Oldenburger STACHEL Ausgabe 3/00      Seite 14
 
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Bundesbahn - ganz privat und profitabel?

Sehr widersprüchliche Meldungen über die Zukunft der Bundesbahn in unserer Region erreichen zur Zeit die Oldenburger ZeitungsleserInnen. Während die NWZ in großer Aufmachung von Träumereien niedersächsischer und holländischer Politiker über eine Transrapid-Bahn via Groningen-Oldenburg nach Hamburg schwelgt, ohne daß die Finanzierung von Bau und Betrieb auch nur annähernd geklärt wäre, zuckelt die reale Bahn stellenweise im Schrittempo über marode Gleise von Leer nach Holland. Während unsere Monopolzeitung breit die stolzen Ankündigungen Landwirtschaftsministers Funke (Varel) wiedergibt, er habe durch persönliche Beziehungen erreicht, daß die Strecke Wilhelmshaven-Oldenburg bis zum nächsten Jahr saniert, bald elektrifiziert und der Interregio gesichert werde, künden ein paar kleine Zeilen davon, daß die Gewerkschaft der Eisenbahner im DGB sich auf einen Streik vorbereitet, weil Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr seien und massive Stillegungen drohten.

Profitabel nach Esens?

Die Privatisierung der Bahn geht in die letzte Runde. Wie vom Bundestag beschlossen, werden die Zuschüsse bis 2003 auf Null gesenkt und soll das Unternehmen Bahn für die Börse fit gemacht werden. Die DB AG soll ohne Hilfe im Markt schwimmen, doch leider haben die Bonner Politiker ihr mehrere Eisenklötze ans Bein gehängt, die sie unter den gegenwärtigen Bedingungen sofort absaufen lassen würden:

- Den Fahrweg soll die Bahn selber bezahlen, im Gegensatz zu allen Transportunternehmen auf der Straße. Alles Gerede von der Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist unter dieser Bedingung nur Heuchelei. Jeder, den es interessiert, weiß, daß die Bahn diese Konkurrenz mit der Straße nur verlieren kann. Nur einige stark benutzte Strecken für den Personenverkehr können so rentabel bewirtschaftet werden. Natürlich wird die Bahn weiter Anteile am Frachtgut verlieren, und wer in Bonn die Privatisierung beschlossen hat, sollte keine Krokodilstränen darüber vergießen, wenn irgendwo in der Provinz Strecken stillgelegt werden. Die Bahn nach Jever wird nie rentabel werden, die Privat-AG ist gezwungen, solche Kosten zu eliminieren.

- Mit Milliardenbeträgen zu teuer geplante Strecken und Bauprojekte sind der Bahn von Landes- und Bundespolitikern und ihren Vertretern im Vorstand reingedrückt worden; bekannte Beispiele sind die Berlinverbindung durch den Thüringer Wald, deren Weiterbau gerade gestoppt wurde, und die Untertunnelung des Reichstagsgeländes. Der Kapitaldienst für diese Trassen wird den Gewinn der Bahn noch lange schmälern, die daraus erzielten Einnahmen stehen in keinem Verhältnis dazu.

Der bisherige Vorstand der Bahn investierte Milliarden Mark in einige wenige Rennstrecken und teure Prestigevorhaben, anstatt flächendeckend zu modernisieren. Nun sind die Zuschüsse, die anläßlich der Privatisierung vom Staat gewährt wurden, verbraucht, und immer noch rollen alle Zugkategorien unter dem Interregio mit Waggons aus den 60er Jahren.

Durch Rationalisierung börsenfit?

Anfang März dieses Jahres zog der neue Bahnchef Mehdorn die Notbremse. Damit die DB AG dauerhaft Gewinn erwirtschaften kann, will er durch Rationalisierungen auf allen Ebenen bis 2004 drei Milliarden DM pro Jahr einsparen. In den nächsten fünf Jahren sollen 70 000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Transporte, Zugverbindungen und Strecken, die wesentlich mehr kosten als einbringen, sollen eingestellt werden. Würde dieser Plan verwirklicht, dann würde am Ende dieses Prozesses nur noch eine kleine Schrumpfbahn übrigbleiben. Der Widerstand der Gewerkschaft gegen diese Absicht sollte deshalb von der Öffentlichkeit nach Kräften unterstützt werden. Gegenentwürfe für einen Ausbau und für die Modernisierung der Bahn sollten Politikern auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene mit Nachdruck zur Kenntnis gebracht werden. Eine vernünftige Bahnsanierung kann nur politisch mit staatlichen Mitteln zustande gebracht werden. Wer sich dabei auf die Marktkräfte verläßt, hat die Bahn schon aufgegeben.

Die von Mehdohrn geplanten Maßnahmen im Einzelnen:

- Zahlreiche Fernverbindungen sollen gestrichen oder durch Nahverkehrszüge ersetzt werden, deren Defizite dann von den Ländern übernommen werden müssten. Ein Viertel des Fernverkehrs, das angeblich unrentabel ist, steht zur Disposition. In Bezug auf die Nordwest-Region hat die Bahn bereits die Streichung der Interregios nach Wilhelmshaven angekündigt.

- Beim Güterverkehr will sich die DB AG auf ertragsstarke Linien beschränken und bis 2004 rund ein Viertel der Gütertransporte streichen. Städte wie Oldenburg haben ihren Güterbahnhof längst verloren, von LKW auf Bahn kann hier nicht mehr umgeladen werden. Die Post hat ebenfalls auf LKW- Transport umgesattelt. Dieser Prozeß soll weitergehen. Flächendeckender Güterverkehr soll vollständig aufgegeben, nur noch ausgewählte Güterzuglinien sollen mit möglichst weiten Transportwegen betrieben werden. Von den 40 290 Arbeitsplätzen bei der Tochtergesellschaft DB Cargo sollen in den nächsten fünf Jahren 15 122 gestrichen werden. Das alles dient der Kostensenkung, denn die Hauptverluste der Bahn entstanden im Güterverkehr. Die Zunahme der Luftverschmutz ung findet in einer Konzernbilanz allerdings keine Beachtung. Börsianer sind der festen Überzeugung, daß das Glück der Menschheit nur von Dax und Dow Jones abhängt.

- In einem Rundschreiben an Mitarbeiter kündigte Mehdorn im Januar an, daß "dort, wo nur wenige Menschen die Züge nutzen", Busse im Nahverkehr die Bahn ersetzen sollen. So sollen etwa sieben Prozent des gesamten Zugverkehrs auf die Straße verlagert und jeder zehnte Nahverkehrszug gestrichen werden. Vergeblich Tun

Laut "Capital" soll bis 2003 der Gewinn im Fernverkehr von 200 Millionen auf 800 Millionen gesteigert und im Güterverkehr das Minus von 150 Millionen in ein Plus von 500 Millionen umgewandelt werden. Der vielgelobte Wirtschaftsmanager Mehdorn geht wie bei seinen bisherigen Firmensanierungen vor und meint, so die Bahnaktie auf eine erträgliche Rendite bringen zu können. Doch die Bahn ist kein normales Wirtschaftsunternehmen. Sie kann nicht wie eine Zementfabrik saniert werden. Neben ihrer ungeheueren Bedeutung für die Umwelt und die Lebensqualität der Menschen ist sie auf einen funktionierenden öffentlichen Nah- und Zubringerverkehr angewiesen. Wenn Jan aus Emden nach einer schnellen Fahrt von München nach Bremen dort im Hauptbahnhof hängen bleibt, weil es keinen Anschluß mehr gibt, und sich ein Hotel suchen muß, wird er das nächste Mal mit seinem Auto fahren, das sowieso in der Garage steht. Attraktive Verbindungen allein zwischen den Metropolen werden die Bahnfahrerzahlen rapide purzeln lassen. Das wird weitere Stillegungen zur Folge haben. So ist der Umsatz nicht zu steigern. Was dabei herauskommt, ist in Großbritannien zu studieren: Zwei, drei durchgehende Langstreckenverbindungen pro Tag zwischen den großen Städten, aber rappelvolle Züge, die etwas einbringen. Nur - wem nützt solch eine Bahn?

Gegenentwürfe

Einen Vorteil hat die Privatisierung der Bundesbahn: Andere, kleinere Unternehmen können neben dem bisherigen Monopolbetreiber die Gleise nutzen. Im besten Fall führt das dazu, daß mit Fantasie nach Möglichkeiten gesucht wird, den Kundenservice zu verbessern und das technische Material optimal einzusetzen bzw. Innovationen mutig auszuprobieren. Im schlechten Fall setzen die neuen Bahnbetreiber ihre Fantasie nur dazu ein, die Löhne der Beschäftigten zu drücken, die nicht mehr durch den bei der DB AG geltenden Tarifvertrag geschützt werden.

Ein schönes Beispiel für die Nutzung der neuen Möglichkeiten wäre die Realisierung der Straßenbahnverbindungen von Bremen nach Nordenham oder Hude. Entsprechende Pläne werden gerade überprüft. Karlsruhe praktiziert diese Nutzung ehemaliger Bahngleise bereits seit Jahren mit großem Erfolg. Wenn Oldenburger aber glaubten, auf diesem Weg mit neuen Haltestellen in Wüsting, Ofenerdiek oder am Woldsee beschenkt zu werden, so wäre das ein wenig naiv. Die Bremer haben durchaus eigennützige Gründe für ihre Pläne. Das konkurrierende Oberzentrum soll nicht unterstützt werden. Wenn Oldenburg so etwas erreichen will, muß es selber den Anstoß dazu geben - und die Finanzierung klären. Leider ist jedoch von der VWG nicht so viel Unternehmungsgeist und Fantasie zu erwarten wie von dem Bremer Nahverkehrsuntern ehmen. Das zeigte sich bereits, als es darum ging, welche neuen Gesellschaften die Trasse Wilhelmshaven-Osnabrück betreiben sollen. Oldenburger haben sich nicht darum beworben.

Auch Straßenbahnverbindungen ins Umland sind nicht ohne öffentliche Zuschüsse zu betreiben, und seien sie wesentlich kostengünstiger als die bisherige Bahnverbindung. Jede neue Haltestelle kostet neues Geld. Die Firma, die ab November die neuen Waggons der Landesverkehrsgesellschaft von Wilhelmshaven nach Osnabrück und Jever fährt und so das Oberzentrum Oldenburg bedient, macht das ebenfalls nicht aus reiner Menschenfreundlich keit: Defizite auf der Nahverkehrsstrecke werden vom Land getragen. Privater Gewinn winkt.

Konkurrenz ermöglichen!

Eine Grundvoraussetzung zur Rettung der Bahn muß auf jeden Fall erfüllt werden: Die Konkurrenzbedingungen zum Flugzeug und zur Straße müssen schnell verändert werden. Es ist ein Wahnsinn, daß Flüge nach Rom oder Bordeaux billiger - und natürlich bequemer und weitaus schneller - als die entsprechenden Bahnverbindungen sind. Die deutschen Parlamentarier müssen schnellstens eine breite Intitiative zur europaweiten Einführung der Kerosinsteuer starten. Bisher gibt es in dieser Richtung nur ganz verhaltene Stimmchen.

Das Bahnangebot für Frachtgut muß nicht eingeschränkt, sondern ausgeweitet werden. Das geht nur, wenn LKW-Verkehr ein wenig mehr an den von ihm verursachten Kosten beteiligt wird. Eine LKW-Steuer von 25 Pfennig pro Kilometer fordert der Verkehrsexperte der Grünen in Berlin, Albert Schmidt; weitaus mehr verlangt der VCD. Die Einnahmen müssen für den Bahnausbau festgeschrieben werden. Hoffen wir, daß solche Initiativen Früchte tragen, bevor die Bahn kaputtsaniert und die Autobahnen im Stau versunken sind.

achim


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