Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/00      Seite 15
 
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Schwebendes Verfahren

Die Dezember-Sitzung des Oldenburger Rates hatte es in sich: Ob der zuvor durch den Ausschuß für Arbeit, Wirtschaft und Finanzen abgesegnete Haushalt auch im Rat mehrheitsfähig sein würde, war bis zuletzt unklar. Vorausgegangen waren wochenlange Spitzfindigkeiten über die Interpretation einer Aussage der Aufsichtsbehörde, der Bezirksregierung: An den Sitzungen einer Haushaltskonsolidierungsgruppe sei die Bezirksregierung zu beteiligen.

Während der CDU-Oberbürgermeister interpretierte, daß er beteiligen könne, wenn er es für notwendig erachte, also eher ein Angebot der Aufsichtsbehörde sah, betrachtete die SPD die Beteiligung als Zwang. Deshalb drohte sie, die pauschale Sparauflage von 10 auf 19,6 Mio. DM zu erhöhen, um einen genehmigungsfähigen Haushalt zu bekommen, falls der OB sich einer permanenten Beteiligung widersetzen sollte. Dies allerdings ähnelt dem Versuch, sich selbst ins Bein zu schießen, weshalb sich die Grünen diesem Versuch widersetzten.

Erst im allerletzten Augenblick interpretierte die SPD eine Äußerung des OB so, daß sie die von ihr wahrgenommene Auflage der Bezirksregierung erfüllt sah. Es ist leider davon auszugehen, daß die Profilierungsübungen damit nicht beendet sind. Bereits die Frage nach der Zusammensetzung der Gruppe zur ersten Sitzung bietet weiteren Stoff.

Stille nach ungewohnter Eile

Nachdem die Bezirksregierung in ungewohnter Eile den verabschiedeten Haushalt bereits Stunden nach der Ratssitzung als wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig bezeichnete, eine Einschätzung, zu der sie sonst Wochen oder Monate benötigt, ist es über den Jahreswechsel erst einmal still geworden. Der Haushalt befindet sich in der Schwebe zwischen der Genehmigung durch den Rat und der Genehmigung durch die Bezirksregierung.

Zur Durchsetzung beider Varianten der Konsolidierungsgruppe gibt es die Androhung einer Keule: Während die Bezirksregierung die "vorläufige Haushaltsführung" schwingt, hat der OB im Falle der 19,6 Mio.-Einsparung die "Haushaltssperre" in der Tasche. Welche letztlich zuschlagen würde, wäre im Ergebnis gleich: Die Lebensfähigkeit einer oft in jahrelanger Arbeit mit großen ehrenamtlichen Anteilen aufgebauten Selbsthilfe- und Beratungsstruktur, für deren Aufbau Rot-Grün immer gekämpft hat, wäre akut gefährdet (siehe Stachel 12/99).

Ön der gegenwärtigen finanziellen Situation der Stadt ist sicher die Aufsichtsfunktion der Bezirksregierung anzuerkennen, die Stadt muß sie aber für sich nutzen. Die vorgeschlagene Arbeitsgruppe ist dazu ein taugliches Mittel, sie kann durch ihre kontinuierliche Arbeit am Thema und durch die zusätzliche Sichtweise der Bezirksregierung neuen Schub in die Einsparbemühungen bringen. Werden dort Vorschläge erarbeitet, die für Rot-Grün nicht akzeptabel sind, so werden sie nicht umgesetzt. Die Verantwortung bleibt jederzeit voll bei der Politik. Die Arbeitsgruppe sollte sich schnellstens konstituieren und dann mit inhaltlicher Arbeit beginnen. Dabei sollte keinesfalls der Eindruck entstehen, die Bezirksregierung werde nur nach Gutdünken des OB hinzugezogen, sondern sie sollte partnerschaftlich eingebunden werden.

SPD und Grüne für Investitionsstopp

Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem jegliche Einsparungsmöglichkeiten ausgenutzt werden müssen, um unser Gemeinwesen vor Korrosion zu schützen. Ein immer größerer Anteil der städtischen Gelder wird über die Zinszahlungen zur Finanzierung der Banken mißbraucht. In einem Punkt kann sich die Bezirksregierung der Unterstützung der Grünen bereits sicher sein: Auch diese wollen seit Jahren die Investitionen kritisch unter die Lupe nehmen und haben bereits 1998 ein Moratorium für neue Investitionen vorgeschlagen. Dazu allerdings konnte sich bisher die SPD nicht durchringen, zu groß ist die Macht der Stadtteilfürsten, die ihrem Ortsverein beweisen müssen, daß sie noch etwas gelten in ihrer Partei.

Kritisch bleibt jedoch der einäugige Blick der Bezirksregierung auf die Ausgabenseite. Die Grünen sind der Meinung, daß auch die Einnahmesituation nochmals genau betrachtet werden muß. Es kann nicht sein, daß in einer so prekären Lage die Erhöhung der im Vergleich zu anderen Städten sehr niedrigen Grundsteuer weiterhin ein Tabu bleiben soll. Weiter ist auch an den Verkauf von städtischem "Tafelsilber" zu denken, sofern sowohl für die Bürger als auch ggf. für Beschäftigte akzeptable Bedingungen geschaffen werden können. Derzeit wird dies für die Abwasserbeseitigung geprüft. Klar ist jedoch, daß dies nicht der Weißheit letzter Schluß ist, denn das strukturelle Defizit von 20-30 Mio. DM jährlich läßt sich nicht dauerhaft durch solche Aktionen beseitigen. Ziel der Arbeitsgruppe muß es deshalb sein, Wege aufzuzeigen, wie der städtische Haushalt im "Normalbetrieb" mit weniger Ausgaben und ggf. auch mehr Einnahmen zu fahren ist. Schwierige Aufgabe der Politik wird es sein, die politischen Inhalte nicht einem Spardiktat zu opfern.

Berndt Zabel

 

 
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