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Harald wurde abgeholtMehr durch Zufall wurde bekannt, daß Harald im Landeskrankenhaus weggeschlossen wurde. Besuche dort brachten schlimme Zusammenhänge zu Tage. Herauszufinden, wo der Anfang dieser Geschichte ist, fällt schwer. Das Wegsperren ist ein vorläufiger Höhepunkt. Harald ist erwerbslos. Da ihn das Arbeitsamt nicht gerade großzügig bedenkt, bekommt er Ergänzende Sozialhilfe. Aufgrund früherer Schulden und langer Erwerbslosigkeit reicht das nicht. Hinzu kam im November, daß die Energieversorgung-Weser-Ems (EWE) ungeduldig wurde und das Geld für Kosten einer Vor-Wohnung mit den teuren Nachtstromvernichtern endlich sehen wollte. Der Strom wurde abgestellt.
Ohne Geld in der dunklen Wohnung im NovemberHarald lief sich die Hacken ab, um den Strom wieder angestellt zu bekommen. Er ging allein zum Sozialamt, zu verschiedenen Beratungsstellen der Stadt, zum Verwaltungsgericht. Alles erfolglos. Diese Situation wäre für niemanden leicht zu bewältigen. Bei Harald kommt hinzu, daß er seit längerem weiß, daß er mit dem wenigen Geld nicht gut umgehen kann. Deshalb hat er sich um eine Betreuung bemüht. Die Betreuung wechselte. Für die finanziellen Belange des Lebens hat er seit längerem einen amtlich bestellten Betreuer, mittlerweile einen "Berufs-Betreuer". Hier stellt sich die Frage, warum in einer solchen Situation nicht die finanziellen Belange von eben diesem Betreuer geklärt wurden. Doch der Betreuer ließ Harald "abblitzen". Der Betreute mußte sich Sätze anhören wie "Meine anderen Leute spuren alle" und neuerdings "Dir ist nicht mehr zu helfen".
Die Einweisung klappte schnellDie Klärung der Finanzen bekam der Betreuer nicht geregelt. Doch dann erklärte er dem Gericht, Harald habe ihn bedroht. Er ließ seine Betreuungsbefugnis auf die Bestimmung des Aufenthaltsortes erweitern und beantragte die Einweisung in das Landeskrankenhaus Wehnen (LKH). Die Realisation klappte innerhalb von eineinhalb Tagen.
Das Sozialamt spielt LockvogelHarald wurde zum Sozialamt geladen, damit er einen Gaskocher abholen könne, da er ja keinen Strom habe. Auf dem Sozialamt wurde er von Ordnungsamt, Polizei, Feuerwehr, Sozialarbeiter erwartet. Handschellen, Zwangsjacke und Spritze waren bereit. Verwundert, daß Harald ohne "Anwendung einfacher Gewalt" mitkommen wollte, stritten sich noch Polizei und Feuerwehr um den Transport.
Leben im LKHBei Besuchen wenige Stunden darauf im LKH machte Harald alles andere als einen "Depressiven Eindruck", wie ihm mehrfach diagnostiziert wurde. Der positive Eindruck blieb über mehrere Tage sowie bei mehreren Telefonaten erhalten und wurde von allen seinen Besuchern bestätigt. Bis er massiv unter Medikamente gesetzt wurde. Ohne Betrachtung der massiven gesundheitlichen Nebenwirkungen fühlte sich Harald bereits schrecklich durch die Wirkung der Medikamente.
Zwangsbehandlung ist KörperverletzungBereits 1998 hat ein Kölner Gericht festgestellt, daß Zwangsbehandlung ohne vorliegende Notwendigkeit wie Lebensgefahr Körperverletzung darstellt. Das Gericht betonte ausdrücklich das "Recht zur Krankheit". Im hier vorliegenden Fall mögen die Meinungen über die Notwendigkeit zur Einweisung auseinandergehen. Klar ist jedoch, daß diese nach dem Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) erfolgte. Sie sollte also eine Gefährdung der eigenen Person oder anderer verhindern sowie eine Beobachtung ermöglichen, ob die Zwangseinweisung zu Recht erfolgte. Wie soll unter starker Medikamentation "beobachtet" werden. Ein eindeutiger Bruch der gesetzlichen Bestimmungen lag auch vor, als Bekannte Haralds nicht gehört wurden. Der Paragraph 70 (d) FGG sieht die Anhörung "Vertrauter Personen" ausdrücklich vor! Dem deutlich vorgetragenen Wunsch Haralds wurde nicht entsprochen.
Weihnachten in die dunkle Wohnung: Halleluja!In der Woche vor Weihnachten wurde klar, daß Weihnachten möglichst wenig Menschen im LKH sein sollen. Telefonate mit Sozialamt und EWE ergaben, daß der Betreuer sich immer noch nicht um die Klärung der Altschulden gekümmert hatte. Die EWE war kurz davor, diese gerichtlich einzutreiben, was weitere Kosten für den staatlich anerkannt armen Harald bedeutet hätte. Ein Mitarbeiter des Sozialamtes weigerte sich, mit einem Bekannten Haralds zu verhandeln. Während der auf dieser Ebene vorgeschobene Datenschutz funktionierte, genierte sich dieser Mann jedoch nicht, deutlich über angebliche Drohungen Haralds zu "plaudern". Vermutlich brachte erst ein Gespräch mit der Amtsleitung die "Wende". Das wurde jedoch erst deutlich, als am 30.12.99 der Strom wieder angestellt wurde. Warum nur hatte dies der Berufsbetreuer nicht in die Wege leiten können.
Doch Weihnachten lebt sichs in TodesgefahrImmerhin konnte Harald den zugesagten Gaskocher abholen. Noch unter Medikamenten und zugleich unter Entzugserscheinungen bekam er eine "Spar-Koch-Möglichkeit" ausgehändigt. Zum Glück wurde er von Bekannten gewarnt, diese auch tatsächlich einzusetzen. Denn bereits in der Bedienungsanleitung sowie mehreren Anhängern/Aufklebern wird vor dem Einsatz dieses Camping-Kochers in geschlossenen Räumen gewarnt. Neben der erheblichen Brandgefahr wird deutlich darauf hingewiesen, daß die Anwendung des Gerätes in ungelüfteten Räumen auf Grund Sauerstoffmangels zum Tod führen kann. Leider ist die Schrift jedoch so klein, das unter Medikamenten, durch die es zu einer Beeinträchtigung der Sehfähigkeit kommt, diese nicht gut entziffert werden kann. Doch so weit braucht nicht gedacht zu werden. Denn dem Amt dürfte bekannt sein, daß Harald laut Gutachten als "minderbegabt" gilt. Warum sonst hat er den Betreuer, der über die Betreuungsstelle der Stadt Oldenburg vermittelt wurde.
Harald spurt jetztHarald leidet deutlich unter den Folgen des Erlebten. Die Stadt kann also froh sein, sie wird zukünftig Einiges sparen können. Doch heißt es nicht im Bundessozialgesetz, daß die Sozialhilfe ein "menschenwürdiges Leben" ermöglichen soll? Wievielen Menschen geht es in Oldenburg ähnlich, ohne daß FreundInnen, Bekannte oder die Öffentlichkeit davon erfahren. Schlicht: Wieviel Gaskocher hat das Sozialamt 1999 verteilt und wieviele sind für 2000 eingeplant? Schade auch, daß bei Besuchen und telefonischen Umfragen sich keine Hilfsorganisation in Oldenburg fand, die sich dieser Problematik annehmen wollte. Gerold Korbus
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