Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/99      Seite 7
 
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Desertion und Kriegsdienstverweigerung in Jugoslawien

Desertion und Kriegsdienstverweigerung gibt es in Jugoslawien seit Beginn der Kriege 1990 in größerem Ausmaß. Es gab zahlreiche Protest-aktionen, an denen sich z.B. in der serbischen Stadt Knjazevaç über 5000 Einberufene gemeinsam beteiligten, und ganze Dörfer, wie etwa Tresnjevaç geschlossen den Militärdienst verweigerten.

Unabhängige Quellen schätzen, daß 100.000 bis 300.000 meist junge Männer von 1990 bis 1995 Serbien verlassen haben, um der Beteiligung am Krieg zu entgehen. Schätzungsweise 240.000 Deserteure sind aus ethnisch serbischen Gebieten in Kroatien und Bosnien nach Serbien geflohen.

Viele dieser Deserteure flohen damals über die noch offenen Grenzen nach Westeuropa. Dieser Weg wurde 1992 durch die Einführung der Visapflicht, sowie durch das Schengen-Abkommen und verschärfte Kontrolle der Grenzen gen Westen versperrt.

Zunahme der Repression nach Beginn der NATO-Bombardements

Aufgrund der Bombardierungen der NATO und der damit verbundenen Eskalation des Krieges wurde die Opposition in der BR Jugoslawien geschwächt. Die Repressionen nahmen zu, es gibt praktisch keine unabhängigen Medien mehr. Der Herausgeber von zwei regime-kritischen Zeitungen wurde ermordet. Die noch bestehenden Anti-Kriegs-Gruppen sehen sich innerhalb der Gesellschaft isoliert und fürchten zu Recht um ihre Sicherheit.

Schon seit Ende März ist die Grenze für alle Männer zwischen 18 und 60 geschlossen.

Nach der ersten Verhandlungsrunde in Rambouillet 1998 begann eine neue große Mobilisierungswelle in bisher nicht gekannten Ausmaßen. Sie wurde, wie seit 1991 üblich, nicht offiziell bekanntgegeben, sondern als ‹Routine-verstärkung der Militäreinheiten– bezeichnet.

Jeder Einberufungsbefehl gilt als zugestellt, ob die Person zu Hause ist oder nicht. Rekrutierungen finden vielfach in Form von Razzien und Polizeikontrollen statt. Männer im wehrpflichtigen Alter werden von der Straße weg zum Militär gebracht. Die Vielzahl der Razzien und Kontrollen macht es sehr schwer, im Land selbst unterzutauchen.

Nach Art. 214 StGB der BR Jugoslawien droht bei Nichtbefolgung der Einberufung eine Haftstrafe von einem bis zehn Jahren, bei Flucht ins Ausland sogar bis zu zwanzig Jahren!

Flucht ins Ausland

In dieser Situation versuchen die meisten, in die Nachbarstaaten zu gelangen: eine wichtige Möglichkeit stellt die Flucht auf illegalen Wegen über Montenegro nach Bosnien dar. Von dort versuchen sie weiter nach Ungarn zu fliehen, da es dort nach wie vor keine Visumspflicht für Bürger der BR Jugoslawien gibt.

In Budapest halten sich einige tausend Deserteure auf, die genaue Zahl ist unbekannt. Beim Versuch, weiter in westeuropäische Länder zu fliehen, stoßen sie jedoch auf dieselben Schwierigkeiten wie die kosovo-albanischen Flüchtlinge: In aller Regel gibt es keine Visa, um überhaupt in Schengen-Staaten einreisen zu können. Selbst bei einer privaten Einladung von Familienangehörigen und Kostenübernahme des Aufenthaltes werden Visa verweigert.

In einer Zeit, in der die NATO nach fast drei Monaten Bombardierung keine Perspektive mehr sieht, werden serbische Desertionen nun in den Medien zunehmend als (Er-)Folge des NATO-Einsatzes dargestellt, während kosovo-albanische Männer, die sich den Rekrutierungen der UÇK entziehen, verschwiegen werden. Deserteure der feindlichen Armee werden so für die eigenen Zwecke instrumentalisiert, während zugleich mit der Pauschal-Darstellung der Serben als Aggressoren Feindbilder systematisch aufrechterhalten werden.

juLa

Direkte Hilfen für Deserteure

Der Verein Connection e.V., Mitglied im International Deserter`s Network und Träger des Aachener Friedenspreises 1996, hat in Budapest ein Haus für Deserteure eröffnet, das allen Militärdienstentziehern Schutz gewähren und Anlaufstelle sein will, egal welcher Volksgruppe und Armee sie angehören. Spenden für dieses Haus werden dringend erbeten auf:

Kto. 7085 703 bei Connection e.V.

Stichwort ‹Haus für Deserteure–

Bank für Sozialwirtschaft

BLZ 370 20 500

Quelle: Connection e.V., Informationspapier vom 29.Mai 99

Jugoslawien: Desertion und Kriegsdienstverweigerung

 

 
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