Ausgabe 4/00 | Seite 5 | |||||
Cornelia Eichner: ... Und flechte mir Tränen ins Haar
Der Mut zu Bildern, die der Phantasie des Alltäglichen entnommen sind, eindringlich, prägnant. Die literarische Szene in Deutschland zeigt wenige junge Autoren mit seiner solchen Sprachbegabung, mit einer hohen Empfindsamkeit bei der Analyse gesellschaftlicher Wirklichkeit und zugleich einer solch gesellschaftlichen Ahnung von Hoffnung. Natürlich, so analysiert z.B. Wolf Peter Schnetz die Lyrik der jungen Zwickauerin völlig richtig, überwiegt - ohne es in resignative Grundzüge umschlagen zu lassen - die Trauer und der Schmerz über die Erfahrungen des Alltags, die Verletzlichkeit von Frau und Mann in der Liebe, im Miteinander der Gesellschaft. "Solange Du Deine Füße / unter meinen Tisch / steckst,.."// Warum stellst Du denn auch / Deinen Tisch in mein Leben?" Jede der lyrischen Arbeiten ergreift den Leser, der Zeit benötigt, die lyrischen und grafischen Angebote des Bandes zu erarbeiten. Der Verlag läßt ihm bewußt durch eine großzügige Anordnung der Arbeiten Lesemöglichkeiten und Lesenotwendigkeiten diesen Raum. Ein Buch voller Erleben, voll emotonalisierter Alltäglichkeiten. Die nur als großartig zu bezeichnenden grafischen Arbeiten von Kerstin Adler ergänzen den Prozeß der Suche, des Entdeckens von verbleibenden Wirklichkeiten, Wichtigkeiten, niemals vorgebliche Wahrheiten über die Alltäglichkeit. So gerät die Wirklichkeit trotz ihrer unverkennbaren Verletzung von Menschlichkeit doch zugleich zu einem Traum: "das pferd / scheuklappen tragend / dem pflug vorgespannt / zieht es alltäglich/die furchen tief / ins weltenanlitz // - und träumt dabei / von pegasus." Die junge Zwickauer Autorin und ihre junge Grafikerkollegin zeigen literarisch ihren Weg, die Welt neu und human zu erobern: "nimm / den offenen raum / breite ihn /aus atme / aus fühle / hier bist / du". Ein Lyrikband, der mehr als zu empfehlen ist. Keine unlesbare philosophische Tiefe, keine politische Schwarz-Weiß-Malerei oder esoterische Albernheit. Hier beweisen zwei junge Künstlerinnen die Lebenskraft und den Mut des eigenen - auch literarische/künstlerischen - Lebenswegs. Vielleicht eines der ersten Anzeichen einer neuen Generation junger Autoren, die bereit sind, auf der Basis eines humanen, verantwortlichen Individualismus neue gesellschaftliche Positionen zu entwickeln.
B. Dhünn Cornelia Eichner: '...Und flechte mir Tränen ins Haar. Gedanken-Bilder. Mit Grafiken von Kerstin Adler. Geest-Verlag, Sage-Haast 2000. ISBN 3-934852-11-4 / DM 16.80DM (Bestellungen portofrei ab Verlag: Tel.04435/1745)
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