Ausgabe 1/00 | Seite 14 | |||||
Bücher
Christian Hoffmann, Christian Haas: Fallstricke. Zwölf boshafte Geschichten.Illustriert von Uschi Rottenbacher. Sage Hast, Geest Verlag 2000, Kt., 144 Seiten, 18.40DM. ISBN 3 - 3934852-02-5 Viel wird über den deutschen Autorennachwuchs geklagt. Er sei unpolitisch, wisse die Zukunft nur in düsteren Farben zu malen, sei in wesentlichen Teilen unlesbar für den nicht Germanistik studiert habenden Leser. Mit einer Erstveröffentlichung im Geest-Verlag machen die jungen Münchener Autoren Christian Hoffmann und Christian Haas auf sich aufmerksam. Ihre fürwahr boshaften Geschichten, eindrucksvoll von Uschi Rottenbacher illustriert, zeigen, daß es auch noch eine ganz andere Gruppe von Autoren gibt, die viel Ironie und Satire die Gegenwart und Zukunft beleuchten. In der wohl bemerkenswertesten Erzählung, nicht zufällig auch in der Auswahlliste zum SF-Preis Deutschland 1999, entlarvt ein aufgetauter Neandertaler Sensationshascherei und vorgebliche Wissenschaftlichkeit. Gnadenlos rechnen die Autoren mit esoterischem Guruwesen ab, wobei die Satire ihnen den Stift so führt, daß der Leser in jeder Geschichte noch die Wahrscheinlichkeit ihrer Fiktionen zu spüren glaubt, nie denkt, die Realität zu verlassen. Die verzweifelte Suche des DJs nach dem musikalisch einmaligem Titel, der noch niemals gecovert wurde, Erlebnisse um einen sehr eigenartigen Hausmeister und vieles mehr, zeigen dem Leser immer wieder Dimensionen der menschlichen Fallstricke, Sinngrenzen alltäglicher Wirklichkeiten, die ja vielleicht wirklich nur noch mit Ironie oder Satire zu fassen sind. Die Autoren scheuen sich auch nicht, mit ihrer eigen Zunft abzurechnen. Bei ihnen gibt es noch die 'Paradoxe Poesie', daß der erfolgreiche Autor mittels gegrillter Tomaten als Wurfgeschosse bei einer eigenen Lesung seine literarischen Banalitäten abrechnet und dabei "einen wesentlich größeren Stolz auf seine Leistung" empfindet "als bei seinem ersten Autorensieg in der Vergangenheit". In jeder der 12 Geschichten geht es um Individualität, die sich gegen die Masse entwickelt. Selbst dann, wenn sie scheitert oder ekelhaft erscheint (wer findet es schon geschmackvoll seine Individualität durch das Hineintauchen in die Toilette auszudrücken - was aber vielleicht doch geschmackvoller als die gleichformende Musik einer Kulturindustrie erscheint), bleibt sie als grundlegender gesellschaftlicher Wert, als Notwendigkeit erhalten, unterliegt zugleich aber stets, in dieser Verdeutlichung liegt der besondere Verdienst der Erzählungen, der Gefahr, bereits wieder vermarktet zu werden. Möglichkeiten der Individualität im Zeitalter der Massengesellschaft - gibt es überhaupt eine Lösungsmöglichkeit oder bleibt letztlich nur der individuelle Absturz in den Wahnsinn. So nimmt dann der Leser manch ironische Wendung, manche zum Lachen anreizende Satire doch so wahr, wie einer der fiktionalen Gestalten des Buches: "Und noch während er lachte, überkam ihn ein Gefühl der Verlorenheit und schließlich verstummte er und starrte den restlichen Abend in sein Weinglas, das von nun an sein ständiger Begleiter sein sollte." Nein, die Autoren wissen auch keine gesellschaftlichen oder individuellen Antworten, wissen nur um die gesellschaftliche Notwendigkeit des Erhalts der Individualität. Allein bereits dadurch ist dieses Buch zum Wechsel in das Jahr 2000 von besonderer Notwendigkeit. Ein flüssiger Schreibstil, unkomplizierte Wortwahl und der gefällige Aufbau der Geschichten, machen das Buch zu einem echten Lesevergnügen. Bemerkenswert dabei im übrigen auch, daß ein Teil der Geschichten in gemeinsamer Produktion der Autoren entstanden ist. Es gibt ihn also den Weg, Individualität in einen kollektiven Gestaltungsprozeß ohne Unterwerfung einzubringen. Gleichermaßen wendet sich das Buch an den jüngeren, jugendlichen aber auch an den älteren Leser, an alle, die mehr als nur ein paar Banalitäten lesen wollen und doch nicht auf inhaltliche Ansprüche verzichten wollen. 'Lesen macht wieder Spaß', dieses Motto des Geest-Verlages paßt vortrefflich auf dieses Buch. Alfred Büngen( Herausgeber des Literaturmagazins Volksfest und der Lit.seiten Kehricht)
Siegfried Grundmann: Heiße Spur auf kaltem Eis.Klaus Bielefeld Verlag, Friedland 1999. ISBN 3-932325-79-6, 125 S. Siegfried Grundmann - wer denkt da nicht an den Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, an die Vielzahl der Reportagen, Satiren und Erzählungen in den Werkkreis-Anthologien u.a. auch beim Fischer-Verlag. Und nun ein ganz anderes Genre. Ein Kriminalroman im Davos, eine Idee, die er - wie er mir in einem privaten Schreiben mitteilte - schon lange Jahre mit sich herumträgt, kennt er den Ort und die Skipisten doch aus eigenen Urlaubsaktivitäten. Doch Kriminalroman ist eigentlich der falsche Ausdruck für Grundmanns neues Buch. Der Held seiner Geschichte, der Computerspezialist Fred Langhammer gerät zufällig in das Geschehen, wird von der Hoteldirektion für einen Privatdetektiv gehalten. Kostenlosen Urlaub verspricht der Hoteldirektor ihm, wenn er zumindestens durch den Anschein von Aufklärung ein wenig für Beruhigung der Gäste im Hotel sorgt, in dem der vorgebliche Diebstahl von Schmuck einer Dame für Unruhe sorgt. Ein solche Angebot kann unser 'Romanheld' natürlich nicht abschlagen, zumal auch seine mit den Kindern in München wohnende Frau, die gelegentlich per Telefonat in die Handlung eingreift, ihn dazu überredet, das Angebot anzunehmen. Ohne zuviel zu verraten, das kriminalistische Geschehen erweist sich als unkomplizierter als angenommen, das große Verbrechen spielt sich abseits der Romanhandlung ab. Der Hoteldirektor, der Fred Langhammer das Detektivangebot unterbreitete, wird in Mailand wegen des Verdachts der Geldwäscherei für die Mafia verhaftet. In Davos geht es hingegen in er Zwischenzeit sehr viel menschlicher zu. Vielleicht ist dies der präzise Ausdruck für das Buch. Es ist eine wundervoll menschliche Geschichte von Irrtümern, menschlichen Stärken und Schwächen, von den Schönheiten eines Winterortes, einschließlich wunderschöner Landschaften, Skipisten und der üblichen Feste, aber auch die Lawinenkatastrophen. Menschlich erscheint das Buch, da es der Autor schafft, die üblichen Klischees eines solchen Ortes und der dort anzutreffenden Menschen zu vermeiden. Liebevoll zeichnet er auch die kleinen Nebenfiguren, schildert Naturschönheiten, ohne dabei in Kitsch oder Oberflächlichkeit zu verfallen. Natürlich gibt es auch eine Beziehungsgeschichte, die unseren Helden noch alltäglicher erscheinen läßt, als er es ohnehin vielleicht bereits ist. Doch es gibt auch den Hausmeister, der versucht, die ausländische Mitarbeiterin in seinem Fremdenhaß zu denunzieren, die Menschen erinnern sich der Kriegsverletzungen ihrer Väter, der Ablehnung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, den Artikel über aktuelle Fremdenfeindlichkeit in der Zeitung. Bei Grundmann ist die Welt in Davos keine, die sich von der Wirklichkeit des Alltags er übrigen Welt unterscheidet. So geraten seine Figuren realistisch, das Handlungsgeschehen, bei aller zum Teil sehr überraschenden Konstruktion, erscheint einfach möglich, auch der etwas pervers veranlagte Student, der zur Aushilfe an der Rezeption arbeitet, besitzt ein hohen Grad der Möglichkeit. Der Leser erkennt die Welt wieder, die Menschen, auch wenn er noch nicht in Davos weilte. Schließlich ist unser Detektiv auch kein Meister des Skilaufs, holt sich eine heftige Prellung, als er wenig heldisch einen Sturz bei einer Skiabfahrt erleidet. Er stellt eben einen Detektiv dar - einschließlich des unfachmännischen Pfeiferauchens - wie wir ihn vielleicht auch selber spielen könnten. Mit viel Fingerspitzengefühl arbeitet Grundmann auch literarisches Ambiente ein. Manns 'Zauberberg' begleitet uns durch das ganze Buch - im übrigen hat der Held des Buches den 'Zauberberg' auch nur ungelesen in seinem Bücherregal stehen, aber immerhin den Film geschaut, während der geheimnisvolle, abartige Student über den Roman seine Dissertation schreibt. Die Alltäglichkeit seiner Helden bringt Grundmann noch einmal zum Ausdruck, in dem er sein Figuren Rosamunde Pilcher liesen läßt und unser Detektiv ließt am liebsten Kriminalromane, nach einer kurzen jugendlichen Vorliebe für Hesse. Ein wirklich 'feines' Stück Unterhaltung von Siegfried Grundmann. Keine vordergründig politisch engagierte Literatur, kein unglaubwürdig großes Geschehen, vielmehr ein bis ins letzte sprachliche Detail ausgeformter Roman der kleinen Handlung. Ein Buch, das aufzeigt, wie niveauvoll und politisch gute Unterhaltungsliteratur sein kann, wenn sie ein engagierter Demokrat und literarischer Könner schreibt. Alfred Büngen
|
||||||
Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum |