Oldenburger STACHEL Ausgabe 3/00      Seite 6
 
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Tempolimit ohne Kontrolle

"Bitte langsam fahren" war der Titel eines Artikels von Gerold Korbus im Stachel 2/2000. Im letzten Absatz kamen auch Fahrräder zur Sprache. Insbesondere die Geschwindigkeitsbeschränkung für Radfahrer. Radfahrer würden sich aufgrund des Verletzungsrisikos ohnehin vorsichtig verhalten und die Polizei mache entsprechend auch keine Kontrollen.

Was kann man hierzu sagen?

Nein. Ja. Es ist tatsächlich so, daß auch Radfahrer nicht besonders selten der Situation entsprechend zu schnell fahren. Und es ist ganz offenbar so, daß die Polizei keine Geschwindigkeitskontrollen für Radfahrer betreibt.

Wie sieht es rechtlich aus?

Die StVO sieht auf allen gemeinsamen Rad-/Gehwegen ein mäßiges Tempo vor, welches in der Rechtssprechung nicht über 20km/h, sondern eher bei maximal 15 angesiedelt wird. Für die seit der StVO-Novelle häufiger gewordenen Gehwege, auf denen Radfahren durch das Schild "Radfahrer frei" geduldet werden, ist ebenso wie das nächtliche Fahren in der Fußgängerzone nur mit Schrittgeschwindigkeit erlaubt.

Wie sieht die Praxis aus?

Zur "Fahrradnovelle" (der letzten StVO-Novelle) wurde folgende Aussage des damaligen Bundesverkehrsministers Wissmann in der Presse veröffentlicht: "Die Praxis hat gezeigt, daß viele Radwege sich für den modernen Radfahrverkehr nicht mehr eignen, sei es, weil sie sich in einem schlechten baulichen Zustand befinden oder weil Ausmaß und Ausstattung inzwischen unzureichend geworden sind." Dies gilt insbesondere in Städten, die viele und seit langer Zeit Radwege haben, wie Oldenburg. Hier wird zudem sehr viel mit dem Rad gefahren, so daß die Verkehrsdichte, der anderer Städte übersteigt. Vielen Menschen ist Oldenburg als Radfahrerstadt bekannt.

Wo fahren dann also die Massen der bekannten Radfahrer? Laut dem Presseamt hat die Stadt Oldenburg 244km Radweg und so ist mehr als die Hälfte des Straßennetzes damit ausgestattet (1997); in erster Linie Hauptverkehrsstraßen und Straßen in Schulnähe. Keine Radwege gibt es vornehmlich in Wohnstraßen und Randlagen des Stadtgebietes und somit auch dort wo wenig (Rad-)Verkehr ist. Wie oben vorweg genommen sind die Radwege auch in Oldenburg dem "modernen Radfahrverkehr" nicht angemessen (Dies schrieb ich auch schon im Stachel 1/99 Seite 16).

Zurück zum eigentlichen Problem

Die derzeitige Situation ist so, daß Radfahrer vielfach die oben angesprochenen gemeinsamen Geh- und Radweg vorfinden. Dies insbesondere an Hauptverkehrsstraßen wie Auguststraße, Theaterwall, Heiligengeistwall etc. Meist wird diese Form damit begründet, daß der Autoverkehr zu stark sei, um den Radverkehr auf die Straße zu lassen, und zu wenig Platz vorhanden, um den Radweg "vernünftig" auszubauen. Folge: an Hauptverkehrsstraßen entstehen für den Radverkehr Tempo 15-Zonen<Ökursiv>. Auch wenn der Radweg etra geführt wird ist aufgrund der räumlichen Enge vielfach ein ähnlich niedriges Tempo geboten. Nun könnte man aufgrund der gesetzlichen Regelung und der Beobachtung, daß viele Radfahrer trotzdem schneller fahren, zu dem Schluß gelangen, daß die Polizei hier ein sinnvolles Betätigungsfeld hätte. Doch würde dies sicher Proteste hervorrufen.

Keiner beschwert sich über unsinnige und benachteiligende Tempolimits, an die sich praktisch niemand hält. Die wenigen, die z.B. nach einem Unfall aufgrund der erhöhten Geschwindigkeit protestieren, sind zu wenig und in einer schlechten Position. Wenn jetzt aber täglich Schüler von der Polizei gebührenpflichtig verwarnt werden, wenn selbst generell als langsam eingeschätzte Personen im Rentneralter betroffen sind und ebenso die vielen berufstätigen, die zügig zur Arbeit fahren, immer häufiger Gelder löhnen müssen, dann kommt ein Diskussionprozeß in Gang, in dem immer stärker gefragt wird, warum denn in einer Fahrradstadt, die Radwege nicht so gestaltet sind, daß zügig, gefahrlos und ohne Überschreitung eines Tempolimits Rad gefahren werden kann. Fahrräder sind in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert worden und ermöglichen so immer häufiger ein komfortableres, effizienteres und sichereres Fahren als zuvor. Auch wird die Stadt gedrängt werden, die Frage zu beantworten, warum der Radfahrer an den Hauptverkehrsstraßen nur mit 15km/h voranschleichen darf, während alle Kfz mit 50 vorbeirauschen. Diese Diskrepanz ist aufgrund des deutlich höheren Gefährdungspotentials, der höheren Lärmentwicklung der Autos und durch die unsinnige Umweltbelastung nicht rational auf Grundlage der Menschenrecht und insbesondere der körperlichen Unversehrtheit, zu erklären.

Ergebnis einer solchen Diskussion

Ergebnis einer solchen Diskussion wäre letztlich die eindeutige Stellungnahme für oder gegen Gleichberechtigung im Straßenverkehr, für oder gegen umweltfreundlichen Verkehr und für oder gegen die Subventionierung einer folgenreichen Wirtschaftsgrundlage. Juristisch ist die Sache klar: Gleichberechtigung und Verursacherprinzip bürden dem Kfz-Verkehr Kosten und Restriktionen auf, wie sie sich kein Autofahrer vorstellen mag. Doch wird die Sache, falls es überhaupt erst zu einer Diskussion kommt, nur politisch entschieden werden. Und dann sieht es sicher anders aus. Aber allein die Diskussion wird viel mehr Leute zum Nachdenken anregen als bisher. Viele werden dann erstmals versuchen, Radverkehr als Verkehr<Ökursiv> zu verstehen. Eine gesellschaftliche Diskussion würde vieles ändern; zumindest und auch am wichtigsten: in den Köpfen! Nein, dies ist sicher kein Ziel, das die Polizei verfolgen möchte, zumal jeder Polizist ein Autofahrer ist. Auch die derzeitigen "Sponsoren" (Dienstfahrzeuge sind im wesentlichen von deutschen Autokonzernen) würden das ja gar nicht gut heißen.

Das heißt aber für alle, die nicht die Dominanz des Autoverkehrs fördern wollen: Macht Druck! Beschwert Euch beim Ordnungsamt, wenn Ihr etwas nicht in Ordnung findet, und macht den Polizisten Beine, daß Verkehrsgefährdung sofort aufgehoben wird. Die Ämter sind auch für Anfragen und Hinweise bezüglich unklarer Situationen da. Solange alternativer Verkehr nicht ernst genommen wird (auch und gerade von Behörden), wird sich nichts zum Positiven ändern.

Marco Oetken

 

 
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