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"Kriminalisierung von Kirchenasyl"Niedersächsische Justiz klagt Pastoren wegen Kirchenasyl als Schlepper an Tatvorwurf: "Einschleusen von Ausländern" "Nicht die Pastoren, die deutsche Asylpraxis gehört auf die Anklagebank" Verbände sehen Präzedenzfall und kritisieren "Kriminalisierung von Kirchenasyl" 28. April 2000 "Nicht die Unterstützer des Kirchenasyls gehören auf die Anklagebank, sondern die deutsche Asylpraxis!" Mit diesen Worten kommentierte PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann die Tatsache, daß erstmals in der Geschichte der BRD aufgrund eines Kirchenasyls ein Verfahren gegen zwei Pastoren nach dem sogenannten "Schlepper-Paragraphen" eröffnet wurde. Wegen "täterschaftlichen Einschleusens von Ausländern" müssen sich vor dem Amtsgericht Braunschweig ein Pastor und eine Pastorin der evangelisch-reformierten Gemeinde Braunschweig verantworten, die einer pakistanischen Flüchtlingsfamilie seit über 3 Jahren Kirchenasyl gewähren. PRO ASYL unterstützt die Pastoren auch finanziell über seinen Rechtshilfefonds. Das im Januar 2000 beim Amtsgericht Braunschweig eröffnete Verfahren wurde zunächst unterbrochen, um die Position des nds. Innenministeriums zum Braunschweiger Kirchenasyl einzuholen, und soll demnächst fortgesetzt werden. Parallel bat der niedersächsische Flüchtlingsrat das nds. Justizministerium um eine Stellungnahme zu diesem Präzedenzfall. Das Niedersächsische Justizministerium, vertreten durch Oberstaatsanwalt Dr. Hackner, hat sich in einer Einlassung gegenüber der niedersächsischen Ausländerkommission mit Schreiben vom 24.3.2000 ausdrücklich hinter die Ermittlungen gestellt und dies mit einer angeblich geänderten Rechtslage begründet: Nach einer Änderung des § 92a AuslG, die am 30.10.1997 in Kraft getreten ist, mache sich, so Staatsanwalt Hackner, nunmehr auch derjenige strafbar, der weniger als fünf Ausländer dabei unterstütze, ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland zu bleiben. Eine Verurteilung nach § 92a Abs. 1 AuslG kann eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Fakt ist jedoch, daß die pakistanische Familie, der die evangelisch-reformierte Kirche in Braunschweig Kirchenasyl gewährt, aus 8 Personen besteht. Eine Änderung der Rechtslage ist insofern für die hier vorliegende Konstellation gar nicht eingetreten. "Offenkundig sind die von Oberstaatsanwalt Hackner angeführten rechtliche Aspekte also nur vorgeschoben: Tatsächlich handelt es sich um einen kaum kaschierten Versuch, die Kirchenasyl-Bewegung durch juristische Verfolgung und Kriminalisierung einzuschüchtern", so Norbert Grehl-Schmitt vom Vorstand des nds. Flüchtlingsrat. Aus "Respekt und Rücksichtnahme" gegenüber den Kirchenasyl gewährenden Gemeinden wolle das Land nicht in sakrale Räume gewaltsam eindringen, erklärte das nds. Innenministerium noch 1999. Von Respekt und Rücksichtnahme ist jedoch in der Stellungnahme des Justizministeriums nichts zu spüren: Für denkbar hält Oberstaatsanwalt Dr. Hackner auch die Anwendung der weiteren Absätze der §§ 92a, 92b AuslG gegen Kirchenasylgemeinden, z.B. wegen "bandenmäßig begangener Verstöße". Eine Verurteilung kann eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren nach sich ziehen. Wird Kirchenasyl demnächst als organisierte Kriminalität gewertet? Daß in Niedersachsen offenbar mit besonderer Härte gegen Kirchenasylgemeinden vorgegangen wird, legt die Statistik über den bisherigen Umgang der deutschen Verfolgungsbehörden mit Kirchenasyl zumindest nahe: "Uns ist bislang kein einziger Fall einer Verurteilung von Pastoren/-innen oder sonstigen Unterstützern/innen von Kirchenasyl bekannt. Den Erkenntnissen der Bundesarbeitsgescheinschaft Asyl in der Kirche zufolge hat es bundesweit rund 35 Ermittlungsverfahren nach § 27 StGB wegen "Beihilfe" zum illegalen Aufenthalt von Flüchtlingen gegeben, die sämtlichst eingestellt wurden", erklärte Hildegard Grosse von der Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche". In zwei Fällen erfolgte die Einstellung mit der Auflage von Bußgeldern. Gegen die jetzt angeklagten Braunschweiger Pastoren war ein Ermittlungsverfahren im Dezember 1997 zunächst sanktionslos eingestellt, dann aber 1999 neu eingeleitet worden. In Ausübung ihrer Glaubensverantwortung und im Rückgriff auf christliche Tradition und Lehre gewähren Kirchengemeinden Flüchtlingen seit Jahren Unterkunft, Verpflegung und Betreuung in ihren Räumen. In vielen Fällen konnte so die drohende Abschiebung verhindert, ein humanitäres Bleiberecht oder sogar eine Asylanerkennung erreicht werden. Auch gegenüber anderen Kirchenasyl gewährenden Gemeinden hat sich die Gangart der Justizbehörden deutlich verschärft: Mehrere Kirchengemeinden erhielten unmißverständliche Drohungen, man werde bei Fortsetzung des Kirchenasyls über einen von den Behörden gesetzten Zeitpunkt hinaus mit strafrechtlichen Mitteln gegen die Kirchengemeinden vorgehen. Mit der Gewährung einer sanktionsfreien "Schonfrist" trägt die Staatsanwaltschaft allerdings der Tatsache Rechnung, daß die weitaus meisten Kirchenasyle zu einem Aufenthaltsrecht für die aufgenommenen Flüchtlinge führten. "Die Defizite der deutschen Asylpraxis werden gerade auch durch den erfolgreichen Ausgang der überwiegenden Mehrheit der Kirchenasyle nachdrücklich belegt", so PRO ASYL - Sprecher Heiko Kauffmann. Der Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" zufolge waren 1999 26 der 39 Kirchenasyle erfolgreich. Eines davon im niedersächsischen Sandhorst bei Aurich. Dort erhielt eine kurdische Familie nach 941 Tagen im Kirchenasyl endlich den zunächst verweigerten Flüchtlingsstatus zugesprochen. AK Asyl
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