem und 50.000 DM im nächsten Jahr -, dann hätte sie es auch so gesagt. Da sie es aber so nicht gesagt hat, war es so auch nicht gemeint. Außer der SPD dürfte kaum einer der im Raum Anwesenden der SPD Version Glauben geschenkt haben. Sehr ungeschickt auch das Verhalten der SPD bei der Abstimmung: Anstatt dem Antrag der Verwaltung zuzustimmen, um sich danach Gedanken über den Zeitpunkt der Umbaumaßnahmen zu machen - bei etwas Geschick wäre ein zeitliches Verzögern bis Ende des Jahres vielleicht möglich gewesen -, hat die SPD öffentlich gegen die Verbesserungsmaßnahmen zur Fahrradstraße gestimmt. Darauf, daß sich die SPD Mitglieder im Ausschuß dessen wohl bewußt waren, kann das zögerliche Handhochheben bei der Abstimmung des Verwaltungsantrages gedeutet werden.

Dieses Abstimmungsverhalten war nicht nur ein schwerer Schlag gegen die Fahrradstraße, sondern auch gegen die Glaubwürdigkeit der Oldenburger Politik, die einerseits immer wieder beteuert, zur Fahrradstraße zu stehen und eine Verbesserung der Situation für unbedingt erforderlich hält, auf der anderen Seite aber die Zustimmung zu den notwendigen Maßnahmen verweigert bzw. immer weiter herauszögert.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Der ADFC hat für die kommende Sitzung des Verkehrsausschusses den Antrag der Verwaltung erneut gestellt, um die Politik zu zwingen, endlich Farbe zu bekennen und dem Projekt Fahrradstraße vielleicht endlich mal zu einem positiven Ende in Form von effizienten Verbesserungsmaßnahmen, wie sie vom Runden Tisch Fahrradstraße erarbeitet worden sind, zu verhelfen.

Aber ob das eintritt ...

Stephan Popken

 

 
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