Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/00      
   

Atomausstieg vor dem Aus?

Rückenwind für sauberen Strom

In der politischen Atomausstiegsdiskussion der letzten Jahre herrscht die Angst vor milliardenschweren Regreßforderungen der AKW- Betreiber vor. Keine Rede ist mehr davon, daß ein einziger GAU mit Reaktordruckbehälterversagen (Am Reaktor Biblis laut Reaktorsicherheitsstudie der Bundesregierung 1989 belegt.> innerhalb von wenigen Stunden neben grenzenlosem Leid auch zu gigantischen volkswirtschaftlichen Schäden führen würde. Eine Vollversicherung dieser Schäden ergäbe einen Kilowattstundenpreis von 3,50 DM (laut Enquetekommision des Deutschen Bundestages>. Eine Studie der US-Atomenergie- Kommission stellte bereits 1965 fest, daß "kleinere Nationen bereits durch einen einzigen Reaktorunfall vernichtet werden können". Die Explosion in der japanischen Uranverarbeitungsanlage sowie der Absturz einer britischen Phantom 800m neben einem schottischen AKW im November '99 belegen die ständig vorhandene Gefährdung ebenso wie die ständige großflächige und "langlebige" Verseuchung durch Uranabbau und WAA. Dabei setzt sich die Bundesregierung mit der Festlegung von Restlaufzeiten ohne Not den unberechtigten Schadenersatzforderungen der Atomindustrie aus.

Schadensersatzforderungen

Mit dem Bemühren um einen Ausstieg im Konsens mit einer abzuschaffenden Industrie macht sich die Bundesregierung nur handlungsunfähig und trägt durch immer weitere Annäherung an Atomlobbypositionen wenig zu einem praktischen Atomausstieg bei. Statt um jeden Preis Reaktorlaufzeiten festzulegen, muß die Bundesregierung die ersten vier wichtigsten und rechtlich längst geklärten Sofortmaßnahmen endlich umsetzen. 1> Verbot der umweltverseuchenden Wiederaufarbeitung von Atommüll, da schadlose Verwertung nicht stattfindet. 2> Höchste Sicherheitsanforderungen an bestehende Atomanlagen. (Z.B. werden im AKW Biblis seit zehn Jahren angeordnete Nachrüstungen aus Kostengründen nicht durchgeführt.> 3> Die 70 Mrd. DM Entsorgungsrückstellungen der Verfügungsgewalt der Stromkonzerne entziehen und in unabhängigen Entsorgungsfonds einbringen. 4> Eine ausreichende Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke. (Zur Zeit nur 500 Mio. DM> Allein durch diese Maßnahmen würde das letzte Atomkraftwerk um ein vielfaches früher vom Netz gehen, als beim Festlegen von Restlaufzeiten.

EU: Rückstellungen wettbewerbsverzerrend

Darüberhinaus billigt Rot-Grün Wettbewerbsvorteile der Atomenergie gegeüber sauberen und klimaschonenden Energieformen, Die Stromkonzerne mißbrauchen ihre unbrechtigt steuerfreien Milliardenrückstellungen für das Presidumping ihrer Billigstromfirmen. Selbst die Europäische Kommision stuft die Atomrückstellungen als wettbewerbsverzerrend ein, und fordert die Kontrolle über diese Gelder durch nationale Stellen.

Fast ein drittel der Rot-Grünen Regierungszeit ist verstrichen und noch immer ist das Atomgesetz der alten Kohlregierung in Kraft. Man hat sich in die Frage der Reaktorlaufzeiten verrant, anstatt alle gangbaren und sowieso "entschädigungsfreien" Maßnahmen endlich anzugehen.

"Atomstrom ist Yellow"

Um in Richtung Atom- und Kohlestromausstieg weiter zu kommen, sollten die Wettbewerbsbedingungen für umweltfreundliche, zukunftsfähige und arbeitsplatzfördernde Techniken wesentlich verbessert werden. So sind z.B. die Netzzugangsbedingungen und Stromdurchleitungskosten für Ökostrom noch nicht befriedigend. Volkswirtschaftliche Schäden konventioneller Stromerzeugung werden noch immer nicht dem Verursacher zugeordnet, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet. Das Belohnungsprinzip steht in weiten Teilen Kopf! Wer viel und umweltschädlich verbraucht, zahlt weniger. "Atomstrom ist Yellow" lautet eine Gegenkampagne von Greenpeace, um klar zu machen, daß z.B. vorwiegend umweltschädlicher Billigstrom angeboten wird, und der demnächst sogar aus maroden ukrainischen Kraftwerken für ca. 2,5 Pfg. importiert werden kann.

Neues Stromeinspeisegesetz

Positive Ansätze Rot-Grüner Gesetzesinitiative bietet der Entwurf des neuen Stromeinspeisegesetzes, welcher bereits am 16.12.1999 die erste Lesung des Bundestages absolvierte. Es ist das weltweit fortschrittlichste zur Förderung regenerativer Energien. Die von der Kohlregierung geschaffene 5%-Beschränkung von regenerativem Strom wurde beseitigt, beim Windstrom für mehr Gerechtigkeit zwischen Küsten- und Binnenlandstandorten gesorgt, Geothermie neu aufgenommen sowie Biomasseverstromung und andere reg. Bedingungen verbessert.

Am revolutionärsten fällt die Anhebung von Sonnenstrom-(Photovoltaikanlagen->vergütungen von bisher 16,1 Pfg auf 99 Pfg. ins Gewicht. Zusammen mit der Förderung aus dem 100.000 Dächer KFW-Kreditprogramm, einem zinslosen 10-Jahreskredit für die Investitionskosten der PV-Anlage, und dem integrierten 12,5% Zuschuß ergibt sich nun eine kostendeckende Vergütung von Solarstrom. Privatleute, kleinere Firmen und Vereine können diese Förderung beanspruchen. Die hohe Einspeisevergütung wird für die Lebensdauer der Anlagen gezahlt. Da es auf die PV-Module vieler Hersteller bereits Leistungsgarantien von 20-25 Jahren gibt, ein echter Anreiz, sich seinen privaten Ökostrom selbst zu produzieren!

Die "kostengerechte Vergütung" von Solarstrom hatte sich der Aachener Solarenergieförderver ein vor ca. 8 Jahren ausgedacht und in 20 Städten der BRD bereits umgesetzt. Die Lobbyarbeit vieler Jahre hat sich nun auch bundesweit gelohnt. An Utopien muß nicht geglaubt werden, sondern auch dafür gekämpft werden!

Werner Altnickel, Greenpeace Gruppe Oldenburg, Solarenergie Förderverein Aachen - Infostelle, Tel. 46703


Impressum
Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen.
Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum