Ausgabe 10/00 | Seite 13 | |||||
NeoNazis ins Netz gegangen?
Wie Engagement gegen rechts aufgerieben wirdVerschiedenste Formen rechter Positionen sind im "Netz der Netze" zu finden. Das reicht von wünschenswerter Meinungsäußerung über Propaganda bis hin zu menschenverachtender Hetze. Jüngst gab es zu letzterem auch ein "Portal" auf einem Oldenburger Server zu finden. Wie von der dortigen Anbieterin verlautete, soll die "URL" - nämlich der Verweis, also das, was üblicherweise mit der Maus angeklickt wird - mit einem automatisierten Dienst beantragt worden sein. Zugleich beantragt wurde auch eine ebenfalls automatisierte Weiterleitung. Die eigentlichen Daten dieser "WebSite" wurden physikalisch in den USA gelagert. Dieser kleine Unterschied zwischen URL und den gespeicherten Daten wird spitzfindig verwendet, um Menschen mit rechtlichen Konsequenzen zu bedrohen, die es wagten, darauf hinzuweisen, daß sich hier ein Angebot befindet, welches über den Rahmen politischer Unappetitlichkeit hinausgeht.
Die verachtende Propaganda wird entdecktNun gibt es auf diesem Server online-Angebote bedeutender Verlagshäuser. Auch die Stadt Oldenburg steht in einem Vertragsverhältnis mit diesem Provider. Diesen Umstand anmerkend wies jemand auf die Nazi-Domain hin: "Aber auch die Nazi Domain http://www.d-f-s.de/ liegt auf dem server dieses Unternehmens." Wie bereits angedeutet, lag jedoch nur ein kleiner Teil in Oldenburg, die URL. Dies war jedoch der technische Hintergrund, das hierfür spezialisierte Suchmaschinen als Provider für die Nazi-Domain die Firma in Oldenburg angaben und nicht etwa den amerikanischen Host. Und deshalb forderten die Entdecker dieser Schmutzseiten folgerichtig den Oldenburger Anbieter auf, diese Seiten aus dem Netz zu nehmen.
Die verachtende Propaganda bleibt erreichbarAls dies keinen Erfolg zeigte, wurde die gleiche Nachricht über das Internet verbreitet. Hinzugefügt lediglich die Adresse, an die Proteste gerichtet werden könnten: "info@firma". Die Antwort kam mailwendend: "Die Aussage die sie hier ueber unser Unternehmen taetigen ist sachlich falsch. Falls Sie das bezweifeln, rate ich Ihnen kurzfristig Kontakt mit jemanden aufzunehmen, der mit der Internet-Technik vertraut ist und sie beraet. Sie haben bis heute 18 Uhr Zeit die zurueckzunehmen, da wir anderweitig gegen sie wg. Verleumdung vorgehen werden. Desweiteren werden wir ihre Daten den zustaendigen Behoerden weiterleiten, die derzeit gegen d-f-s.de (die Nazi-Seiten, d.Red.) ermitteln und die wir dabei unterstuetzen. Diese werden dann ggf. wg. Behinderung von Ermittlungen ermitteln - wenigstens hoffe ich das, damit auch Leute wie sie lernen, daß es Wege gibt, den Rechtsradikalismus wirklich zu bekaempfen - und nicht ihn zu schuetzen oder zu staerken, wie sie es tun." Gleichzeitig blieb der Nazi-Müll weiterhin im Netz lesbar. Dabei hätte lediglich die Oldenburger Adresse abgeschaltet werden müssen, um diesem Graus ein zumindest vorläufiges Ende zu bereiten.
Doch jetzt wird es ernstWährend ein einfacher Hinweis auf Fascho-Kram - auch mit dem Einräumen von Protestmöglichkeiten - juristisch betrachtet schwerlich als Verleumdung zu betrachten sein wird, hat sich der Oldenburger Anbieter Schärferes anzulasten. Denn eine MitarbeiterIn des Oldenburger STACHEL hatte den Hinweis auf die Unappetitlichkeiten während einer privaten Nutzung des Netzes der Netze gefunden. Und diesen unmittelbar komplett an den Provider weitergegeben mit der spontanen Frage: "Ist da etwas dran? Was ist da dran? Mit herzlichen Grüßen." Und genau diese Fragen wurden entfernt, jedoch mit voller Namensnennung wurde die Mail an andere weitergegeben. Durch diese Verunstaltung der ursprünglichen Anfrage und Information wirkte es auf die Empfängerinnen, als sei die STACHEL-RedakteurIn MitarbeiterIn der Anbieterfirma oder die ursprüngliche VerfasserInder Information. Zugleich wurde die oben zitierte Drohung übermittelt. Da es sich um eine unmittelbare Reaktion auf den ersten veröffentlichten Hinweis handelte, wurde dies wiederum von EmpfängerInnen ins Netz gestellt. Proteste hinsichtlich der Namensnennung und Weiterleitung seitens des Redaktionsmitglieds wurde mit übler Nachrede beantwortet: Der Oldenburger Anbieter eröffnete nach feinster Kohlscher Rhetorik einen Nebenschauplatz und behauptete - wortreich von der eigentlichen Frage ablenkend - die STACHEL-JournalistIn habe sich bei Ihrer Frage nicht als solche zu erkennen gegeben. Es läge ein Verstoß gegen den Pressekodex vor. (Die STACHEL-Redaktion sieht das anders.) Dies wurde mehrfach bei verschiedenen Anlässen von der Firma vertreten und verbreitet. Andererseits gab es ausreichend zu lesen, in welchen tollen Organisationen ein Mitarbeiter der Firma Mitglied sei. Konsequent durchdacht bedeutet der Vorwurf, daß zukünftig Journalistinnen bei einer privaten Frage nach Brötchen ihren Beruf nennen müssen? Die Nazi-Seiten jedoch waren weiter lesbar.
Die Grundsatzfragelautet: Was soll Vorrang haben? Verfolgung von Straftätern oder der Schutz der Öffentlichkeit - in diesem Fall vor strafbarer Propaganda und Hetze. Alle Vergleiche können einen Sachverhalt nicht vollständig abbilden. Doch wie würde es empfunden, wenn ein Attentäter die Waffe auf jemand richtet und die Polizei sagte: Einen Moment bitte, wir wollen zunächst feststellen, wer sie sind. Doch genau dies sollen die Staatsschutzbehörden getan haben. Die Nazi-URL soll nach den Angaben des Oldenburger Anbieters auf ausdrückliche Anweisung offengehalten worden sein. Nachfragen der STACHEL-Redaktion nunmehr bei den verschiedensten Organisationseinheiten des Staatsschutzes verliefen negativ. Selbst die von der Oldenburger Firma ausdrücklich beim STACHEL eingeforderte Anfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz ergab lediglich, daß ein solches - wie von der Firma genanntes Aktenzeichen bzw. eine Abteilungsbezeichnung keinesfalls dort existiere. Genaueres wird in diesem konkreten Zusammenhang wohl erst zu erfahren sein, wenn die Geheimdienste ihre Dateien öffnen.
Möglichkeiten für MenschenWer auf solchen oder ähnlichen Schrott stößt und etwas tun möchte, sollte daran denken, daß alle Bewegungen im Netz auf verschiedene Weisen beobachtet und kontrolliert werden können. Die Netzanbieter können z.B. online beobachten, wer gerade bei ihnen liest. Das bedeutet zumindest die Erkenntnis, von welchem Computer aus ihre WorldWideWeb-Seiten angesteuert werden. Allerdings gibt es Möglichkeiten, sich beim Mailen und beim Surfen zu anonymisieren. Das schließt einige Beobachter aus, aber nicht alle. Und wer weiß, ob nicht die Anbieter der Anonymisierung mitschreiben und was mit den so gewonnenen Daten geschieht. Hinsichtlich der namentlich gekennzeichneten unberechtigten Weiterleitung der Information seitens der STACHEL-MitarbeiterIn hat der Anbieter dies mittlerweile doch zugegeben und den Versuch einer Entschuldigung gestartet: "Ich habe verstanden." Verknüpft jedoch mit neuem Vorwurf - die Internet-Fachsprache sei falsch verwendet worden. Daher die dringende Empfehlung: Augen auf bei der Auswahl des persönlichen Portals ins Netz. Auch namhafte MitkundInnen bieten keine Gewährleistung, daß es bei Unstimmigkeiten nicht schnell zu großem Ärger kommen kann. Und sie helfen auch nicht. Die Mitkundin Stadt Oldenburg sieht diese deutlichen Unzuverlässigkeiten z.B. als Privatsache zwischen Nutzer und Provider. Auf jeden Fall sollten Aktivitäten gegen Nazi-Schrott, Rassismus, Sexismus usw. gemeinsam geschehen. Denn falsches Heldentum bringt niemand etwas Gutes. In Oldenburg gibt es beispielsweise das "Forum gegen Rechts" und Antifaschistische Aktionsgruppen, die über das Alhambra kontaktiert werden können. Gerold Korbus
Informationen und Kontakte:DIE LINKE SEITE: http://www.linkeseite.de, http://www.linkeseite.net, http://www.dhkc.de, E-MAIL: info@linkeseite.de, tuebingen@rote-hilfe.de, FAX & AB: 0049 (0) 721-151216147, TEL: 0049 (0)174-4745606, Oldenburger Forum gegen Rechts, c/o DGB Oldenburg, Kaiserstraße 4-6, Tel. 0441,21876-0 Alhambra, Hermannstraße 83, Tel. 0441,14402
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