Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/99      Seite 4
 
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Ökostrom jetzt auch in Oldenburg

Im Artikel "Ökostrom aus der Steckdose?" der vorigen Ausgabe wurde angedeutet, daß es hier in Oldenburg nicht einfach sei, Kunde der Naturstrom AG zu werden. Der bisher einzige uns bekannte Kunde hatte schon zum ersten April wechseln wollen. Doch dies scheiterte an dem anfänglichen Widerstand der EWE. Sie bezweifelten, daß die bundesweite Genehmigung, die die Naturstrom AG besitzt, auch in Niedersachsen gilt. Diese Zweifel konnten ausgeräumt werden und nun hat die Naturstrom AG mit etwas Verzögerung auch in Oldenburg Kunden. Da der anfängliche Widerstand verschwunden ist, dürfte jetzt wirklich der Vertragsabschluß mit dem Ökostromhändler reichen, um den Stromversorger zu wechseln.

Funktionsweise der Stromhändlermodells

Das folgende Beispiel soll zusammen mit der Abbildung vermitteln, wie etwa das Prinzip ist, nach welchem die Naturstrom AG arbeitet: Herr Schmidt ist Stromverbraucher in der Region i und war bisher an den regionalen Energieversorger gebunden. Er möchte aber Strom aus regenerativen Energiequellen fördern. Dies macht er jetzt über den Stromhändler, der zu diesem Zwecke einen Ökostromerzeuger (Öko KW) unter Vertrag nimmt. Der Stromhändler sichert Herrn Schmidt zu, daß für die Strommenge, die er verbraucht, ein neu gesuchter Erzeuger ökologische Energie in das Stromnetz einspeist. Die Ökostromtarife der etablierten Versorger sichern zwar Ökostrom zu, aber nicht durch die Förderung neuer Anlagen. Sie greifen dazu auf die ohnehin existenten Anlagen zurück. Es ist nicht absehbar, wann sie tatsächlich verstärkt neue Anlagen errichten werden. Herr Schmidt zahlt seinem Stromhändler dasgleiche wie seinem bisherigen Versorger plus einen Mehrbetrag, der abzüglich eines kleinen Anteils zur Deckung der laufenden Kosten an die Erzeuger weitergegeben wird. Der Mehrbetrag bezieht sich auf eine Kilowattstunde und ist unabhängig von Herrn Schmidts Wohnort. Der ökologische Stromerzeuger bekommt vom Stromhändler eine Förderung zusätzlich zu dem Betrag, der ihm von seinem EVU in der Region j aufgrund des Stromeinspeisungsgesetzes zusteht. Diese Förderung ist so bemessen, daß die Anlage für den Betreiber wirtschaftlich ist.

Geht es nicht auch anders?

Warum streitet man sich mit den EVU? Denkbar wäre eine reine Förderung, bei der die etablierten EVU nicht berücksichtigt werden brauchen. Statt Stromhändler wäre man ein Verwalter von Fördergeldern. Dies wäre einfacher. Die Gründer der Naturstrom AG wollten dies jedoch nicht, sondern sie wollten ein EVU für Erneuerbare Energien aufbauen. Sie gehen davon aus, daß eine kommerzielle Vorgehensweise zum schnellen Ausbau erneuerbarer Energien zweckmäßiger ist. Das Vorgehen sei zwar anfangs schwierig, aber dafür in Zukunft aussichtsreicher. Deshalb ist auch die drohende Stromsteuer für das Unternehmen kein Beinbruch. Man sieht zudem die Chance Verluste gegebenenfalls durch staatlichen Förderungen auszugleichen.

Vorteile

Neben den im Artikel der vorigen Stachelausgabe erwähnten Vorteilen ist noch zu erwähnen, daß man als Kunde der Naturstrom AG einen Umzug nur rechtzeitig mitteilen muß. Man kann zumindest bundesweit umziehen, ohne wieder zu einem anderen Versorger wechseln zu müssen.

Ich möchte einmal kurz die recht einseitige Berichterstattung entschuldigen. Da wir alle ehrenamtlich am Stachel mitwirken, haben wir nur begrenzt Zeit, uns um Informationen zu bemühen. Zur Naturstrom AG haben wir über einen unserer Mithelfer und Thomas Myslik viele Informationen erhalten. Wir nehmen gerne weitere Informationen und zusätzliche Hilfe an.

Der Wettbewerb

Bisher war es den Neueinsteigern nicht leicht, im Strommarkt Fuß zu fassen, da die Netzbetreiber durch überzogene Gebühren die Rentabilität verhindern konnten. Gleichzeitig konnten diese selbst ohne diese Hindernisse Ökostrom zu Ökotarifen anbieten (ohne daß sie die Erzeugungweise verändert hätten). Jetzt aber scheint sich ein Wandel anzudeuten. Lange wurde nach einer Art Regulierungsbehörde gerufen, damit die Einsteiger ähnlich wie auf dem Telekommunikationsmarkt gerechte Chancen erhalten. Vielleicht um diesem zuvorzukommen, aber sicher aus eigenem Interesse steigt die freiwillige Bereitschaft der Energieunternehmen, diese Chancen zu bieten. Es ist leider auch für sie sinnvoller, denn es erhöht den Konkurrenzkampf und die Preise werden auch auf dem Strommarkt fallen. Dies wird sich durch günstige Angebote aus dem Ausland noch verstärken. Die großen Stromkonzerne können auch durch den Handel mit Atomstrom verdienen; sie müssen ihn nicht selber erzeugen. Vielleicht wären sie diesbezüglich auf Dauer auch garnicht konkurrenzfähig. Ökostrom wird allerdings unter den drohenden Dumpingpreisen (siehe auch Stachel 4/99 Seite 6: "Strom aus russischen AKWen") leiden. Wenn sich aber bald viele Menschen engagieren und auf Ökostrom als Alternative zur bisherigen Stromversorgung setzen, wird dies zumindest ein Zeichen sein, daß auch der Regierung den Willen nach umweltfreundlichen Produkten verdeutlicht. Es ist wichtig, auch anderen Menschen zu verdeutlichen, daß es höchstens ein kurzsichtiges finanzielles Interesse ist, anders zu handeln.

Marco

 

 
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